Aserbaidschan Das Land des Feuers öffnet sich

Baku · Aserbaidschan öffnet sich für Europa. Nach dem Eurovision Song Contest steht nächstes Jahr wieder ein Großereignis in der Kaukasusregion an: die Europaspiele. Wer das wilde Aserbaidschan erleben möchte, muss in den Norden reisen.

Mystisches Aserbaidschan - Die Sehenswürdigkeiten
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Was haben Alfred Nobel und Berti Vogts gemeinsam? Den Ort ihres engagierten Schaffens: Aserbaidschan. Der schwedische Friedenspreisstifter erwirtschaftete im "Land des Feuers" am Kaspischen Meer um 1880 seinen Reichtum aus dem Ölgeschäft, der "Terrier" Vogts trainierte bis vor kurzem die National-Elf Aserbaidschans.

Er ist real, der strenge Duft des Erdöls. Mit dem Auftauchen der ersten Ölfördertürme, die sich auf dem Weg in die Hauptstadt Baku ins Sichtfeld drängen, klebt er in der Luft. Reich an Rohstoffen ist sie immer schon gewesen, diese Kaukasusregion. Bereits vor Christi Geburt versorgte das leicht zugängliche und entzündbare Erdöl offene, lodernde Flammen. Die leuchtenden Altäre mit ihrem "ewigen Feuer" lockten schon früh die Perser, die im Sinne Zarathustras den Lichtgott verehrten.

Rena Huseynova ist ein wandelndes Geschichtsbuch. Sie kennt jeden Feuertempel, jede Karawanserei und alle historischen Stätten ihres geliebten Landes, inklusive deren Vergangenheit. "Wie in China", flachst sie, mit Blick auf die kilometerlangen, handwerklich sehr abwechslungsreich gestalteten Mauern, die die Straße in die City säumen. Mauern als Sinnbild für die Verschlossenheit der Nation? Von wegen: Mit Turbogeschwindigkeit ist die Kaukasusrepublik unterwegs in Richtung Europa.

2012 entstand in der Hauptstadt der Crystal Palace speziell für den Eurovision Song Contest. Das Scheitern der Bewerbungen zu den Olympischen Spielen 2016 und 2020 steckt scheint Aserbaidschan locker wegzustecken. Dafür ist das Land Austragungsort der "1. Europaspiele 2015".

Nicht nur die moderne Stadtmauer erweckt den Eindruck, dass in "Bauboom-City" das Geld auf der Straße liegt. Seit zwei Jahren ragen die drei "Flame Tower" 190 Meter hoch in den orientalischen Himmel. Vor allem bei Sonnenuntergang genießen Betrachter vom gegenüber liegenden "Bulvar" das gigantische Illuminations-Spektakel auf 70 000 Quadratmetern Glasfassade über 36 Stockwerke.

Auch die irakische Architektin Zaha Hadid setzte eine markante Landmarke: Für den ehemaligen Staatspräsidenten und den Vater des jetzigen Staatsoberhauptes entwickelte sie - ohne Ecken und Kanten - das wellenförmige "Heydar Aliyev Cultural Center".

Keine Frage, in einem Land, in dem reichlich Gas und Erdöl fließen, läuft es wohl wie geschmiert. Andererseits liegt "das durchschnittliche Monatseinkommen bei 250 Manat", meint Fachfrau Rena, das sind umgerechnet etwa 250 Euro. Laut Heinrich-Böll Stiftung sind es sogar 400 Manat, also etwa 410 Euro. Andere Quellen besagen jedoch, dass 40 Prozent der Bevölkerung mit nur 25 Dollar auskommen müsse. Wer hinaus fährt aufs Land, mag eher Letzteres glauben.

Das "wilde" Aserbaidschan begegnet dem Reisenden, der sich aufmacht in Richtung Norden. An den gut ausgebauten Straßen nach Lahij warten einige Bauern auf Kundschaft. Ihre bunten provisorischen Stände mit Obst und Gemüse bieten alles, was die Natur zu bieten hat. Dieses farbenprächtige Allerlei - frisch oder auch milchsauer konserviert - fordert einen Stopp.

Zeichensprache und Russisch ermöglichen eine amüsante Verständigung. Süßlich duftendes Rosenwasser, erlesene Kräuter, Fruchtsaftfladen und Walnusshonig finden immer eine Nische im Reisegepäck. "Spassiba" und weiter geht's.

Nach knapp vierstündiger Autofahrt bietet das kleine verschlafene Lahij auf 1400 Metern Höhe eine originelle Bergdorf-Szenerie. Einst gab es 20 Kupferschmiede, die mit ihren Gebeten und dem rhythmischen Hämmern die Geräuschkulisse im Ort bestimmten.

Eine alte Dame mit blitzenden Augen, die aufmerksam vor ihrem kleinen Laden verweilt, weiß, was Passanten wünschen und empfiehlt sogleich den Besuch bei Kablei Alief. Der empfängt gerne neugierige Besucher in seiner Werkstatt. Er ist einer der wenigen, der dieses Kunsthandwerk noch beherrscht und stilvolle Samoware aus dem Rohmetall zu treiben weiß. Mit süßen Genüssen aus der Natur weiß das 150 Kilometer nördlich von Lahij gelegene Sheki zu verführen. Die Brüder Gafarow fertigen dort seit den 80er Jahren - nach altem Hausrezept - ihr einzigartiges Baklava. "Zu Sowjetzeiten war das verboten", wie der ältere der beiden erklärt. Heute beschäftigen sie 16 Mitarbeiter. Im nationalen Süßwaren-Wettbewerb sicherten sie sich mit ihrer Baklava den ersten Preis. Wen wundert's, dass Kunden da gerne Schlange stehen?

Zuckersüße Träume weckt auch das Flughafengebäude, das bei Sonnenaufgang an Bakus Horizont auftaucht. Wie eine üppig verzierte Geburtstagstorte oder eine Schmuckschatulle strahlt es in der Morgensonne.

(RP)
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