Filmreisen Mit 007 durch London

London · Wer London auf den Spuren von James Bond erkundet, muss stark sein: Statt einer verlassenen U-Bahn-Station findet der Urlauber vielleicht nur eine Besenkammer vor. Dafür steht die Geheimdienstzentrale noch.

Auf den Spuren von 007 unterwegs
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Auch ein James Bond hat irgendwann Dienstschluss. Dann geht er nach Hause in den Feierabend wie jeder andere britische Beamte im Dienst Ihrer Majestät. Diese etwas spießige Seite wird allerdings nicht oft gezeigt, bisher war seine Privatwohnung in allen 24 Filmen erst dreimal zu sehen - zuletzt im jüngsten Bond "Spectre" (2015).

Seitdem kennt man auch die genaue Privatadresse von 007: 1 Stanley Gardens, Notting Hill, erster Stock. Die Erdgeschosswohnung darunter wurde neulich zum Verkauf angeboten - für 2,25 Millionen Pfund. Wir sind schließlich in London.

Doch wahrscheinlich würde man sich genau so ein Haus aussuchen, wenn man dürfte: Altbau natürlich, mit Erkern, Säulen und gusseisernem Balkongitter. Gestrichen ist es in diesem sehr smarten Londoner Weiß mit leichtem Beigeton. Doch, er hat Geschmack, dieser Eton-Schüler.

Bonds wahres Zuhause ist sein Arbeitsplatz

Da steht man also und späht James Bond quasi ins Wohnzimmer. Wobei man aus dem Film weiß, dass es da nicht viel zu sehen gibt - es ist eine spartanische Junggesellenbude. "Gerade erst eingezogen?", fragt Miss Moneypenny, als sie abends bei ihm vorbeischaut. "Nein." Aber die Bilder lehnen alle noch an den Wänden, auf dem Boden stehen Kartons, und die Lampen sind noch nicht aufgehängt worden.

Bonds wahres Zuhause ist eben sein Arbeitsplatz, der Sitz des Auslandsgeheimdienstes MI6 oder auch Secret Intelligence Service (SIS). Das Tragische ist: Nachdem er im vorletzten Film bereits seine Ersatzmutter, die Geheimdienstchefin M, verloren hatte, sprengte Erz-Bösewicht Ernst Stavro Blofeld im letzten Film die gesamte Geheimdienstzentrale in die Luft. Seitdem ist James heimatlos.

Bei einem Besuch an der Themse, Höhe Vauxhall Bridge, kann man sich allerdings vergewissern, dass dies alles nur ein böser Traum war. Da steht das MI6-Hauptquartier strahlend und unversehrt, so wie man es im Kino schon lange nicht mehr gesehen hat. Denn schon in "Skyfall" (2012) gab es in dem Gebäude eine schwere Explosion - fortan war es nur noch eine abrissreife Ruine. Und noch viel eher, in "Die Welt ist nicht genug" von 1999, riss eine Explosion ein Loch in die Außenwand.

Ein Jahr später, im September 2000, schien die Fiktion plötzlich Wirklichkeit zu werden: Vom gegenüberliegenden Ufer aus wurde eine Rakete abgefeuert - ganz real. Sie richtete zwar nur leichten Schaden an einem der Fenster im achten Stock an, aber dass so etwas überhaupt passieren konnte, verursachte gehörige Aufregung. Als Hauptverdächtige galten nordirische Terroristen.

Da es das MI6-Hauptquartier in der Welt von James Bond nun gar nicht mehr gibt, bleibt abzuwarten, wo er, sein Chef M, Waffenbastler Q und Miss Moneypenny im nächsten Film unterkommen. In "Spectre" hatte sich der Inlandsgeheimdienst MI5 direkt gegenüber auf der anderen Themseseite einen nagelneuen Glasturm hingesetzt: das Zentrum für nationale Sicherheit. Dieses Gebäude wurde von Bond allerdings als feindliches Territorium betrachtet. Außerdem war es computeranimierte Fiktion - zumindest von außen. Die Innenszenen wurden in der City Hall gedreht, dem Londoner Rathaus. Der futuristische Bau ist ein Werk Norman Fosters, der dem Berliner Reichstag seine Kuppel aufgesetzt hat. Er sieht aus wie ein angeschlagenes Osterei.

Drehorte von "Spectre"

Bond, verkörpert von Daniel Craig, zieht sich in "Spectre" mit seinen Getreuen in einen unterirdischen Bunker zurück, der per Boot über einen Tunnel erreichbar ist. Die schummrige Einfahrt liegt jedoch gar nicht an der Themse in der Nähe des MI6-Hauptquartiers, sondern weit entfernt im Norden Londons am Camden Lock, mitten im Touristen-Hotspot Camden Market mit seinen vielen hippen Läden.

Später treffen sich M, Q und Miss Moneypenny konspirativ in einem Restaurant, und zwar nicht in irgendeinem: Es ist das älteste der Stadt, Rules Restaurant in 34-35 Maiden Lane, Covent Garden. Gegründet von Thomas Rule im Jahr 1798, verspeist man dort seit jeher sehr britische Gerichte wie Pies, Puddings und schottisches Moorhuhn. Zu den Fans und Förderern zählten der Schriftsteller Charles Dickens und Schauspieler wie Stan Laurel, Clark Gable und Charlie Chaplin.

