Fossiliensuche an der Küste von Yorkshire Schätze der Urzeit

Einst berühmt durch Schiffsbau, Walfang und als Sommerfrische betuchter Briten im 19. Jahrhundert, blüht der Tourismus in Whitby erneut auf. Viele Urlauber zieht es zur Fossilienjagd an die Steilküste im Nordosten Englands. Gefeiert wird das mit dem „Yorkshire Fossil Festival“ am 10. und 11. Juni. Unsere Autorin ist schon mal auf die Suche gegangen.

 Tour-Guide Steve Cousins erzählt bei der Fossiliensuche allerhand Spannendes über die steinigen Funde.

Tour-Guide Steve Cousins erzählt bei der Fossiliensuche allerhand Spannendes über die steinigen Funde.

Foto: Thomas Flügge

Ist St. Hilda heute etwa schlecht aufgelegt? Eine dunkle Wolkenwand schiebt sich über das Meer auf die Steilküste zu. Entfernt grollt Donner, der Wind frischt auf. Eigentlich gute Gründe, auf die Fossiliensuche zu verzichten – wäre da nicht der unstillbare Sammeltrieb. Ach, ­St. Hilda, drück‘ mal ein Auge zu! Die Gründerin der berühmten Abtei vom romantischen Seebad und Fischerort Whitby lebte im 7. Jahrhundert und gilt als Schutzheilige der Fossilienfans in dieser Region. Eine besondere Art der ausgestorbenen, schneckenähnlichen Kopffüßer Ammoniten ist hier an der Küste von Yorkshire sogar nach ihr benannt: Hildoceras.

In Serpentinen windet sich der steile Pfad hinab in die Saltwick Bay, nur eine halbe Stunde zu Fuß über einen szenenreichen Klippenpfad von Whitby entfernt. Die Bucht gilt unter Insidern als einer der besten Orte, um die Reste von Lebewesen aus grauer Vorzeit zu finden: Fossilien der geologischen Periode Jura, vor fast unvorstellbaren 170 bis 190 Millionen Jahren. „Am häufigsten findet man hier Ammoniten und andere Schalentiere“, erklärt Tour-Guide Steve Cousins auf dem Weg hinunter. Der sympathische Geologe ist auf Fossilien-Safaris spezialisiert und leitet in diesem Jahr als Direktor das berühmte Yorkshire Fossil Festival am 10. und 11. Juni in Whitby.

Es ist Ebbe, das Wasser läuft ab. Plateaus aus glattem Schiefer fallen trocken, wie Terrassen zwischen dem Steilufer und der See. Hier und da Sandstreifen, Felsblöcke und jede Menge grober Kies. „Wir suchen nach Nodulen, denn da stecken am häufigsten Fossilien drin.“ Steve deutet auf eine etwa faustgroße, runde Knolle aus grauem Tonstein. „Die haben sich durch spezielle chemische Prozesse um tote Organismen gebildet. Das passierte aber auch bei mineralischen Ablagerungen. Und dann ist eben kein Fossil drin.“ Mit dem Geologenhammer setzt Steve ein paar gezielte Schläge auf den Rand des Steins. Der spaltet sich, klappt auf. Drin ist – nichts.

Da! Ein verräterisch geriffelter Rand ragt aus einer weiteren Nodule hervor. „Prima“, freut sich Steve, das ist der Kiel eines Ammoniten“. Diesmal nimmt er vorsichtshalber einen feinen Meißel beim Aufklopfen zur Hilfe. „Ah! Ein prächtiger Ammonit, ein Dactylioceras. Das ist hier die häufigste Art.“ Das Exemplar ist besonders gut erhalten, mit vollständigen Gehäusespiralen bis ins Zentrum hinein. Was für ein euphorisches Gefühl, schon mal Beute gemacht zu haben.

Wir streifen weiter. Der Blick schweift über den weit geschwungenen Küstensaum. Gigantische Felswände, teils mehr als 100 Meter hoch, staffeln sich hintereinander. Wie kommen die Fossilien eigentlich an den Strand, Steve? „Die Küste ist dynamischen Kräften ausgesetzt. Was jetzt freistehende Felsen sind, war in grauer Vorzeit mal der Meeresboden. Der Tidenhub zwischen Ebbe und Flut ist gewaltig, etwa 15 Meter. Gerade bei schwerer See, wenn die Brecher gegen die Felswände krachen, fallen Blöcke mit den eingeschlossenen Fossilien heraus, werden im Meer zerteilt und später wieder an Land gespült.“ Allerdings passieren Erdrutsche auch scheinbar aus heiterem Himmel, durch ganz normale Witterungseinflüsse. Daher sollten Sammler niemals direkt am Sockel der Klippen suchen.

Die Zeit verfliegt, das Gefühl dafür auch. Die konzen­trierte Suche ist packend und entspannend zugleich. Das ist schön, kann aber auch tückisch sein. „Spätestens zwei Stunden nach Niedrigwasser, wenn das Meer also wieder aufläuft, sollte man die Tour beenden“, mahnt Steve. Die Flut kann sonst im Extremfall den Rückweg zwischen den Steinwänden abschneiden, und das ist höchst gefährlich.

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