Schuld daran ist der Krimi "Bretonische Verhältnisse" Deutsche stürmen die Bretagne
Düsseldorf · Ein Krimi macht den Deutschen derzeit Lust auf die Bretagne. Und die Franzosen an der Küste staunen über neue Gäste, die alle Entrecôte bestellen und Wein aus dem Languedoc trinken wollen. Und viel Café. Schuld ist der Bestseller "Bretonische Verhältnisse".

Urlaub in der Bretagne - auf den Spuren von "Bretonische Verhältnisse"
Anouck klatscht begeistert in die Hände und dreht sich zu ihrem Ehemann Joris um. "Hast du gehört? Sie haben auch das Buch "Bretonische Verhältnisse" gelesen!" Der Bestseller von Jean Luc Bannalec zieht immer mehr Deutsche in die Bretagne, auf den Spuren des Autoren, der ein Landsmann sein soll.
Der französische Name - ein Pseudonym. Anouck und Joris Delanghe haben ein hübsches kleines Chambre d'Hôte mit Kochschule in Blézouan auf dem Land in der Bretagne, und immer häufiger Zimmeranfragen von Deutschen. Und die erzählen ihren Gastgebern, dass der Krimi "Bretonische Verhältnisse" sie zum Besuch der Bretagne inspiriert hat.
Wer das Erstlingswerk von Bannalec gelesen hat, in dem ein kauziger Kommissar mit Namen Georges Dupin in der Bretagne den Mordfall an einem gut 90-jährigen Hotelier aufklärt, verspürt in der Tat auf einmal das dringende Bedürfnis nach einer Reise in den Westen Frankreichs.
Leichter gesagt als getan
Selbst das bekannt raue Klima an der Atlantikküste schreckt nicht mehr ab. Bannalec schildert das sturmgepeitschte Meer, den durchdringenden feinen Regen und die seltenen Sonnenstunden so anschaulich, dass man beim Umblättern der Buchseiten meint, ein wenig Salz in der Luft zu riechen. Und Dupin, von Paris zwangsversetzt in den Fischerort Concarneau, ist so reizend mürrisch gezeichnet mit seinen kleinen Marotten, dass man ihm spontan verfällt. Und den Franzosen in sich sieht. Auf nach Frankreich!
Das ist leichter gesagt als getan. Die Bretagne ist nämlich ziemlich weit weg von Deutschland. Von Hamburg nach Concarneau sind es zum Beispiel fast 15 Stunden, kaum weniger von München. Aber es liegen ja romantische Herbergen wie die der Familie Delanghe auf dem Weg. Da kann sich der Gast schon reinfühlen in die bretonische Lebensart.
Gut geht das auch auf den Wochenmärkten der Region, die noch in der kleinsten Stadt ein Erlebnis sind. Im Herbst vor allem sind die Tische schwer beladen mit Kürbissen, wilden Pfifferlingen, malerisch aufgeschichteten Steinpilzen, köstlichem Käse und Weinkisten. Und natürlich Fischen und Meeresfrüchten.
Vor allem Austern gibt es in der Bretagne an jeder Ecke, sehr günstig und vor allem sehr frisch. Viele Fischer verkaufen direkt vom Boot, oder haben am Kai ein paar einfache Stühle und Tische aufgestellt, wo sie die Austern - neun Stück für sechs Euro - servieren, mit einem Stück Zitrone oder Schalottenvinaigrette.
In den Restaurants werden oft auch noch Graubrot und gesalzene Butter oder Mayonnaise dazu gereicht. Austern, von denen der "Guide Michelin" in der Bretagne zwölf Sorten ausgemacht hat, werden auch gegrillt gereicht oder überbacken. Dazu trinkt der Bretone ein Glas Muscadet, oder auch zwei, drei. Ein Muscadet geht auch schon morgens nach dem Gang über den Markt zum Kaffee.
