Rezept gegen Burnout und Co — Auszeit hinter Klostermauern Wo die gestresste Seele Flügel bekommt

Untermarchtal/Rödelsee · Überlastung, Burn-out, Stress-Symptome – wenn das Jahr seinem Ende entgegen läuft, wird es für viele noch anstrengender. Im größten Getöse sehnen wir uns nach Ruhe und Entspannung. Finden kann man die an Orten, die viele vergessen haben: im Kloster.

Himmlische Klöster – hier finden Sie zur Ruhe zurück
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Foto: shutterstock/ filmfoto

Überlastung, Burn-out, Stress-Symptome — wenn das Jahr seinem Ende entgegen läuft, wird es für viele noch anstrengender. Im größten Getöse sehnen wir uns nach Ruhe und Entspannung. Finden kann man die an Orten, die viele vergessen haben: im Kloster.

Jeder fünfte Deutsche leidet unter Stress. Atemlos rennen sie der Zeit hinterher, lassen Dinge auf dem Weg liegen, vergessen das, was sie innerlich zusammenhält. Immer mehr Menschen brechen irgendwann erschöpft unter ihren Lasten und den Anforderungen, die sie sich aufladen zusammen. Ein Phänomen, das selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO in Alarmbereitschaft versetzt hat. Sie hat die neue Volkskrankheit Stress zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts erklärt.

Aussteigen für eine kurze Zeit

"Viele suchen eine Auszeit aus dem Gestrudel und Getrudel in der Arbeitswelt und Gesellschaft" — Schwester Marzella vom Orden der Barmherzigen Schwestern kennt die Beweggründe vieler Menschen, hinter dicken Klostermauern für einige Tage oder Wochen Schutz suchen. "Viele wollen eine Zeit lang weg von der Familie, sie suchen einen Rückzug oder waren krank und suchen Erholung", sagt die Ordensschwester. Bei den Barmherzigen Schwestern in Untermarchtal finden sie das und ein offenes Ohr ebenso, wenn es nötig ist. Das entspricht den Ergebnissen, die auch eine Umfrage der Deutschen Ordensoberkonferenz ergeben hat: 35 Prozent der Besucher in Klöstern sind getrieben von dem Wunsch, dort eine Auszeit vom Alltag zu nehmen.

Das, was viele für eine neue Erfindung halten, nämlich "Bildungshäuser" im Kloster zu unterhalten, ist eine uralte Tradition. Im Jahr 1893 eröffnete das Haus der Schwestern in Baden-Württemberg zum ersten Mal seine Tore. Allerdings in den ersten Jahren noch ausschließlich für Priester und Ordensleute. Ausgerechnet in Abteien und Klöstern, in denen gemeinhin starre Doktrin und Unbeweglichkeit vermutet wird, öffnete man sich früh den Anliegen Weltlicher.

Zeit für Stille und Zeit für Sport

Das Kloster in Untermarchtal kann darauf zurückblicken. Dort finden Einkehrtage, Exerzitien, Kreative Tage oder Ferienangebote statt. Passgenau finden dort Familien, Jugendliche oder Männer und Frauen Angebote, die ihnen helfen, wieder zur Ruhe zu kommen. Besucher haben dort die Möglichkeit zur Teilnahme an den Angeboten des Bildungshauses, Zeit für Stille, Gespräch, Kreatives, Bewegung wie Wanderungen oder Radtouren im Donautal oder den Besuch von Gottesdiensten. Die Kosten für einen einwöchigen Kurs liegen inklusive Verpflegung und Unterkunft ca. zwischen 400 und 500 Euro.

All die Dinge, die viele unter Überdruck in Job und Familie nicht mehr wahrnehmen. Wenn aber der Stresspegel zu hoch wird, kann das krank machen. Neben psychosomatischen Leiden wie Magenbeschwerden kann es zu Depressionen, Herz-Kreislaufkrankheiten oder Migräne kommen. Selbst bei Diabetes oder Krebs diskutiert die Fachwelt, welchen Einfluss Überlastung hat.

Wenn Stress entsteht, gehen viele Menschen an das Depot, das ihnen eigentlich heilig ist: ihre Freizeit. Gestrichen wird das, was den Adrenalinpegel wieder zum sinken bringen würde. Das Leben im Kloster zeigt dazu ein Gegenkonzept. Den vermeintlichen Spagat zwischen Arbeit, Glauben, eigener Ruhe und Weltoffenheit realisieren die Schwestern in Untermarchtal wie viele andere Ordensgemeisnchaften auch. Sie haben sich ihrem Glauben nach für den Dienst an Kindern und Jugendlichen, kranken, alten, armen, hilfsbedürftigen und suchenden Menschen verpflichtet. Das zeigt sich in verschiedensten Einrichtungen, die von den heute 353 Ordensfrauen unterstützt und betrieben werden. Eine Schule, gehört ebenso dazu wie Kindertageseinrichtungen oder ein Krankenhaus.

Oasen der Ruhe — Über 3000 offene Klöster

Rund 530 Männerorden und beinahe 2800 Gemeinschaften von Klosterfrauen sind offen für Besucher aus der ganzen Welt, unabhängig ihren eigenen Glaubensorientierung. So auch in Schwanenberg, wo 40 Frauen der Communität Casteller Ring der Evangelisch-Lutherischen Kirche verschiedene Einrichtungen wie ein Einkehrhaus, einen Jugendhof oder eine Tagungsstätte betreiben. Seit alters her ist der Schwanberg im bayerischen Rödelsee Fliehburg, Kulturzentrum und Heiliger Berg.

In den festen Ritualen des Klosters finden Gestresste den Rahmen, den sie brauchen, um sich selbst wieder zu finden. In der Psychologie ist das nicht fremd. Studien wie die belegen, dass Rituale so etwas wie seelische Medizin sind. Das hängt damit zusammen, dass der Mensch an sich mit abrupten Veränderungen schlecht umgehen kann. Sie nämlich zeigen ihm seine eigene Machtlosigkeit. Rituale machen vielen diesen Umstand erträglicher, denn sie geben uns das Gefühl von Kontrolle zurück. Wir können uns also im psychologischen Sinne in das "Vorherbestimmtsein" fallen lassen. Klöster werden so zu Rastorten der Erholung für Leib und Seele.

Abschalten im Ausland

Verbinden lässt sich der Aufenthalt in religiösen Mauern auch mit einer Reise in ferne Länder. Ob In Indien, Frankreich, Spanien — den eigenen Wünschen und Bedürfnissen sind keine Grenzen gesetzt. Die Ausstattung reicht von karg bis supermodern. Mancherorts gibt es sogar eigene Wellnessangebote, Yoga-Kurse und Entspannungskurse.

(wat)
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