London Harry Potters zauberhafte Welt

Macht der Magie: In den Kulissen der Harry-Potter-Filme in den Studios bei London erforschen Zauberer und Muggel das Herz von Hogwarts – samt Winkelgasse und der Bank Gringotts.

 Ein riesiger Drache begrüßt die Besucher zu Beginn der Tour durch die Harry-Potter-Studios in London.

Ein riesiger Drache begrüßt die Besucher zu Beginn der Tour durch die Harry-Potter-Studios in London.

Foto: Stefanie Bisping

Kobold-Bankiers sitzen hinter ihren mit Federn, Tintenfässern sowie Galleonen, Sickel und Knuts ausstaffierten Schaltern auf hohen Stühlen. So hoch, dass sich jeder Kunde, vielleicht mit Ausnahme des Halbriesen Hagrid, vor ihnen fühlen muss wie ein kleiner Bittsteller. Genau wie Harry Potter bei seinem ersten Besuch in dem von Kobolden geführten Kreditinstitut, in dem wohlhabende Zauberer ihr Vermögen aufbewahren, erreichen auch die Besucher der Studio Tour zunächst die hohe marmorne Halle der Zaubererbank Gringotts. Von hier geht es in die Verliese – allerdings nicht auf kleinen Wägelchen in tiefe Stollen, sondern durch einen ganz normalen Gang.

In den Gewölben von Gringotts ist es dunkel. Nur ein paar der Verliese sind beleuchtet. Eines quillt geradezu über vor Gold: die Schatzkammer der Todesserin Bellatrix Lestrange. Zwischen aufgetürmtem Reichtum ruht das Schwert von Godric Gryffindor, einem der vier Gründer des Zauberschule Hogwarts. Besucher der Filmkulissen in Leavesden in der Nähe von London haben nun die rare Gelegenheit, das Schwert zu ergreifen – und damit einen der von Harry Potter, Hermine Granger und Ron Weasley in den letzten beiden Filmen so dringend gesuchten Horkruxe. Für die Besucher ist der Griff zum Schwert eine besondere Foto-Gelegenheit. Aber anders als Harry und seine Freunde werden sie dabei weder von verzaubertem Gold überschüttet, das sie zu ersticken droht, noch als nächstes von einem Drachen bedroht. Oder doch?

Nach dem Abstecher in die Schatzkammer der Familie Lestrange führt der Weg wiede-
rum in die Halle, diesmal allerdings in ihre zerstörte Version. Harry, Ron und Hermine haben Gryffindors Schwert gefunden und sind auf dem Rücken des Drachens entkommen – unter kompletter Zerstörung der Zauberer-Bank. Säulen liegen zwischen Schutthaufen am Boden, die Tresen der Kobolde sind zermalmt – und ganz hinten, am Ende der Halle, bewegt sich etwas. Etwas Großes. Ein ukrainischer Eisenbauch, der hässlichste aller bekannten Drachen und Wächter des Verlieses der Lestranges, schwenkt den Kopf, schüttelt sich – und läuft los. Erst schwerfällig, dann immer schneller läuft er auf die Besucher zu, bis er eine lodernde Feuerwalze in ihre Richtung spuckt. Ein Knalleffekt – und der Höhepunkt des Besuchs in den Filmstudios.

Die Zaubererbank Gringotts ist die jüngste und mit stolzen 1500 Quadratmetern Fläche auch die bislang größte Erweiterung der Studio Tour. Zwar sind die Filmstudios, in denen alle acht Harry Potter-Filme gedreht wurden, seit ihrer Eröffnung fürs Publikum im Jahr 2012 ein Besuchermagnet, dessen Popularität lange Vorausbuchungen erfordert.