Die "blaue Stadt am Meer"
Wer Bretagne sagt, meint wie Bannalec eigentlich die Küste. Zwar gibt es im Landesinneren auch malerische Orte, aber die Landschaft wirkt auf den Neuankömmling ein ganz klein wenig langweilig. Auch wenn so manches reetgedeckte Landhaus entzückt. Kühe sind zu sehen, aber Ackerbau überwiegt. Im Département Finistère wächst der Exportschlager Artischocke und Kartoffeln, Sonnenblumen und Kohl.
Im Département Côtes-d'Armor wird auf Viehwirtschaft gesetzt. Beide aber haben wunderschöne Küsten mit langen Sandstränden, kleinen Buchten und malerischen schroffen Felsen, auf deren Plateaus Heide blüht.
Früher war die Bretagne als Armenhaus von Frankreich bekannt, erst in den 1960er Jahren änderte sich das. Neben der Landwirtschaft brachte der Tourismus Geld, die Fischerei und die Industrie.
Das Fischerstädtchen Concarneau mit knapp 20.000 Einwohnern stellt sich der Leser von Bannalec romantischer vor, als es tatsächlich ist. Zumal es vom französischen Fremdenverkehrsamt als "blaue Stadt am Meer" beworben wird, Zentrum von Kunst und Geschichte. Am ehesten entspricht der Hafen den geweckten Vorstellungen.
Dort steht das trutzige Fort Ville Close, gebaut 1746 um die Einfahrt und den Hafen von Concarneau zu verteidigen. Segelboote, Jachten und Fischkutter schaukeln windgeschützt in seinem Schatten, und die Altstadt mit ihrem Festungswall aus dem 14. Jahrhundert hat auch ein paar hübsche Gässchen.
Rund um Concarneau gibt es besonders schöne kleine Strände, wie der Les Sables Blancs. Aber letztlich ist Concarneau der größte Fischerort der Bretagne mit entsprechender Industrie und Logistik. Das wirkt sich auch optisch aus, was merkt, wer das Hafengebiet verlässt.
Das Entrecôte hat den Ansturm bisher überlebt
Also bleibt man dort, und das lohnt sich. Denn hier steht das "L'Amiral", ein hübsches Hotel mit Restaurant und Bistro. Hier ordert Kommissar Dupin immer kurz vor der völligen Erschöpfung und zu jeder Tages- und Nachtzeit zig Espressi, aber auch Entrecôte und literweise Rotwein - bevorzugt kräftigen Wein aus dem Languedoc.
Im Schaufenster hängt ein Zettel - der kopierte Buchtitel von "Bretonische Verhältnisse", gleich mit dem Nachfolgewerk "Bretonische Brandung". Fast scheut man sich als Deutscher, dort das hochgelobte Gericht zu bestellen - und tarnt die Nachmachaktion mit einer Vorspeise, sechs Austern für 8,50 Euro. Fazit: Das Entrecôte (21 Euro) hat den Ansturm bisher überlebt. Es ist würzig und saftig.
Pont-Aven, das berühmte Künstlerdorf der Bretagne, ist die Touristenströme schon lange gewohnt. Es locken Galerien, Restaurants, Straßencafés und Andenkenläden. Aber auch Geschäfte mit Spezialitäten der Region, wie den bretonischen Ölsardinen. Sie werden eingelegt en nature angeboten oder in gewürzten Ölen. So mancher Sammler ist den bunt bedruckten Dosen schon verfallen.
Jedes zweite Geschäft bietet Süßigkeiten an, etwa Meringues und türkischen Honig, bretonische Kuchen oder Galettes, kleine runde Butterkekse. Die Galettes gibt es auch im großen Format in den zahlreichen Crêperien der Bretagne. Dort wird der Buchweizenteig mit Würzigem wie Käse und Schinken gefüllt, in die süßen Crêpes kommen Nougat oder Apfelmus.
