Island Im Kontrast von Feuer und Eis

Nah am Polarkreis liegt Island. Die Insel mit ihrer wilden Natur steht ganz im Bann des Vulkanismus, der sie gleichzeitig auf natürliche Weise mit Energie versorgt.

 Fensterblick durch einen Eisberg am Strand

Fensterblick durch einen Eisberg am Strand

Foto: Rainer Hamberger

„Wenn du das Wetter gerade nicht magst, warte eine Viertelstunde“, trösten Einheimische ihre Gäste. Doch auch Sturm und Schneeschauer können kaum daran hindern, ursprüngliche Naturschauspiele und das wechselnde Licht über heißen Quellen und Wasserfällen zu beobachten. Die Vulkaninsel liegt mitten in der nordatlantischen Wetterküche zwischen Polarfronten und der Wirkung des Golfstromes. Auch ist die Erdkruste hier so unstabil wie kaum sonst auf dem Globus.

Ascheeruptionen des Eyjafjallajökull legten im April 2010 für mehrere Wochen viele Flugverbindungen lahm. Und eine der Folgen sind allemal verlässlich sprudelnde heiße Quellen – angenehm für winterliche Wellness und vor allem lukrativ zur gewerblichen Nutzung im großen Stil. Gewächshäuser mit Obst und Gemüse zum Anbau frischer Vitaminquellen sind in fast allen besiedelten Küstenregionen zu finden. Bevor es technisch möglich wurde, die unterirdisch vorhandene Wärme zu nutzen, bauten die Isländer früher ihre einfachen Häuser aus Torf, mit der Rückseite in einen Hang hinein. Silbern glänzende Rohre mit dampfenden Schornsteinen auf unbesiedeltem Hochland zeugen gegenwärtig von geothermischer Nutzung unterirdischen Heißwassers für Heizung und Stromerzeugung.

Im Krater brodelt es. Der Blick auf das kochend heiße Wasser ist von einer Dampfwolke verhüllt. Plötzlich zieht sich die Oberfläche zusammen, wird nach unten gesogen, bevor sie sich wie eine Seifenblase hochwölbt, hin und her wabert, um wieder in sich zu versinken. Die Betrachter stehen brav hinter einer Absperrung und verfolgen das Schauspiel geduldig, bis eine Fontäne plötzlich bis 25 Meter hoch schießt in das winterliche Schneetreiben. Strokkur ist der meistbesuchte Geysir. Er liegt am sogenannten „Goldenen Dreieck“. Thingvellir, Geysire und Wasserfälle können im Nationalpark während eines Tages besucht werden. Diese beliebte Exkursion von der Hauptstadt aus gibt wenigstens einen ersten Eindruck von der Vielfalt isländischer Naturerscheinungen. Dahinter verbergen sich oft dramatische Geschichten. Wie überall auf der Welt bemühen sich Konzerne auch hier um Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Kaum woanders kann Strom so günstig erzeugt werden wie auf Island, sei es mit dem kostenlosen Wasserdampf oder durch Aufstauung der wilden Ströme, die das Hochland entwässern.

 Islandpferde sind eine streng geschützte Pferderasse.

Islandpferde sind eine streng geschützte Pferderasse.

Foto: Rainer Hamberger

Träge fließt Schmelzwasser über die Eisplatten auf dem schmalen Pfad. Einem Eiertanz gleich wagen sich Wanderer mit bunten Rucksäcken und baumelnden Kameras den Weg entlang zum Seljalandsfoss. Gerade eben brachen noch Sonnenstrahlen durch tiefziehende Wolkenbänke, jetzt frischt der Wind auf und es beginnt zu graupeln, gemischt mit dicken Schneeflocken. Für einen Februar normal. Es ist schwierig sich dem Wasserfall zu nähern, da Böen immer wieder feuchte Schwaden aus den herabstürzenden Massen herausreißen. Die felsigen Ränder auf beiden Seiten sind von dicken Eiskrusten und Zapfen überzogen. Einige haben Steigeisen angeschnallt und laufen ein Stück hinter das tosende Nass. Fotoapparate werden vorher wasserdicht versteckt.

