Niederschlesien Von der Loipe ins Schloss

Während viele Wintersportgebiete zunehmend mit Schneemangel zu kämpfen haben, freuen sich Skiläufer im 880 Meter hohen Jakuszyce zwischen dem Riesen- und dem Isergebirge über eine perfekte Winterlandschaft mit 80 Kilometern gespurter Loipen.

Von der polnischen Iser-Magistrale sind es nur sechs Kilometer bis zum tschechischen Harrachov.

Von der polnischen Iser-Magistrale sind es nur sechs Kilometer bis zum tschechischen Harrachov.

Foto: Michael Juhran

Im windgeschützten Wald schlängelt sich die frisch gespurte Loipe an einem Bach entlang, der sich zuweilen sprudelnd in Kaskaden über Granitgestein ergießt oder in kleinen Teichen eine Ruhepause gönnt. Die Äste der höheren Bäume beugen sich unter der Last des frischen Schnees und kleine Fichten zieren ihre Kronen mit weißen Zipfelmützen. Hin und wieder tauchen Skilangläufer in der Winterlandschaft auf. Ihre Atemwege fühlen sich dank der ätherischen Öle in der Waldluft so wohl wie lange nicht und ihre Körper freuen sich, endlich einmal wieder die Muskeln spielen zu lassen. Die Iser-Magistrale, die sich bis weit in die benachbarte Tschechische Republik erstreckt, wartet mit idealen Bedingungen auf. Das leichte Höhenprofil, gemütliche Restaurants und Imbissmöglichkeiten unterwegs machen sie auch für Familien bestens geeignet. Für zahlreiche bequeme Unterkünfte ist gesorgt, seit im September 2022 mit dem Polana Jakuszyce ein drittes großes Sporthotel seine Pforten öffnete, vor dem man direkt seine Skier anschnallen kann.

Auch denjenigen, die sich ohne Skier an den Füßen an der märchenhaften Winterlandschaft erfreuen oder einfach mal einen Ruhetag einlegen wollen, bietet die nahe Umgebung reichliches Entdeckungspotenzial. Die Angebotspalette reicht von der Wanderung zum 27 Meter hohen und mit riesigen Eiszapfen verzierten Wasserfall des Kamiennica-Baches über den Besuch bei Glasbläsern in Szklarska Poreba (Schreiberhau) oder Piechowice (Petersdorf) bis zu einer Stadtführung durch Jelenia Gora (Hirschberg). Um in die Geschichte der Region eintauchen zu können, empfiehlt sich vor der Stadtführung ein Besuch des örtlichen Riesengebirgsmuseums.

Betritt man nach einem leckeren zweiten Frühstück im „Caffe Szept“ das Rathaus der Stadt, trifft man auf eine weitere Tradition: das Kunsthandwerk der Holzschnitzer. Gästeführer Andrzej Marchowski verwahrt die Schlüssel zu den historischen Räumen des Rathauses und man muss sich bei ihm für eine Führung anmelden. Seine Erklärungen zu den Holzreliefs in den Räumen öffnen ein ganzes Bilderbuch der Geschichte des Hirschberger Tals. Kunstvoll geschnitzt sind Szenen aus dem Leben der Glasmacher und Weber sowie der Arbeiter in den Zinn- und Kupfergruben verewigt. Aber auch die leidvollen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges mit der Vernichtung und Entvölkerung ganzer Landstriche sind in Holz festgehalten.

Auf die strategische Lage im Dreiländereck zwischen Böhmen, Sachsen und ehemals Schlesien/Preußen ist der Bau zahlreicher Burgen in Niederschlesien zurückzuführen. Immer wieder kam es hier zu Kriegen und Grenzverschiebungen. Bereits im 13. Jahrhundert entstand beispielsweise die Burg Czocha. Von außen an einer Schleife des Flusses Queis wie eine Märchenburg anzusehen, birgt sie im Inneren einige Überraschungen. Hinter ausklappbaren Bücherregalen begibt man sich durch enge Geheimgänge in die mit Ritterrüstungen und allerlei Waffen aus dem Mittelalter bestückten Kellerräume, aus denen die Verteidiger zügig ihre Ausrüstung holen oder ihre Flucht antreten konnten. Besonders beeindruckend ist der große Rittersaal mit seinen hölzernen Emporen. In dem riesigen, aber etwas düsteren Raum soll es des Nachts spuken, wenn die Klagerufe eines unehelichen Kindes ertönen, das ein ehemaliger Burg­besitzer nach der Bestrafung seiner untreuen Frau im Kamin einmauern ließ.

In der Burg Czocha soll es zuweilen spuken.

In der Burg Czocha soll es zuweilen spuken.

Foto: Michael Juhran

Wer es weniger schaurig mag, ist im Schloss Lomnitz richtig, in dem es sich ebenfalls sehr angenehm nächtigen und vorzüglich speisen lässt. Für einen Besuch des Herrenhauses samt Museum sollte man etwas mehr Zeit einplanen, denn die charmante Schlossherrin Elisabeth von Küster weiß viel Interessantes über dessen Geschichte zu berichten. Sie geht auf das frühe 19. Jahrhundert zurück, als König Friedrich Wilhelm III. in der Nähe eine Sommerresidenz kaufte und die Schönen und Reichen aus Berlin und Umgebung seinem Beispiel folgten. Die bereits von Caspar David Friedrich in Bildern und von Theodor Fontane in Novellen, Reisetagebüchern und Briefen gepriesene, romantische Natur der Berglandschaften zog schnell das Interesse der wohlhabenden preußischen Gesellschaft auf sich. Mit der Gründung des Riesengebirgsvereins verbreiterte sich der Zustrom von Touristen, sodass sich der Fremdenverkehr zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standbein entwickelte.

Zurück in Jakuszyce, sind in der Skiarena vor dem Polana-Hotel bereits wieder die Schneeraupen im Einsatz. In den ersten Wojewodschaften Polens haben die Winterferien begonnen, und es sind nur noch einige Wochen bis zum sportlichen Highlight der Skiläufer, dem alljährlich stattfindenden Piastenlauf. Leszek Kosiorowski vom Vorbereitungskomitee gibt sich optimistisch: „Der Schnee kam in diesem Jahr zwar etwas später, aber wir rechnen für die beiden Wochenenden Ende Februar und Anfang März, an denen unsere Skilangläufe mit Längen von fünf bis 50 Kilometern stattfinden, mit optimalen Verhältnissen.“

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