Mit das Beste an den Bond-Filmen sind die Verfolgungsjagden, und hier hat London im Laufe der Jahre so einiges erlebt. In "Skyfall" zum Beispiel setzt Bond dem Fiesling Raoul Silva nach. Dieser taucht gemeinerweise im öffentlichen Nahverkehr unter, der dem Aston-Martin-Fahrer Bond nun so gar nicht vertraut ist. 007 sucht Hilfe bei Q - wunderbar nerdig gespielt von Ben Whishaw - und teilt ihm mit, dass er sich in der U-Bahn Station Temple befinde.

Tatsächlich entstand die Szene auf einem stillgelegten Bahnsteig der Station Charing Cross unter dem Trafalgar Square. Dieser ehemalige Bahnsteig der Jubilee Line wurde auch für den Horror-Film "Creep" mit Franka Potente (2004) und viele andere Fernseh- und Kinoproduktionen genutzt. Manchmal wird er noch von der U-Bahn reaktiviert, doch dafür muss man Glück haben - meist ist er geschlossen. Allerdings sieht er auch nicht anders aus als die anderen Bahnsteige in Charing Cross.

20 Monate Drehzeit für eine Verfolgungsjagd

Sehr aufwendig zu drehen und dementsprechend teuer sind Verfolgungsjagden über die Themse, zuletzt in "Spectre". Solche Szenen mitten in der Stadt und in der Nähe des Parlaments und der Ministerien sind nur mit langem Vorlauf möglich - in diesem Fall waren es 20 Monate. Allein zur Unterrichtung der Anwohner wurden 11 000 Briefe verschickt.

Am Ende der Verfolgungsjagd stürzt Christoph Waltz als Blofeld mit seinem Hubschrauber auf die Westminster Bridge und wird schwer verletzt von M festgenommen. Die Brücke bietet den perfekten Blick auf viele Londoner Sehenswürdigkeiten wie Big Ben oder das Riesenrad London Eye. An ihrem Südende befindet sich in einem Sockel die Tür, durch die Pierce Brosnan in "Stirb an einem anderen Tag" (2002) zu einer steil abwärts führenden Treppe gelangt. Sie führt ihn geradewegs in die verlassene U-Bahn-Station Vauxhall Cross, in der Q seine exzentrischen Waffen, Autos und Flugapparate konstruiert. Die geheimnisvolle Tür gibt es wirklich - aber erstens ist sie abgeschlossen und zweitens befindet sich dahinter keine Treppe und erst recht keine verlassene U-Bahn-Station, sondern lediglich eine Besenkammer mit Putzzeug.

Man müsse sich eben etwas einfallen lassen, sagt Sam Mendes, der gefeierte Regisseur von "Skyfall" und "Spectre", schließlich sei London "keine besonders fotogene Stadt". Es ist aber eine Stadt mit vielen Gesichtern, und das kommt den Filmemachern zugute: In den Bond-Filmen trat London nicht nur als London auf, sondern auch schon als Hamburg, Schanghai oder Kuba.

Das Somerset Hourse

Der weitläufige Innenhof des palastartigen Somerset House wird in "Goldeneye" (1995) zu St. Petersburg: ein paar russische Flaggen, ein paar alte Ostblock-Autos und eine Lenin-Statue - schon war die Illusion perfekt. Aufgrund ihrer Geschlossenheit ist die aus dem 18.
Jahrhundert stammende Anlage mitten im Stadtzentrum eine der beliebtesten Londoner Filmkulissen.

Für eine "Goldeneye"-Szene mit Bond-Girl Izabella Scorupco in einer russisch-orthodoxen Kirche musste die Filmcrew ebenso keinen teuren Drehtag im Ausland einplanen: Der dafür genutzte Kuppelbau steht im Viertel Bayswater in der Nähe von Kensington Gardens - es ist die griechisch-orthodoxe St. Sophia's Cathedral in der Moscow Road. Von außen wirkt das Gotteshaus recht unscheinbar, aber im Inneren entfaltet sich eine geradezu byzantinische Pracht voller farbenprächtiger Marmormosaike. Leider ist die Kirche nur am Wochenende zu den Gottesdiensten geöffnet. So kommt man mit Bond sogar in die Kirche. Und man kann mit ihm auch die Londoner Hochkultur genießen. Eine der witzigsten Szenen spielt in der National Gallery.

Nach einem nicht bestandenen Fitnesstest sitzt der frustrierte Agent in "Skyfall" zusammen mit Q vor William Turners berühmtem Gemälde "Die letzte Fahrt der Temeraire". Es ist die Darstellung eines ausgemusterten Segelkriegsschiffs, das von einem Dampfboot weggezogen wird - ein Symbol für den Übergang zum Industriezeitalter. Q spielt auf Bonds momentane Situation an, wenn er sagt: "Es macht mich immer ein wenig melancholisch: Ein stolzes altes Schlachtschiff wird schmachvoll auf den Schrott geschleppt. Die Unabwendbarkeit der Zeit, nicht wahr? Was sehen Sie?" Darauf Bond: "Ein Schiff und noch ein Schiff."

Jeder sieht ein Bild anders. Man sollte sich unbedingt die Zeit nehmen, ebenfalls in Ruhe auf der Bank in Saal 34 Platz zu nehmen und sich von Q fragen zu lassen: "Was sehen Sie?" Der Eintritt ist frei.

(dpa)
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