Doch damit das so bleibt und auch die größten Potter-Fans trotz beachtlicher Unkosten immer wieder kommen, wird die Zauberwelt ab und zu erweitert. So kam schon vor Gringotts ein kleines Stück des Verbotenen Waldes hinzu. Viele bräuchten solche Anreize nicht einmal. Das zeigt sich zu Beginn des Rundgangs bei der Begrüßung der Besucher. Auf die Frage des Guides, wer schon einmal hier war, heben sich viele Hände. Ein älteres Paar gibt zu, schon häufiger als 30 Mal durch die Kulissen geschlendert zu sein. Die Liebe zu Hogwarts und dem Zauber-Universum ist keine Altersfrage.

Nach der Einstimmung beginnt der Rundgang durch die Studios in der Großen Halle mit den langen Tischen der vier Häuser von Hogwarts. Von hier an kann jeder in eigenem Tempo die Studiotour erkunden. Mit leuchtenden Augen betrachten kleine und große Besucher den Gemeinschaftsraum des Gryffindor-Turms und den Schlafsaal der Jungen. Seine Betten sind so kurz, dass die größer gewordenen Darsteller sich in den späteren Filmen verrenken mussten, um hineinzupassen. Unter den Betten liegen die Koffer mit den Initialen von Harry, Ron und ihren Schlafsaalgenossen. Im Büro Dumbledores steht der Schreibtisch des Schulleiters unter einem gotischen Turmfenster, auf einem Regal liegt der sprechende Hut, der Neuzugänge ins passende Haus sortiert. Und in der Wohnküche der Weasleys rühren Löffel selbsttätig in Töpfen, und das Strickzeug von Mutter Molly verlängert sich dank praktischer Alltagsmagie von selbst.

In der Welt des Films liegen nur wenige Schritte zwischen Harrys Ersatzheimat bei den Weasleys, Professor Snapes Keller-Küche für Zaubertränke und dem Büro der bösartigen Professorin Umbridge, einem Albtraum in Pink. Die echten Kulissen zu sehen, beschert allen, die der Potter-Zyklus auf Papier oder im Kino gefesselt hat, emotionalere Momente, als man es noch so detailreich gefertigten Kostümen und Kulissen zutrauen würde.

Am Eingang zum Verbotenen Wald erwarten Halbriese Hagrid und der riesige Vogel Seidenschnabel die Besucher. Auf Knopfdruck ertönen Donner, Blitze zucken, und Riesenspinnen senken sich auf den Pfad hinab – genauso, wie Harry und Ron es in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ erleben. Die meisten Wald-Szenen entstanden hier im Studio, nur wenige in freier Natur.

Am breiten Bahnsteig 9 3/4 wartet der echte Hogwarts-Express. Die Abteile der knallroten Eisenbahn sehen dank he-
rumliegender Requisiten aus, als machte sich der Zug jeden Moment auf den Weg nach Hogwarts. So echt wirken die Kulissen, dass Fantasie und Realität in schönster Weise miteinander verschmelzen. Beim Gang durch die eigens fürs Publikum verbreiterte Winkelgasse würde sich niemand ernsthaft wundern, Hagrid um eine Ecke stapfen zu sehen.

 In dieser kleinen Kammer unter der Treppe lebte Harry Potter bei seiner Tante Petunia und seinem Onkel Vernon.

In dieser kleinen Kammer unter der Treppe lebte Harry Potter bei seiner Tante Petunia und seinem Onkel Vernon.

Foto: Stefanie Bisping
 Auf nach Hogwarts: Die Studiotour führt auch zum legendären Bahnsteig 9 3/4.

Auf nach Hogwarts: Die Studiotour führt auch zum legendären Bahnsteig 9 3/4.

Foto: Stefanie Bisping

Dafür verpufft in den Ausstellungen zu den Special Effects manche Illusion. Auf Bildschirmen sieht man, wie Hauself Dobby zur Filmfigur wird. Wer vor ihm steht, kann ihn sogar dazu bringen, die eigenen Bewegungen nachzumachen. Hier wird auch enthüllt, wie die Besen-Szenen entstanden. Sie wurden vor grüner Wand gefilmt und erhielten erst am Computer ihren Hintergrund. All das vermag den Zauber nicht zu zerstören. Der Blick auf die Kulissen weckt eher den Wunsch, die Filme gleich nochmal zu sehen.

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