Beim nächsten Ziel, dem Skogafoss, führt eine Treppe mit fast 400 Stufen auf das Hochplateau. Der Wasserfall liegt jetzt unterhalb einer Aussichtsplattform, aber die Sicht reicht hinunter zu einem in der Nähe betriebenen Heimatkundemuseum. In den Hang gebaute und gut erhaltene Torfhäuser auf einer Seite und ein modernes Museumsgebäude daneben geben Einblick in den Alltag Islands mit seinen zahlreichen Risiken. Kleine dunkle Zimmer in den Katen, kurze Betten, rußige Öfen, kein fließendes Wasser und immer Mangel an Nahrung und medizinischer Hilfe. Mussten doch die Männer über Jahrhunderte auf dem wilden Meer in Holzbooten Fische fangen. Zu Hause auf kargem Boden weiden Schafe, früher wie heute.

Mit mehr als einer Million dieser Tiere sind sie dreimal so zahlreich wie die 330.000 Einwohner des Inselstaates. Weitaus bekannter sind andere Vierbeiner. „Islandpferde sind keine Ponys, sondern eben eine kleinwüchsigere Pferderasse, die bestens an die kargen Lebensbedingungen angepasst ist,“ erklärt die Reiseleiterin. „Sicher reiten Isländer gerne damit, aber das ist eher Nebensache. Es gehört sich eben auch viele dieser beliebten Tiere zu besitzen – einfach so!“ Neugierig kommen sie mit vibrierenden Nüstern näher, blinzeln zwischen vorne herabfallenden Mähnenhaaren hindurch und haben keinerlei Scheu vor Kameralinsen. Dann wieder ein wilder Drang ohne Anlass und sie galoppieren mit fliegenden Mähnen über dünn beschneite Weiden, Fahnen von Schneestaub aufwirbelnd.

Vom Parkplatz aus ist noch nicht viel zu sehen. Aber nach einem kurzen Weg auf einen Moränenhügel hält der Betrachter inne. Weiß glänzt das Eisfeld des Jökulsarlon hinter einer jetzt eisbedeckten Lagune von vielen Quadratkilometern Ausdehnung. Die Eisfläche ist nicht eben. Zackige Eisberge, die im Sommer von der Gletscherzunge abbrechen und in Richtung Abfluss zum Meer treiben, sind dazwischen eingefroren. Eingeschlossene Eisbrocken schillern teilweise dunkelblau an den Seiten, von oben sind sie mit Neuschnee bedeckt.

Interessant ist der Übergang in den kurzen Fluss hinab zum Strand. Schollen und Brocken lösen sich aus der Fläche. Die Strömung nimmt sie mit zur Küste. Eine wilde Brandung stellt sich ihnen entgegen, wirft sie zurück ins Flussbett. Einige werden vom Meer scheinbar verschluckt, um dann plötzlich mit einer großen Welle auf dem schwarzen, flachen Sandstrand zu landen. Wie skurrile Kunstwerke aus frisch geblasenem Glas liegen sie der Auflösung geweiht weit verstreut am Ufer. Einige sind durchlöchert, andere blitzen im Sonnenlicht wie mit Diamanten bestückt. Draußen brüllt der Nordatlantik.

Leider ist die Zeit hier begrenzt. „Nehmt viele Erinnerungen und Fotos von hier mit! Morgen tauchen wir in die Kultur und Geschichte der Hauptstadt ein.“ Aber dazwischen liegen von fast 400 Kilometer Fahrt über karge Lavafelder, durch Schneeschauer, entlang von Steilküsten, mit Blick auf Herden von Islandpferden und im Hintergrund stehen Dampfsäulen heißer Quellen. An diesem Abend gibt es eine Überraschung. Es zeigt sich der grüne Schleier eines Nordlichtes, unruhig tanzend am nördlichen Horizont.

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