Kulinarischer Genuss & Insel-Kultur Prince Edward Island: Der Geburtsort Kanadas

Charlottetown · Spöttisch wird die Prince Edward Island auch als Kartoffelprovinz bezeichnet - ein Drittel der gesamten Kartoffelproduktion Kanadas kommt schließlich von hier. Dabei ist es heute vor allem ein Meerestier, das bei Touristen begehrt ist.

Kanada: Das ist Prince Edward Island
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Foto: dpa, zeh

Es gibt wohl niemanden in Charlottetown, der Caron Prins nicht kennt. Viele nennen sie einfach die Queen of the Chips. In einem etwas in die Jahre gekommenen Schuppen brutzelt sie das ganze Jahr über Kartoffelchips. "Es sind die besten, die Sie hier auf der Insel bekommen können", sagt Prins selbstbewusst. Tatsächlich, die Chips schmecken wirklich gut.

"Das kommt von unseren guten Kartoffeln", erklärt Prins. Immerhin wird auf Prince Edward Island rund ein Drittel der gesamten Kartoffelernte Kanadas eingebracht, weshalb die Insel auch Kartoffelprovinz genannt wird. Die Landwirtschaft und die Fischerei sind die wichtigsten Wirtschaftszweige. Aber auch der Tourismus spielt eine wichtige Rolle - die Insel kann vor allem mit großartiger und weitgehend unberührter Natur aufwarten.

Stolz sind die 145 000 Einwohner von Kanadas kleinster Provinz auch auf ihre Geschichte. "1864 trafen sich in Charlottetown die Vertreter verschiedener britischer Kolonien in Nordamerika, um über eine politische Union zu beraten", sagt Karl Bruenjes von der Regierungsorganisation pei2014. Die gastgebenden Unterhändler von Prince Edward Island waren aber mit dem Verhandlungsergebnis nicht zufrieden, und deshalb trat P.E.I., wie Prince Edward Island meist abgekürzt wird, dem neuen Staat Kanada 1867 vorerst nicht bei. Trotzdem gilt P.E.I. als Geburtsort von Kanada, und 2014 wird das 150. Bestehen das ganze Jahr über gefeiert. Ein buntes Programm reicht von Konzerten und Theateraufführungen über eine Flottenparade bis hin zu festlichen Bällen in historischen Kostümen. Viele Veranstaltungen finden im Confederation Center of Arts statt. Dort wird auch die rührende Geschichte der Kinderbuchheldin Anne auf Green Gables aufgeführt. "In diesem Jahr haben wir bereits die 50. Saison und damit das am längsten laufende Musical der Welt", sagt Bruenjes stolz.

Der Spaziergang durch die Stadt führt an prächtigen Kapitänshäusern und Villen reicher Kaufleute vorbei zur Victoria Road, einer beliebten Bummelmeile, die von roten Backsteinhäusern gesäumt wird. Nur wenige Schritte entfernt befindet sich das "Province House". "Das ist der Ort, an dem die Gründungsväter 1864 zusammenkamen. Das Gebäude ist das ganze Jahr über geöffnet", sagt Bruenjes. Der Rundgang endet unten am historischen Hafen, dort wo auch die Frittenbude von Caron Prins steht.

P.E.I. liegt am Südrand des St.-Lorenz-Golfs im Osten Kanadas und ist nur 200 Kilometer lang und bis zu 60 Kilometer breit. Im Süden prägen rostrote Sandsteinklippen das Bild, im Norden dominieren schöne Sandstrände. Weil sich das Meerwasser im Sommer schnell auf über 20 Grad erwärmt, ist die Insel auch zu einem beliebten Ferienziel der Kanadier geworden. Durch schnelle Autofähren über die Northumberland Strait ist die Insel vom Festland aus schnell zu erreichen. Seit 1998 gibt es die Confederation Bridge. Das gigantische, 12,9 Kilometer lange Bauwerk führt vom Cape Tormentine in New Brunswick nach Borden-Carleton auf P.E.I. Auf vier ausgeschilderten Panoramarouten können Besucher die landschaftlichen Schönheiten der Insel erkunden.

Berühmt ist P.E.I. aber auch für seine Hummer. Im MacKinnon's Market unten am Hafen, dem ältesten Fischmarkt der Insel, werden neben fangfrischem Fisch und anderem Meeresgetier auch lebende Lobster verkauft. Heather Carver greift beherzt in ein Bassin, in dem sich einige der Prachtexemplare tummeln. Sie zieht ein etwa sechs Pfund schweres Tier heraus, um es den staunenden Touristen weiterzureichen.
Doch niemand möchte den Hummer auch nur anfassen, geschweige in die Hand nehmen. "Ihr müsst keine Angst haben, der tut nichts", sagt sie. Schließlich sind die bedrohlich wirkenden Scheren des Krustentiers fest mit blauen Gummibändern gesichert. "Ansonsten kann es aber leicht passieren, dass Hummer kräftig zupacken und dabei sogar Finger abkneifen", ergänzt Carver.

