Istrien Spannende Geschichte in Strandnähe erleben

Pula: Lange stand die bevölkerungsreichste Stadt Istriens im Schatten der südkroatischen Diva Dubrovnik. Kreuzfahrtschiffe bevorzugen noch immer die berühmte Schwester mit ihrem mittelalterlichen Flair, während es mehr und mehr Individualtouristen nach Pula zieht.

 Die römische Arena aus dem ersten Jahrhundert nach Christus erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit. 

Die römische Arena aus dem ersten Jahrhundert nach Christus erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit. 

Foto: Michael Juhran

Etwas verlassen fühlt man sich zu früher Morgenstunde in der riesigen römischen Arena aus dem ersten Jahrhundert nach Christus – wäre da nicht Stadtführerin Danijela Kreković. „23.000 Besucher fasste das heute sechstgrößte erhaltene Amphitheater zu seiner Zeit“, berichtet sie mit sichtlichem Stolz. Inmitten des Ovals, in dem zu römischen Zeiten Gladiatoren, Bären und Löwen ihr Blut ließen, finden sich gerade die Mitglieder eines Orchesters zur Probe für die Abendveranstaltung ein. „Die Arena nur als Museum zu nutzen, wäre schade“, fügt die charmante Frau aus Pula hinzu. Die Palette der sommerlichen Kulturhighlights von Konzerten bis zum Filmfestival ist groß, auch wenn den Besuchern heute lediglich 6000 Sitzplätze zur Verfügung stehen. Nach dem Kulturgenuss bietet Koch Deniz Zembo im benachbarten Hotel Amfiteatar auch noch Gourmeterlebnisse. Während sich die Besucher im ersten Jahrhundert mit etwas Wein, Olivenöl und Brot begnügen mussten, setzt Zembo in seinem mit zwei Gault Millau-Hauben gekrönten Restaurant auf individuelle Leckerbissen.

Nur wenige 100 Meter entfernt thront mit der Festung Kastel ein weiteres historisches Highlight über der Stadt. 1630 von den Venezianern errichtet, erweiterten die Habsburger das Fort 200 Jahre später, als sie um 1850 Pula zum Hauptstützpunkt der k.u.k. Kriegsmarine erkoren. Auf den Werften in Triest und Pula baute man eigene Kriegsschiffe und U-Boote, erfand die Schiffsschraube und den Torpedo, und nach wenigen Jahren rangierte die k.u.k. Marine unter den zehn größten der Welt. Schriftsteller James Joyce gehörte zu den Lehrern, die dem österreich-ungarischen Offizierskorps in Pula die englische Sprache beibrachten. Leider ist im historischen Museum des Forts und in den drei Kilometer langen unterirdischen Festungsgängen wenig an Zeugnissen aus dieser Zeit erhalten und man muss bis in das rund 80 Kilometer entfernte Novigrad fahren, wo der Hobbyhistoriker Sergio Gobbo in seinem Marine-Privatmuseum eine beachtliche Sammlung von Artefakten und Modellen zusammengetragen hat und Besuchern spannende Geschichten von Kämpfen gegen Türken, Venezianer und die italienische Marine oder von der ersten österreich-ungarischen Weltumsegelung erzählt.

Auf der Rückkehr nach Pula lohnt ein Stopp im kleinen Fischerort Fažana, der per Fähre mit den Brijuni-Inseln verbunden ist. Die erste Fähre mit Dieselantrieb führte vor über 100 Jahren der österreichische Industrielle Paul Kupelwieser ein, der zwölf der 14 Inseln gekauft hatte. Der findige und zielstrebige Unternehmer ließ aus der malariaverseuchten Inselgruppe ein Urlaubsparadies für den Adel und Vermögende entstehen. Zwei namhafte Deutsche unterstützten ihn dabei: Robert Koch befreite die Inseln von Malaria, indem er Infizierte mit Chinin behandelte, Sumpfflächen zuschütten und die Wasseroberfläche von Tümpeln mit Petroleum besprühen ließ, um Anopheles-Larven auszurotten. Zoodirektor Carl Hagenbeck aus Hamburg half Kupelwieser, als besondere Attraktion einen Tierpark mit Straußen, Affen, Zebras, Antilopen und Giraffen anzulegen. Nachdem ab 1906 Mitglieder des österreichischen Königshauses und Sachsens Friedrich August, Thomas und Heinrich Mann ihren Urlaub auf Brijuni verbrachten, wurde ein Aufenthalt auf den Inseln zu einem Statussymbol.

Das änderte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht, als Präsident Tito die Inseln für seine Sommerresidenz auserwählte und dort Politiker aus aller Welt von der Queen bis Castro, von Brandt bis Ulbricht empfing. 1956 vereinbarte er hier mit den Staatschefs Nehru und Nasser die Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten, die die Entkolonialisierung forcierte und versuchte, eine Zuspitzung des Kalten Krieges zu verhindern. Ausführlich dokumentiert eine Ausstellung die Treffen Titos auf der Insel, wozu auch Besuche von Filmgrößen, wie Liz Taylor, Richard Burton, Sophia Loren und Gina Lollobrigida gehören. Heute ist die Insel Nationalpark mit über 250 Vogelarten. Auch der kleine Tierpark existiert noch, in dem ein von Indira Gandhi geschenkter Elefant, Lamas, Zebras und Antilopen friedlich neben Ochsen, Ziegen und Eseln grasen. Reste eines römischen Villenkomplexes aus dem ersten Jahrhundert in der Bucht Verige und einer Römersiedlung in der Bucht Val Catena deuten darauf hin, dass schon damals Eliten Erholung in Abgeschiedenheit suchten. Auch die Tito-Villen stehen heute wieder nur hochrangigen Besuchern offen.

Das ist dann auch nicht sonderlich bedauernswert, denn in Fažana locken nicht nur kilometerlange Strände, sondern an jedem Mittwoch auch ein Marktabend in gemütlichem Ambiente, an dem sich Einheimische und Urlauber näherkommen. Und am ersten Wochenende im August kann man auf dem großen Fischerfest auch das Tanzbein schwingen. 2019 soll sogar Salma Hayek im Hafen gesichtet worden sein.

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