Westaustralien Unterwegs mit den Muschelfischern

Broome · In Westaustralien wächst ein der schönsten Perlen der Welt. Denn durch die extreme Ebbe werden die Muscheln riesig. Es entstehen nicht nur wunderbare Schmuckstücke. Touristen können sich auch an einem besonderen Naturschauspiel erfreuen - der Strickleiter zum Mond.

Abenteuerreise in Westaustralien
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Foto: dpa, pla

Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden, doch noch immer sitzen Hunderte Touristen am Mangrovenstrand von Broome in Nordwestaustralien. Kurz vor halb acht erlöschen die Lichter der Bars und Restaurants, alle schauen jetzt auf das Meer. Langsam schiebt sich der goldgelbe Mond über das schwarze Wasser und erzeugt wenige Minuten später ein spektakuläres Phänomen.

Die Strahlen spiegeln sich sowohl im Meer als auch auf dem Watt, so als werfe der Mond eine Strickleiter aus. Diese "Staircase to the Moon" gibt es nur rund um die Vollmondzeit zwischen Mai und Oktober bei extremer Ebbe zu bestaunen. Bis zu 13 Höhenmeter zieht sich das Meer dann zurück und hinterlässt eine riesige Wattlandschaft.

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Foto: Tourism Australia/ Nick Rains

Für die Pinctada maxima, die silberlippige Perlmuschel, bildet der größte Tidenhub der südlichen Hemisphäre das Lebenselixier. Die bis zu 30 Zentimeter große Muschel erreicht durch die vielen Nährstoffe, die von der extremen Strömung angespült werden, eine Größe und Stärke, die seit alters die Begehrlichkeit der Menschheit weckt - wegen ihrer besonders harten und glänzenden Perlen. So machte die Muschel die Stadt Broome zur Weltperlenmetropole.

"Lange vor der europäischen Besiedlung nutzten meine Vorfahren die Muscheln als Tauschmittel im Handel", berichtet Neville Poelina. Er lebt rund 200 Kilometer nordöstlich von Broome im Outback. "Die angesehensten Yawaru- und Djugan-Männer schmückten sich zum Beispiel bei Zeremonien mit den kunstvoll verzierten Schalen."

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Foto: Bertl123/ Shutterstock.com

Poelina arbeitete selbst 22 Jahre als Taucher in der Perlenindustrie, seine Familiengeschichte ist eng mit der Riesenmuschel verbunden. "Mein Urgroßvater wurde Ende des 19. Jahrhunderts von weißen Sklavenjägern aus dem Outback verschleppt und zum Muscheltauchen gezwungen", erzählt Poelina. "Auch mein Großvater schuftete als Sklave auf dem modrigen Meeresgrund, bis diese Ausbeutungsform kurz vor der Jahrhundertwende gesetzlich verboten wurde."

Damals lieferte Broome etwa 80 Prozent der Pinctada maxima weltweit, erfährt man im historischen Museum von Broome. Um die 400 Logger, Spezialschiffe für das Muscheltauchen, waren bis zum Ersten Weltkrieg im Einsatz, um die Riesenmuscheln mit dem wertvollen Perlmutt zutage zu fördern. "Die Chance, dabei eine Perle zu finden, lag bei 1 zu 5000", berichtet Poelina. "Aber allein das Perlmutt war so wertvoll, dass Broome zu Wohlstand gelangte." Knöpfe, Bestecke und Broschen aus Broome-Perlmutt waren in der ganzen Welt gefragt. Man kann sie noch immer auf dem Markt erstehen.

Erst in den 1950er Jahren begann man in Broome mit der Perlenzucht. Die Taucher sammelten die Riesenmuscheln fortan vom Meeresgrund, um sie in Zuchtfarmen zu bringen. Dort wurden sie mit einem Nukleus bestückt, der langsam zu einer Perle heranwächst.

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Foto: Shutterstock.com/RHG

Auch wenn die Arbeitsbedingungen hart waren, verspürt man bei Poelina noch immer die emotionale Bindung zu den langen Jahren auf und in stürmischer See. "Meist waren wir 14 Tage mit unseren kleinen Booten weit vom Festland entfernt unterwegs, um die wilden Muscheln für die Perlenzucht zu ernten. Glücklicherweise verstand ich mich mit meinen japanischen, malaiischen und philippinischen Kollegen an Bord ausgezeichnet", erinnert sich der Angehörige des Nyikina-Stammes.

Um mehr über die Geschichte zu erfahren, hilft eine Wanderung. Ein Lehrpfad führt zum historischen Museum, passiert am Strand eine Reihe von Schautafeln und ein Denkmal, steuert mit dem Pearl Lugger ein weiteres kleines Museum an, um schließlich an dem Pier zu enden, an dem Poelina einst so viele Male Abschied von seiner Familie nehmen musste. Einige Meter weiter steht eine Galerie, in der einige der schönsten Perlen der Welt zu bewundern und zu kaufen sind.

