Israel Kibbuz-Hopping durch Israel

Der moderne Staat Israel wurde stark geprägt durch Gemeinschaften, die mit großem Idealismus und viel Fleiß das Land kultivierten und sogar Industriebetriebe aufbauten. Man kann in einem solchen Kibbuz auch Urlaub machen.

Ein Pflanzenparadies mitten in der Wüste: Der Kibbuz Ein Gedi am Toten Meer hat einen riesigen botanischen Garten.

Ein Pflanzenparadies mitten in der Wüste: Der Kibbuz Ein Gedi am Toten Meer hat einen riesigen botanischen Garten.

Foto: Jürgen Grosche

Ein riesiger grüner Dschungel inmitten einer ansonsten steinigen Wüste: Der Spaziergang durch den botanischen Garten des Kibbuz Ein Gedi in der Nähe des Toten Meers lässt unwillkürlich an uralte Weissagungen für Israel denken. „Ich will euch euch aus allen Ländern sammeln und wieder in euer Land bringen. … Das verwüstete Land soll wieder gepflügt werden ... jetzt ist es wie der Garten Eden.“ Vor mehr als 2500 Jahren prophezeite das der Prophet Hesekiel – die Erfüllung präsentiert sich augenscheinlich an diesem Ort.

Da, wo vor mehr als 60 Jahren Steinböcke über harte Felsen kletterten, wandeln Besucher jetzt unter Palmen und Bäumen aus aller Welt, darunter sogar brasilianische Ceiba, Riesen aus dem Regenwald. Blühende Wüstenrosen gedeihen ebenso gut wie kaktusähnliche Sukkulenten aus Madagaskar. „Wir haben hier 850 Bäume aus allen Gegenden der Welt“, erklärt Daniela Coen und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Dies ist einer der schönsten botanischen Gärten in Israel.“

Daniela Coen lebt schon lange im Kibbuz, kennt die Geschichte. In den 1950er-Jahren gründeten ihn 80 Mitglieder einer sozialistischen Jugendbewegung. Tourismus ist heute neben Landwirtschaft eine der wichtigsten Einnahmequellen der 300 Kibbuz-Mitglieder. Damals, zu Beginn, teilten alle ihr Hab und Gut. Doch später gab es eine Privatisierung wie in vielen Kibbuzim. „Jeder ist jetzt für sich selbst verantwortlich“, sagt Daniela Coen. Sie ist traurig über diese Entwicklung. „Das ist nicht das, was ich gesucht hatte. Aber ich habe acht Kinder und 20 Enkel. Wo soll ich hingehen?“

Rund 250 Kibbuzim gibt es in Israel. Die meisten wurden als genossenschaftliche Siedlungen gegründet. Die Mitglieder hatten kein Privateigentum, stimmten über alle Angelegenheiten ab. Doch im Laufe der Jahre verblasste das sozialistische Ideal. Im Kibbuz Shefayim, zwischen Herzlia und Netanja gelegen, beschreibt die Bewohnerin Orit Bar Aki-an es so: Manche Mitglieder arbeiteten hart, auch außerhalb des Kibbuz. Ihr Einkommen floss in den gemeinsamen Topf, aus dem alle schöpften – auch die, die nicht so hart arbeiteten. Das führte zu Spannungen. Allgemeine Wirtschaftskrisen und politische Stimmungswechsel taten ihr Übriges und führten manchen Kibbuz an den Rand der Existenz. So entschieden sich viele zur Privatisierung. Die Hotel-, Landwirtschafts- und Industriebetriebe werden unternehmerisch geführt. Eigentümer sind nach wie vor die Mitglieder, die aber für die Leistungen des Kibbuz bezahlen. Arbeiten sie im Kibbuz, erhalten sie dafür ein Einkommen.

Auch Orit Bar Aki-an, die vor 40 Jahren ins Kibbuz Shefayim kam, war zunächst nicht erfreut über die Entwicklung, die in Shefayim 2010 begann und heute komplizierte Regelungen zum Beispiel für die Nutzung der Wohngebäude vorsieht. Aber sie arrangierte sich. „Man dachte, alle sind gleich. Aber das sind sie nicht. Meine Finger sind auch alle unterschiedlich“, sagt sie und hält die Hand hoch. Der Kibbuz hat heute rund 850 Mitglieder und liegt am Meer nur 15 Fahrminuten von Tel Aviv entfernt. Da bot es sich an, ein Hotel zu eröffnen. Außerdem gibt es eine Kunststofffabrik.

Knapp 15 Prozent der Kibbuzim halten am Ideal des kollektiven Lebens fest. Zum Beispiel der Kibbuz Tzuba nahe Jerusalem. Er wurde 1948 gegründet, hat heute 600 Bewohner, davon 300 Mitglieder. „Wir sind Sozialisten“, sagt Yael Kerem freimütig. Beim Rundgang berichtet die 62-jährige Mitarbeiterin des Kibbuz-Archivs von Diskussionen vor 15 Jahren, ob man auch privatisieren wolle. „Aber die Mehrheit entschied, beim kooperativen System zu bleiben.“

Der Kibbuz erwirtschaftet 60 Prozent seines Einkommens aus industrieller Produktion, 30 Prozent durch Tourismus sowie Einnahmen aus Landwirtschaft. Der Kibbuz zählt 300.000 Besucher pro Jahr. Die Gemeinschaft unterhält auch ein Weingut mit 45 Hektar und produziert acht verschiedene Weine, alle koscher. Kibbuz-Gäste nutzen natürlich gerne die Gelegenheit zur Weinprobe. Und die Nähe zu Jerusalem für Ausflüge in diese unglaublich dichte, geschichsdurchtränkte Stadt.

Mitten im Zentrum eines anderen touristischen Hot­spots befindet sich der Kibbuz Nof Ginosar, direkt am See Genezareth in einer großzügigen Parkanlage mit Zugang zum Strand. Von hier aus erkunden die Touristen gerne die biblischen Stätten am See, zum Beispiel Kapernaum oder die Kirchen der Seligpreisungen und der Brotvermehrung. Beim abendlichen Spaziergang am See leuchten die Stadtlichter von Tiberias herüber und der Mond spiegelt sich auf dem Wasser.

Moshe Spitzer erinnert bei seiner Führung durch den 1937 gegründeten Kibbuz an weniger romantische Zeiten. Schon seit 70 Jahren lebt er dort, führt Gäste auch mal zu einem vergitterten Tor, führt sie eine enge, steile Treppe hinunter in einen Bunker mit Pritschen zum Schlafen. Vor der Besetzung der Golanhöhen durch Israel im Sechs-Tage-Krieg „griffen die Syrer oft an und schossen auf den Kibbuz“, erzählt Moshe. Die Zeiten sind vorbei. Heute unterhält der Kibbuz neben dem Hotel auch die größte Bananenplantage in Israel.

Der Ursprung der Kibbuz-Bewegung findet sich ebenfalls am See Genezareth. Am Südende, wo der Jordan den See verlässt, gründeten 1910 zwölf junge Einwanderer aus Weißrussland (Belarus) den Kibbuz Degania. Er teilte sich später auf in zwei Gemeinschaften: Degania Alef, also A, und Degania Bet (B), der heute ein Hotel in einer Parkanlage mit Swimmingpool betreibt. Degania Alef ist nicht nur bekannt als erster Kibbuz. Der berühmte General und Politiker Mosche Dajan wurde dort geboren – ein weiterer Beleg dafür, wie viel die Kibbuzim dem Land gegeben haben.

Die Redaktion wurde vom Staatlichen Israelischen Verkehrsbüro zur Reise eingeladen.

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