Sri Lanka Die schmutzige Seite eines Urlaubsparadieses

Colombo · Wenige Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges boomt der Tourismus auf Sri Lanka, die Wirtschaft floriert. Immer mehr Müll fällt an, der einfach irgendwo aufgetürmt wird - mit schlimmen Konsequenzen für Mensch und Natur

Die Müllberge von Sri Lanka
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Die Müllberge von Sri Lanka

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Wer auf Sri Lanka zufliegt, die tropfenförmige Insel im Indischen Ozean, bleibt mit dem Blick an den goldenen Stränden und grünen Palmen hängen. Fast unsichtbar vom Flugzeugfenster aus - versteckt in den Auswüchsen der Hauptstadt Colombo - liegt das, was Urlauber und Bewohner nicht mehr brauchen. Müllberge wachsen im Hinterhof der Touristeninsel in die Höhe und bedrohen Mensch und Umwelt.

Besonders viel Abfall landet seit Jahrzehnten im Stadtteil Kolonnawa, wo einkommensschwache Menschen leben. Gunasiri, 64, ist einer von ihnen. Ohne Atemschutz oder Sicherheitsausrüstung klettert er jeden Morgen den stinkenden Hang aus Müll hinauf. Dann knirschen unter seinen Flip-Flops die Überbleibsel der aufstrebenden Inselwirtschaft, die auch dank des Tourismus jährlich um sechs bis acht Prozent wächst, seit der Bürgerkrieg vorbei ist.

Gunasiri sucht, wie Hunderte andere auch, in dem Berg nach Blech, Plastik und Kokosnüssen. "In den buddhistischen Tempeln werden die Nüsse geopfert, dann landen sie auf Lastwagen und kommen hierher", erklärt er. Mit einer Art Machete schält er das weiße Fleisch heraus, aus dem später Seife gemacht wird. Kaum mehr als zwei Euro bekommt Gunasiri für diese Arbeit. So bessert er seine kleine staatliche Rente auf, die er als ehemaliger Beamter in der Kommission für Landgewinnung erhält.

Seine illegal gebaute Baracke liegt versteckt unter Palmen und Bananenbäumen, nur wenige Meter vom Fuß des gigantischen Müll-Hügels entfernt. Aus dem Abwasserkanal dazuwischen steigen Methanblasen auf. Seine drei Kinder gehen in die staatliche Schule, die ebenfalls direkt an den Berg grenzt. Wenn die Kinder auf dem Schulhof Kricket spielen, können die Bälle bis in den Abfall fliegen.

Da brach ein Teil des Müllbergs in sich zusammen

Die 35 Jahre alte Nachbarin erklärt: "Meine Kinder leben jetzt bei ihren Großeltern, denn sie waren ständig krank." In dem sumpfigen Dreckswasser gediehen Mücken, die Denguefieber und Malaria übertrügen. Im Abfall finde man auch verschmutzte Spritzen aus den Krankenhäusern. Die Luft verursache Hautausschläge.

Das UN-Entwicklungsprogramm UNDP spricht in einer Analyse davon, der Müllberg verursache "höchst gesundheitsschädliche und unhygienische Bedingungen". Das Wasser in der Gegend sei stark verschmutzt und die Seen und Bäche stark in Mitleidenschaft gezogen.

Die Bewohner protestierten gegen den Müll, doch zwei Jahrzehnte lang passierte nichts. Bis vor einem Jahr. Da brach ein Teil des Bergs in sich zusammen und beschädigte mehr als 100 Häuser. Seitdem bekommen die Menschen in der Siedlung vom Staat jedes halbe Jahr 340 Euro, um sich woanders eine Wohnung zu mieten. "Das reicht aber hinten und vorne nicht", meint die 26-jährige Najeema Maahi, die ebenfalls in der Kolonie wohnt.

Eigentlich hat Sri Lanka seit 2007 eine Abfallwirtschaftsregelung, nach der Müll getrennt und recycelt werden muss. Die Umsetzung brauche allerdings Zeit, gibt Saranga Alahapperuma, Generaldirektor der Zentralen Umweltbehörde, zu. Das Ministerium für Lokalregierungen spricht von einem "Müllproblem, das immer ernster wird".

Die Bewohner würden gar nicht dazu angehalten, Müll zu trennen oder einzusparen, da sie nichts für die Entsorgung zahlen müssen, kritisiert Umweltaktivist Hemantha Withanage. "So landen jeden Tag viele Tonnen Müll - Industrieabfälle, Chemikalien, Krankenhausmüll, Kompost, Papier - einfach auf offenen Halden." Oft lägen diese auch noch in besonders sensiblen Feucht- und Sumpfgebieten.

Zumindest für den Müll aus der Hauptstadt soll es nun eine Lösung geben: Die Regierung plant, die Abfälle per Zug zu einem ehemaligen Obertage-Kalkstein-Bergwerk 150 Kilometer nördlich von Colombo zu bringen - wo sie wieder unsortiert unter freiem Himmel liegen sollen. Withanage hält das für keine kluge Idee: "Unter diesem Bergwerksgebiet liegt eines der größten Trinkwasserdepots der Insel."

(dpa)
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