Schwarz-Weiß-Dokumentarfilme in den beiden Museen lassen die Helden von Broome lebendig werden, die mit Taucherglocke und Bleischuhen täglich zehn Stunden im kalten Salzwasser arbeiteten. So wie Poelinas Vater. Der Sohn schwebte bereits mit moderner Tauchausrüstung über den Meeresgrund. Dennoch verlor er eine Reihe von Kollegen durch damals schwer vorhersehbare Zyklone, Haie, hochgiftige Quallen oder Dekompressionsunfälle. "Man musste beim Ernten von durchschnittlich 100 Muscheln pro Tag schon vorsichtig und fleißig sein."

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Foto: Shutterstock.com/ Vadim Petrakov

Die Arbeit in der Perlenindustrie brachte dem Taucher genug Geld für den Start als Aborigines-Touranbieter im Tourismus. Mit seiner Frau Joanne führt er jetzt Gäste aus aller Welt durch sein Land. Von den Tombstone Flats mit Tausenden von Termitenhügeln geht es durch rote und ockerfarbene Wüstengebiete, auf der messerscharfes Spinifex-Gras wächst. Dann ändert sich das Landschaftsbild hin zu dichterem Baumbewuchs mit weißstämmigem Eukalyptus, australischen Teebäumen, Feigen und Lianen.

Neville Poelina hält immer wieder an und erklärt den medizinischen Nutzen von Blüten, Früchten, Blättern, Rinden und Wurzeln. "Das ist meine Apotheke", sagt er lächelnd. Hier findet er etwas gegen Bindehautentzündung, dort gegen Kopfschmerzen. Fleisch liefern ihm wildlebende Rinder und Schweine. Und im Fitzroy-Fluss tummeln sich köstliche Barramundi - allerdings sollte man sich beim Angeln vor Krokodilen in Acht nehmen.

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Foto: Unsplash/AXP Photography

Für den Sundowner steuert Poelina seinen Geländewagen an den Skeleton-See. Jetzt sind auch Tochter Angelina (9) und Sohn Simon (11) dabei, die tagsüber am Computer via Satellit Schulunterricht hatten. Simon eifert seinem Vater nach, kennt bereits über 100 Pflanzenarten, fährt den Pick-up und kann mit dem Gewehr umgehen.
"Wenn einem hier draußen etwas passiert, muss man sich auf seine Familie verlassen können", sagt der Vater. Simon wirft derweil geschickt ein Fangnetz aus und sammelt Garnelen für das Abendessen am Lagerfeuer. Angelina überrascht mit ihren Sprachkenntnissen und streut sogar einige deutsche Begriffe ein. Jeder Gast wird für die Dauer des Aufenthalts zum Mitglied der kleinen Familie.

Nach zweieinhalb Tagen geht es zurück nach Broome. Dort wird ein früherer Tauchpartner Poelinas bestattet, ehemalige Kollegen kommen zusammen. Junge Männer sind inzwischen in ihre Fußstapfen getreten.
Sie bereiten im Hafen von Broome an Bord der "Paspaley IV" die nächste Ausfahrt vor. Das Schiff ist mit modernsten Maschinen, Kombüse, Messe, Ein- und Zweimannkabinen sowie Filmraum ausgestattet.
Es fährt wie zu früheren Zeiten an den Eighty Mile Beach südlich von Broome zum Muschelsammeln. Das Einsetzen des Nukleus in die Muscheln erfolgt nun aber bereits an Bord.

Sind die mit Meerwasser gefüllten Sammelbehälter gefüllt, wird das kostbare Gut zu den Muschelfarmen im Norden transportiert. Hunderte Meilen unbewohnter wilder Küste bieten beste Wachstumsbedingungen.
Kristallklares Wasser garantiert eine außergewöhnliche Qualität der Perlen, die als die schönsten der Welt gelten. Bei einem Flug entlang der Küste beeindrucken die Farben und Formen der Korallen- und Sandbänke. Dort unten legen die Muscheln in den Farmen eine Perlmuttschicht nach der anderen um den Nukleus, bis nach zwei Jahren die fertige Perle entnommen werden kann.

Besonders deutlich ist der Tidenhub auch an den Horizontal Falls zu erkennen. Dort zwängen sich 100 000 Liter Wasser pro Sekunde durch zwei schmale Meerengen zwischen der Talbot Bay und ihren Nebenbuchten. Wenn die Ausgleichsströmung am heftigsten ist, bringen Motorboote Schaulustige bis kurz vor die Falls.

Hierher kommen nur Touristen zu Tagesbesuchen, Minenarbeiter oder eben die "Pearlers". Auch wegen der Abgeschiedenheit zählen die Perlenarbeiter diesen nördlichen Teil Westaustraliens mit seinen Fjorden, malerischen Sonnenuntergängen und dem romantischen Sternenhimmel zu den allerschönsten Arbeitsplätzen. Poelina stimmt zu: "Zweifellos ein Paradies - aber angesichts der vielen Krokodile, Haie und Quallen ein gefährliches." An Bord der "Paspaley IV" hat die Designerin Christine Bracher ihre selbst entworfenen Perlenohrringe angelegt, makellos rund und mit dem charakteristischen Glanz der Pinctada maxima - fast wie der strahlende Mond am Himmel.

(dpa)
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