In Pont-Aven wird in "Bretonische Verhältnisse" in der Bar des "Hotel Central" der greise Hotelier Pierre-Louis Pennec blutüberströmt aufgefunden. Als Hauptmotiv macht Dupin ein Gemälde des Impressionisten Paul Gauguins aus, eine - fiktive - zweite Version des real existierenden Gemäldes "Die Vision nach der Predigt". Es soll jahrzehntelang unerkannt zwischen den zahlreichen Gemälden anderer Maler an den Wänden des Restaurants gehangen haben.
Das "Hotel Central" heißt "Les Ajoncs d'Or"
Nun findet sich in Pont-Aven zwar kein "Hotel Central", aber mitten im Ort steht das Hotel "Les Ajoncs d'Or". In seinem cremefarbenen, plüschig-gemütlichen Speisesaal hängen überall Gemälde. Hier speisen vor allem Einheimische, üppig geht es schon zu Mittag durch drei Gänge.
Die in der Bretagne ebenfalls beliebten Moules Frites mit Mayonnaise-Dip, die hier perfekt gereicht werden, machen auch nicht schlank. Aber irgendwie hat man spätestens beim Café Gourmand - einem Teller mit mehreren Desserts, der immer inklusive Café gereicht wird - das Gefühl, schon einmal dagewesen zu sein. Es muss das "Hotel Central" sein.
Die adrette dunkelhaarige Empfangsdame ist mitteilsam. "Hier haben früher Gauguin gewohnt, und auch viele andere Künstler, die in Port-Aven gemalt haben." Seit einem Jahr kämen nun ständig Deutsche und fragten nach dem "Hotel Central". Und Treffer. "Ja, die Geschichte von Bannalec spielt hier", sagt sie stolz. "Aber der Autor hat von den Besitzern nicht die Genehmigung bekommen, den realen Namen zu nennen." Warum? Sie zuckt mit den Achseln.
Bei der Ortsausfahrt steht ein Schild an einer Kreuzung. "Bannalec", ist darauf zu lesen. Das ist ein Ort in der Nähe, der den Autoren offenbar zu seinem Namen inspiriert hat. Die "Bretonischen Verhältnisse" werden derzeit verfilmt. Im Spätsommer 2013 fuhr ein Team der ARD durch die Bretagne, drehte im "L'Amiral", und auch in Pont-Aven. Wegen einer lärmenden Baustelle aber nicht im "Les Ajoncs D'or", sondern in einem anderen Hotel des Dorfes. Die Aussendung wird sicher noch weitere neugierige Deutsche in die Bretagne locken. Anouck freut sich schon.
Weitere Infos:
Literatur:Jean-Luc Bannalec: Bretonische Verhältnisse: Ein Fall für Kommissar Dupin. 3. Auflage. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012, ISBN 978-3-462-04406-5. Neben der Druckausgabe existieren noch eine E-Book-Ausgabe, sowie ein Hörspiel auf Audio-CD. Originalausgabe erschienen 2012 bei Kiepenheuer & Witsch. Hinter dem Pseudonym Jean-Luc Bannalec soll der Programmleiter des S. Fischer Verlages, Jörg Bong, stehen.
Unterkunft: La Maison Blanche aux Volets Bleus, Anouck und Joris Delanghe, Blézouan, 56580 Crédin, France (Tel.: 0033/297/38 58 61, E-Mail: info@lamaisonblancheauxvoletsbleus.com). L'Amiral, 1 Avenue Pierre Gueguin 29900 Concarneau, Frankreich (Tel.: 0033/298/60 55 23). Les Ajoncs D'or, 1 Place De L'hôtel De Ville, 29930 Pont-Aven (Tel.: 0033/298/06 02 06).
Informationen: Pont Aven, Office du Tourisme, 5 place de l'hôtel de ville, 29930 Pont-Aven (Tel.: 0033/298/06 04 70, E-Mail: ot.pont.aven@wanadoo.fr).