Graz Italienisches Flair trifft auf Kulturgenuss

Die Hauptstadt der Steiermark bietet Lebensart, hervorragende Gastronomie und viel Kultur – unter anderem das Musikfestival Styriarte. In diesem Jahr steht es unter dem optimistischen Motto „Auf Reisen“ und nutzt Erfahrungen der Pandemie zum Umdenken.

 Graz ist die zweitgrößte Stadt Österreichs. 

Graz ist die zweitgrößte Stadt Österreichs. 

Foto: Graz Tourismus/Harry Schiffer

Von Graz heißt es immer, die Stadt sei die nördlichste Italiens. Tatsächlich atmet Graz mit seinen lebendigen, mit Oleander-Kübeln geschmückten Plätzen mediterranes Flair und genussvolle Lebensart. Unzählige Cafés und Restaurants, aber auch ein gehobenes Shopping-Angebot sorgen für Geschäftigkeit ohne Me­tropolenhektik. Und wer es etwas hipper mag, kann sich im Lend-Viertel am rechten Mur­ufer amüsieren, das in ein dicht besiedeltes Multikulti-Viertel übergeht.

Im Jahr 2003 war die zweitgrößte Stadt Österreichs Kulturhauptstadt Europas, was ihr unter anderem den futuristischen Neubau des Kunsthauses an den Ufern der Mur – den „Friendly Alien“ – und die schwimmende Murinsel-Plattform einbrachte. Die Grazer Altstadt ist Unesco-Weltkulturerbe, neben ihrer komplett erhaltenen Architektur, die Gotik, Renaissance, Barock und Historismus in einem geschlossenen Ensemble vereint, gibt es bemerkenswert viel neue Architektur und Sinn für Technologie, wie etwa in der nachhaltig konzipierten Smart City.

Und bereits seit 1985 zählt das alljährliche Musik-Festival Styriarte zu den Säulen des reichen Kulturlebens der Stadt. Der in Graz aufgewachsene Nikolaus Harnoncourt war bis zu seinem Tod die prägende Figur des Festivals, das weithin ausstrahlte. In diesem Jahr steht Styriarte unter dem Motto „Auf Reisen“. In der Smart City befindet sich auch die Helmut List Halle, wo das Eröffnungskonzert des Festivals stattfindet. Dorthin geht es mit der Straßenbahn, die sich in Graz „Bim“ nennt. Auf der Fahrt ereignet sich bereits ein Flashmob mit einem der Chöre, der am Eröffnungskonzert teilnimmt und sich in der Bim lautstark warmsingt, wovon sich die gelassenen Grazer nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das Eröffnungskonzert steht unter dem Motto „Die Sternfahrt zu Graz“ und wurde von dem steirischen Komponisten Denovaire konzipiert.

 Mit der Oper „La Corona d‘Arianna“ wurde das Festival Styriarte Ende Juni eröffnet.

Mit der Oper „La Corona d‘Arianna“ wurde das Festival Styriarte Ende Juni eröffnet.

Foto: Nikola Milatovic

Das experimentelle Werk hat Mathis Huber in Auftrag gegeben, der seit 1990 Intendant des Festivals ist. In den beiden vergangenen Jahren hatte Huber Glück, denn sein Festival findet im Sommer statt und konnte in beiden Pandemie-Jahren – wenn auch mit Einschränkungen – stattfinden. Zudem hat er einen treuen Kundenstamm. Aber auch bei Styriarte gibt es bei der Auslastung einen Rückgang um etwa 25 Prozent. In diesen Krisenzeiten ist bekanntlich viel vom Live-Erlebnis die Rede, das nicht zu ersetzen ist. Aber auch vom sozialen Faktor, den ein Konzert-oder Theaterbesuch bietet. Intendant Mathis Huber hält gerade den für überschätzt: „Wir haben in Covid durch andere Formate, die uns aufgedrängt wurden, gelernt, dass wir das Format Konzert falsch eingeschätzt haben. Aus der Routine der Jahrhunderte heraus. Wir haben gedacht, dass die neuen, gekürzten Formate vielleicht eine Einschränkung für unser Publikum sind, aber das Gegenteil war richtig! Die Besucher waren begeistert: Diese kompakten Formate sind ein großartiges Konzerterlebnis, diese Pause ist uns eh immer nur auf die Nerven gegangen!“

Mathis Huber hat auf diese Erfahrung reagiert und präsentiert nun beim Festival ausschließlich kurze Programme ohne Pause. Selbst barocke Opern werden in Graz in gekürzter Fassung gezeigt. Seit Jahren ist der steirische Barock-Komponist Johann Joseph Fux eine wichtige Säule des Programms, er war laut Huber ein „steirischer Bauernbub mit verblüffender Karriere, der es als Hofcompositeur in Wien zur Nummer 1 der damaligen Musikwelt brachte. Die Hofkapelle war damals die größte musikalische Einheit der Welt, da waren über 100 Angestellte, nur für die Hofmusik!“

Die Aufführung von „La Corona d’Arianna“ von 1726 findet im Arkadenhof des Schlosses Eggenberg unter freiem Himmel statt. Auf dem Weg zum Schloss durch den herrlichen Park sorgen klagende Rufe der Pfauen für eine besondere akustische Einstimmung. Regisseur Adrian Schvarzstein verlegt das mythologische Geschehen in einen mediterranen Club in der Flower-Power-Zeit der 1970er-Jahre. Ausstatterin Lilli verpasst den Damen Turmfrisuren und den Herren Wuschelperücken und imposante Koteletten. Der schrille Geschmack sorgt für Heiterkeit, die lässige Club-Happening-Situation empfängt das Publikum mit Strizzi-Kellner und Ouzo aufs Haus.

Das Zefiro Barockorchester unter der Leitung von Alfredo Bernardini als Helge-Schneider-Lookalike kredenzt eine 75-minütige Fassung der Oper, die unter Aussparung von verwirrenden Nebenhandlungen nur den Kern der Geschichte zeigt: Venus ist hier eine routinierte Paarship-Agentin und versucht, die von Theseus verlassene Ariadne mit Bacchus zu verkuppeln, sowie seinen Freund Peleus mit Thetis. Das klappt ziemlich reibungslos. Omnipräsent ist der famose Arnold Schönberg Chor aus Wien, der Fux‘ üppig auskomponierte Chöre mit viel Emphase über die Rampe bringt. Das zu jedem Firlefanz bereite Ensemble macht sich einen großen Spaß aus der barocken Oper.

Die Stimmung ist aufgeräumt, die Krisen dieser Welt scheinen in Graz weit weg. Mathis Huber hat mit „Auf Reisen“ bewusst auf ein heiteres Festival-Motto gesetzt: „Nachdem wir gedacht haben, Covid geht so langsam in die Geschichte ein, waren wir sehr froh, dass wir ein heiteres Thema gewählt haben, das wieder aufatmen lässt. Und die Idee stimmt nach wie vor, auch mitten im Krieg. Wir müssen fit bleiben und wir müssen im Sommer Kraft tanken, weil wir im Winter vielleicht nichts zum Heizen haben. Wir müssen uns mental stärken.“ Felix Austria!

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