Sie zeigt einer kleinen Besuchergruppe unter dem Motto "Taste the Town" einige der kulinarischen Highlights in Charlottetown. Dazu gehört auch der Besuch in einem Lobster Supper. Diese traditionellen Restaurants gehen auf eine Zeit zurück, als der Hummer zunächst alles andere als eine begehrte Delikatesse war. "Kaum zu glauben, aber es ist wirklich wahr: Damals wurden so viele Hummer angeschwemmt, dass die Bauern mit ihnen die Felder düngten und in armen Familien statt Hühnchenfleisch Hummer aufs Sandwich kam", sagt Carver. Erst viel später begannen Pastoren in ihren Gotteshäusern mit der Organisation von großen Hummeressen. Der Erlös kam den Kirchengemeinden zugute. Das Konzept aber - köstlichen Hummer in einer großen Gemeinschaft zu genießen - hat sich erhalten und findet bis heute in Gemeindehallen oder großen Schuppen an den Häfen seine Fortsetzung.

Das wohl bekannteste Lobster Suppers befindet sich im Dorf New Glasgow. "Ohne rechtzeitige Reservierung bekommen sie hier kaum einen Platz", sagt Kellnerin Mallory. "Uns gibt's schon seit 1958, damals kostete ein drei Pfund schwerer Lobster gerade mal 1,50 Dollar. Heute müssen Sie 38 Dollar bezahlen, aber da sind dann auch alle Beilagen dabei", sagt sie weiter. Bis zu 7000 Pfund Lobster gehen jeden Tag über den Tresen. Man sitzt an langen Tischen, bezogen mit rot-weiß-kariertem Wachstuch. Für jeden Gast gibt es eine Plastikschürze, und auf dem Tisch liegt eine bedruckte Papiertischdecke. Darauf wird anschaulich erklärt, wie dem Lobster beizukommen ist. Eine einfache Sache ist das Knacken des Schalentiers mit der Zange nämlich nicht.

Außer Hummer hat Prince Edward Island auch Austern zu bieten. Im glasklaren Wasser der New London Bay betreibt die Raspberry Point Oyster Company seit den 1990er Jahren eine Aquakultur mit Austern und produziert sechs verschiedene Arten dieser begehrten Muscheltiere. Alistair MacDonald arbeitet schon einige Jahre auf der Farm. Mit einem Rechen zieht er einige Austern aus dem Wasser, öffnet sie geschickt und schnuppert kurz daran: "Ja, die sind gut. Probieren Sie mal. Die schmecken doch einfach wunderbar", sagt er. "Auch Kate war von den frischen Austern begeistert", erinnert sich Alistair an den königlichen Besuch von Kate und William von vor drei Jahren.

"Das Dutzend Austern kostet nur zehn Dollar, rund 5,5 Millionen Exemplare werden im Jahr verkauft", erklärt Alistair, der seine Insel liebt und nirgendwo anders leben möchte. "Von fast jedem Punkt der Insel sind es weniger als 15 Meilen zur Küste mit ihren schönen Stränden, und P.E.I. ist eine sichere Insel ohne Erdbeben, giftige Tiere und Wirbelstürme", zählt er die positiven Seiten seiner Heimat auf.

Auf der Fahrt von Charlottetown zum Prince Edward Island Nationalpark zeigt die Natur ihre Trümpfe - hinter jeder Kurve tauchen tolle Ausblicke auf - das blaue Wasser, die rote Erde, die grünen Wälder sind immer präsent. Auf den Feldern sind die Bauern dabei, die Ernte einzubringen. Überall am Straßenrand locken Bauernmärkte, auf denen Farmer ihre frischen Produkte anbieten. Obst und Gemüse, verschiedene Kartoffelsorten, und jetzt im Herbst leuchten Kürbisse in allen Farben und Größen, die kunstvoll aufgestapelt werden.

Nach weniger als einer halben Stunde ist der mit 22 Quadratkilometern zweitkleinste Nationalpark Kanadas erreicht. Beeindruckend ist vor allem die von riesigen Sanddünen und roten Felsformationen geprägte rund 40 Kilometer lange Küstenlinie, die von Cavendish bis nach Dalvay-by-the-Sea reicht. Holzstege führen durch die Dünen und dann ist er da - der feinsandige, weiße Strand gesäumt vom blauen Meer, und in der Ferne tuckern ein paar kleine Fischerboote auf dem Wasser.

Mit etwas Glück ist sogar der seltene Gelbfuß-Regenpfeifer zu entdecken. Der Küstenvogel baut seine Nester in den weitläufigen Dünen und ist nur eine von über 300 Vogelsorten. Wer mehr über die vielfältige Fauna und Flora des Nationalparks erfahren will, sollte das Greenwich Interpretive Center besuchen. Viele Besucher kommen auch zum Orby Head, einer leuchtend roten Felsformation, die ins Meer hineinragt. Besonders am Abend ergibt sich mit der untergehenden Sonne ein fantastisches Farbenspiel.

Gleich nebenan liegt der kleine Fischerort North Rustico mit seinem restaurierten Hafenkai und einem interessanten Fischereimuseum. Zu sehen gibt es dort ein typisches Hummerboot und zahlreiche Exponate zur Geschichte des Fischfangs auf der Insel. Ebenfalls aus alten Tagen stammt der schneeweiße Leuchtturm. 1876 erbaut, dient er heute nur noch als Aussichtsturm. "Früher waren die Türme überlebenswichtig für uns Fischer", erzählt Perry Gotell, der mit dem Hummerfang seinen Lebensunterhalt verdient. "Heute sind sie nur noch eine Touristenattraktion. Es gibt sogar einen Lighthouse Lover's Trail", erzählt er weiter. "Auf diese Weise lernen Sie die Insel wirklich gut kennen - die Route verbindet die sieben für die Öffentlichkeit zugänglichen Leuchttürme".

(dpa)
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