Skitouren Mit Skiern auf den Gipfel

Mittelberg · Skitouren versprechen Stille fernab vom Skizirkus und ein Naturerlebnis. Pitztal hat nun den ersten Skitourenpark Tirols eingerichtet.

 Tourengeher auf dem Gipfel der Wildspitze, dem zweithöchsten Berg Österreichs. Technisch schwierig ist der Gipfel nicht.

Tourengeher auf dem Gipfel der Wildspitze, dem zweithöchsten Berg Österreichs. Technisch schwierig ist der Gipfel nicht.

Foto: dpa-tmn/Mario Webhofer

Cappuccino-Route, gemütlich klang das. Und nun keucht man steil bergauf, und ein Skifahrer nach dem anderen schießt talwärts vorbei. So ungefähr muss sich Wandern an der Autobahn anfühlen. Mit einem großen Unterschied: Auf Schnee ist das Ganze ein Trendsport – auf den die Winterindustrie nun reagiert.

Mit dem ersten Skitouren-Park Tirols wollen Gletscherbahn und Tourismusverband die wachsende Schar der Pistentourengeher ins Pitztal westlich von Innsbruck locken. Drei Aufstiegsspuren wurden markiert: eine leichte blaue, eine mittelschwere rote und die schwarze Cappuccino-Route, die über 620 Höhenmeter zum Café auf 3440 Metern Höhe führt. Die Spuren richten sich vor allem an Anfänger, die bei der Abfahrt im Tiefschnee nicht sattelfest sind, die sich keine Sorgen um Lawinen machen und nicht für viel Geld einen Bergführer engagieren wollen. Und an Ausdauersportler, fürs Training.

Der Park ist das Ergebnis einer folgerichtigen Entwicklung. Anfangs waren viele Liftbetreiber in den Alpen wenig begeistert von den neuen Gästen, die ihre teuer präparierten Pisten hoch stiefelten, ohne einen Skipass zu kaufen. Als die Tourengeher aber immer mehr wurden, witterten manche ein Geschäft. Tourentage auf wechselnden Pisten wurden festgelegt, Almen blieben für Feierabendsportler mit Stirnlampe länger geöffnet. Manche schalteten gar ihre Lifte ab und konzentrierten sich ganz auf die meist jungen Trendsportler.

Nun also ein Skitourenpark, gesponsert von einem Ski-Hersteller. Dabei bräuchte es ihn im Pitztal eigentlich gar nicht, wenn man Burkhard Auer glauben darf. „Bei uns ist es nicht so ein Problem, dass sich Tourengeher und Alpinfahrer in die Quere kommen“, sagt der Bergführer. Dieser Konflikt sei in den Skigebieten rund um die großen Städte weitaus heftiger.

Sicherheitshalber hat man die blaue und die rote Aufstiegsspur trotzdem durch ein Schneemäuerchen von der Piste getrennt, wie einen Radweg neben der Straße. Zügig steigt Auer die rote Spur hinauf, zuerst entlang der Piste, dann durch einen halb verspurten Tiefschneehang. Für den 34-Jährigen ist es ein Spaziergang. Wenn das Wetter passt, führt er pro Woche mehrere Skitouren. Dazu kommen Kurse im Freeriden und gewöhnlichen Pistenfahren. „Eine schöne Mischung.“

Nach anderthalb Stunden steht Auer oben am Mittelbergjoch, auf 3150 Metern Höhe. Von hier hat man einen – um es tirolerisch zu sagen – gewaltigen Blick über den Gletscher auf die Wildspitze. Österreichs zweithöchster Gipfel, 3774 Meter, hat einen großen Namen und ist relativ einfach. „Nicht steil und technisch nicht schwierig“, sagt Auer. „Man sollte versiert Skifahren können und schon Touren gemacht haben, dann ist sie kein Problem.“

An einem schönen Samstag oder Sonntag steigen oft mehr als 100 Tourengeher auf den Gipfel, besonders im Frühjahr. Einheimische gehen ohne Bergführer in der Seilschaft hoch, schwarze Schafe sogar allein. „Ohne Sicherung, ohne Sachkenntnis“, sagt Auer. „Jedes Jahr haben wir zwei bis drei Spaltenstürze.“ Durch die heißen Sommer sei die Gefahr noch gestiegen. „Es sind Spalten aufgegangen, die hat man schon seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Und einige würden nur von labilen Schneebrücken verdeckt, die schnell brechen können. Umso mehr schätzen viele Tourengeher die Sicherheit eines präparierten Skigebietes. Aufsteigen ohne Angst vor Gletscherspalten, abfahren ohne Angst vor Lawinen.

Am Pitztaler Gletscher kommt ein weiterer Vorteil hinzu, den Profis wie das deutsche Skibergsteiger-Nationalteam nutzen: Man kann die Saison früh starten. „Im Herbst sind 4000 Leute pro Tag hier oben“, sagt Auer. „Unten muss man dann eine Stunde anstehen.“ Heute, an einem Wochenende im Dezember, ist die Piste morgens fast leer. Nicht ungewöhnlich im Pitztal, das nur 3800 Gästebetten zählt.

Bei so wenig Gegenverkehr ist es auch kein Problem, dass die Cappuccino-Route nur anfangs eine eigene Aufstiegsspur neben einem Schlepplift hat, bald aber in eine Piste mündet. Nach dem ersten Flachstück geht es knackig steil bergauf, irgendwann muss man die zweite Aufstiegshilfe unter die Ferse klappen. Und auf den letzten 200 Höhenmetern vor dem Belohnungs-Apfelstrudel helfen nur noch Spitzkehren.

Andere Tourengeher sieht man kaum, was offenbar nicht nur an dicken Wolken und Schneegestöber liegt. „Der Pitztaler Gletscher ist kein Skitourengebiet der ersten Reihe“, sagt Auer. „Viele fürchten die Spalten. Nebenan am Rifflsee ist deutlich mehr los.“ Beliebt sei die Gegend vor allem wegen ihrer Touren mit kurzem Anstieg von einem Lift und langen Abfahrten, zum Beispiel am Mittagskogel oder am Linken Fernerkogel. Es gibt aber auch klassische Skitouren für Einsteiger, auf Rechten Fernerkogel oder Schuchtkogel.

                                                   Tourengeher auf der Cappuccino-Route: Ein Skitourenpark ist sicherer als das offene Gelände mit Spalten.

Tourengeher auf der Cappuccino-Route: Ein Skitourenpark ist sicherer als das offene Gelände mit Spalten.

Foto: dpa-tmn/Martin Klotz

Ein ähnliches Naturerlebnis findet man im Skitourenpark natürlich nicht. Denn letztlich steigt man eben doch neben surrenden Liften auf. Aber um sich die notwendige Technik und Kondition für all die schönen Tourenberge ringsum zuzulegen, ist der Park optimal. Und wer die Cappuccino-Route dann geschafft hat, bekommt am Ende seiner Mühen nicht nur Kaffee und Kuchen im Gipfelrestaurant. Sondern auch einen Rundumblick von der Aussichtsplattform auf die Gipfel Tirols.

(dpa)
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