Spanien Eine kunstvolle Verwandlung auf Baskisch

Bilbao boomt. Besuchermagnet ist aber nicht nur das Guggenheim-Museum. Die einstige Industriestadt im Baskenland punktet mit moderner Architektur, entspannter Lebensart und kulinarischen Genüssen.

 Das Guggenheim-Museum in Bilbao wurde von Frank O. Gehry entworfen und ist ein echter Hingucker.

Das Guggenheim-Museum in Bilbao wurde von Frank O. Gehry entworfen und ist ein echter Hingucker.

Foto: Regina Goldlücke

Sich einer fremden Stadt zu nähern und ihren Kern zu erfassen, womöglich noch in kurzer Zeit, erfordert immer eine Entscheidung. Ein Spaziergang zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten? Ein erster Überblick per Bus oder Bahn? Für Bilbao empfehlen sich für ein entspanntes Ankommen noch zwei weitere Varianten. Entweder ruckelt man in vier Minuten mit der Standseilbahn Funicular de Artxanda auf den gleichnamigen Hausberg und nimmt die Stadt von oben ins Visier. Oder man besteigt ein Boot und schippert auf dem bogenförmigen Ria de Nervión an ihr entlang.

Beide Male hat man die Hauptattraktion der baskischen Metropole jeweils gut im Blick: das schimmernde Guggenheim-Museum mit der futuristischen Architektur von Frank O. Gehry, dem auch der Düsseldorfer Medienhafen seine schrägen Häuser zu verdanken hat. Der im Jahr 1997 eröffnete Museumsbau war mit Besucherzahlen von bis zu einer Million im Jahr ein großer Segen für das einst von Industrie dominierte Bilbao. Drei spektakuläre Kunstwerke befinden sich sogar im Freien. Was da beim Bummel auf der Uferpromenade urplötzlich auf staksigen Beinen neun Meter hoch auftragt und auf einen zuzukrabbeln scheint, ist die riesige Spinnenskulptur „Maman“ von Louise Bourgois. Die leuchtenden „Balloons“ sind eine Installation von Jeff Koons, ebenso wie am oberen Museums-Eingang die zwölf Meter hohe, mit Blumen bepflanzte Hunde-Skulptur „Puppy“.

Doch nicht allein der „Guggenheim-Effekt“ löste einen Touristenboom aus. Weitsichtig investierte die Stadt in Kunst und Design und verpflichtete namhafte Architekten für das neue Gesicht von Bilbao. Der Spanier Santiago Calatrava gestaltete die schwungvolle Fußgängerbrücke Zubizuri über den Fluss, Sir Norman Foster die liebevoll „fosteritos“ genannten Eingänge zu der blitzsauberen Metro.

Bilbaos historisches Herz schlägt in der Altstadt Casco Viejo. Auch bekannt als „Siete Calles“, obwohl das pulsierende Viertel mit Bars, Cafés und schnuckeligen Läden (Baskenmützen!) über die ursprünglich sieben Straßen längst hinausgewachsen ist. Fast könnte man bei den Verlockungen vergessen, himmelwärts zu schauen. Was schade wäre, denn die reich verzierten Fassaden der Häuser sind bezaubernd. Irgendwann gelangt jeder durch einen der 64 Torbögen zur majestätischen Plaza Nueva.

Unter den Arkaden tut sich ein Schlemmerparadies auf. Die üppig belegten Pintxos, nicht zu verwechseln mit den spanischen Tapas, gibt es nur im Baskenland. Auf Weißbrot- oder Baguettescheiben angerichtet, werden sie an der Theke ausgewählt und pro Stück bezahlt. Kenner ziehen gern von Bar zu Bar, ein Pintxo hier, ein Pintxo dort. Dazu Txakoli, ein sanft moussierender Weißwein, ebenfalls eine Spezialität ausschließlich dieser Region.

Die unkomplizierten Häppchen erfreuen Touristen, die nicht erst gegen 22 Uhr hungrig sind. Vorher isst kaum ein Einheimischer in den am Abend oft recht teuren Restaurants. Gut, dass manche ein preiswertes Mittagsmenü anbieten wie das dreigängige „Menu del Dia“ für momentan 16 Euro (inklusive Wein, Wasser und Brot) im vorzüglichen „Agape“ mit baskischer Küche. Am Rande der Altstadt wartet im Art-déco-Schmuckstück Mercado de la Ribera ein weiteres Scharaffenland: die größte überdachte Markthalle Europas mit Ständen über zwei Etagen und großem Restaurantbereich.

Ein Vorteil der sympathischen Stadt ist ihre Überschaubarkeit. An zwei Tagen kann man schon eine Menge sehen und erleben. Aber je länger man verweilt, desto mehr lässt sich entdecken: die vielen Parks, Museentempel wie das Museo de Bellas Artes, immerhin das neuntgrößte Museum der Welt. Das von Star-Designer Philippe Starck in ein gigantisches Kunst- und Kulturzentrum verwandelte ehemalige Weinlager Azkuna Zentroa. Vintage-Boutiquen und Ateliers wie das „Sinpatron“ des Modeschöpfers und Kostümbildners Alberto Etxebarrieta neben der gotischen Santiago-Kathedrale.

 Die Spinnenskulptur "Maman" von Louise Bourgois ist neun Meter hoch.

Die Spinnenskulptur "Maman" von Louise Bourgois ist neun Meter hoch.

Foto: Regina Goldlücke

Bilbao liegt nicht direkt am Meer, ist aber durch den Ria de Nervión mit dem Golf von Biskaya verbunden. Einen kleinen Ausflug vor die Tore der Stadt sollte man unbedingt einplanen. Mit der U-Bahn in 30 Minuten bis zur Haltestelle Al­gorta fahren, durchs romantische Badeörtchen Getxo ans Meer und Richtung Stadt spazieren, vorbei an Stränden und herrschaftlichen Villen. Nach einer Dreiviertelstunde erreicht man eine weitere Attraktion von Bilbao: die schwindelerregend hohe Puente Vizkaya, die den Fluss in 160 Metern Länge überspannt. Mutige wagen sich oben über die Fußgängerbrücke ans andere Ufer. Gemächlicher geht es mit der einzigartigen Schwebefähre Puente Colgante, die seit 2006 zum Weltkulturerbe zählt. Die U-Bahn bringt einen von Portugalete aus wieder ins Zentrum.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort