Belgien Das stille Brügge
Brügge · Ein Spaziergang abseits der Touristenscharen durch Brügge in Westflandern: In der belgischen Stadt gibt es viel zu entdecken, nicht nur für Kunstliebhaber.
Vor Beginn der Corona-Pandemie besuchten jedes Jahr fast neun Millionen Touristen die wunderschöne Stadt Brügge, die bereits im Jahr 2000 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Dabei wurden die Menschenmassen, die sich täglich rund um den geschichtsträchtigen Marktplatz der Stadt drängten, selbst den zuständigen Behörden in der belgischen Provinz Westflandern zu viel, lange bevor es das heimtückische Virus gab.
Aber der Versuch, den Strom der Tagestouristen zu beschränken, war auch früher wenig erfolgreich. Und selbst nach Ausbruch der Omikron-Variante ist das rege Treiben in der Innenstadt, in der kauflustige Besucher, die aus der näheren Umgebung kommen, durch die unzähligen Geschäfte schlendern oder sich in prall gefüllten Booten durch die Grachten der jahrhundertealten Stadt schippern lassen, nicht jedermanns Sache.
„Zwar bleiben derzeit die vielen Gäste aus China, Japan und Korea aus, aber dafür kommen viele Nachbarn aus den Niederlanden oder Deutschland, die dem tristen Corona-Alltag entfliehen möchten, nach Flandern“, erzählt Katrien Vanbesien, die im nahe gelegenen Seebad De Haan ein kleines Familienhotel betreibt.
„Machen Sie doch einen Spaziergang durch das stille Brügge“, rät uns die nette Dame von Visit Bruges, als wir im Tourist Office nach einem etwas ruhigeren Besuchsprogramm fragen, und gibt uns drei Pläne mit Rundwegen durch die Stadt mit.
Die Wege „Brügge, stolze Weltkulturerbe-Stadt“ beziehungsweise „Brügge: mit B wie Burgund“ klingen zwar auch sehr verheißungsvoll, aber wir entscheiden uns für den Bummel durch das stille Brügge“ und begeben uns auf den etwa zweieinhalbstündigen Spaziergang.
Zunächst machen wir noch einen Stopp am Jan van Eyckplein, einem Platz, auf dem eine Statue des weltberühmten Brügger Malers Jan van Eyck steht. Hier befand sich einmal der alte Hafen von Brügge, in dem Waren geladen und gelöscht wurden und Händler und reiche „Poorters” (Bürger mit Stadtrechten) ihre Geschäfte machten. Vom 13. bis 15. Jahrhundert war Brügge der Handelsknotenpunkt Nordwesteuropas. Heute ist es hier zwar deutlich ruhiger, aber der Platz hat durch die schöne Aussicht auf die Gracht und die Fassaden des Tolhuis (Altes Zollhaus) oder der Handelskontore nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Zudem blickt der„Brügger Bär“ dem Besucher wohlwollend von oben über die Schulter.
Danach geht es entlang der Grachten in das ehemalige Arbeiterviertel Sint Gillis, in dem es sich heute wegen seines dörflichen Charakters sehr gut leben lässt. In der im 13. Jahrhundert erbauten Backsteinkirche Sint-Gilliskerk sind bedeutende Brügger Künstler wie der Maler Hans Memling begraben. Im Innenraum gibt es schöne Schnitzereien des Kreuzweges (Kruisweg) und eine Reihe von 14 Stationen, die das Leiden Jesu Christi darstellen.
An der Dampoort erreichen wir den seit Ende des 13. Jahrhunderts bestehenden äußeren Stadtwall der Stadt, den heute noch vier Windmühlen zieren. Bis spät ins 19. Jahrhundert hatten sie eine wichtige wirtschaftliche Funktion. Die Sint-Janshuismühle aus dem Jahr 1770 kann noch besichtigt werden. Sie steht auf ihrem ursprünglichen Platz und mahlt immer noch Korn.
Auf dem weiteren Weg Richtung Stadtmitte lohnt dann noch ein kurzer Stopp im Gezellehuis, wo Guido Gezelle, einer der bekanntesten Dichter Flanderns Ende des 19. Jahrhunderts lebte. Im schattigen Garten des ihm gewidmeten Museums ist nämlich das goldene Kunstwerk „Der Mann, der Feuer gibt“ von Jan Fabre mit Blick auf eine der alten Windmühlen zu bewundern.
Dann geht es in die Balstraat, in der man einen Film über das Leben im früheren Flandern drehen könnte und wo man heute noch schöne Klöppelarbeiten kaufen kann. In dieser gepflasterten Straße, die von weiß getünchten Arbeiterhäusern gesäumt ist, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Im Heimatmuseum, das in einer Reihe von Einzimmerhäusern aus dem 17. Jahrhundert untergebracht ist, ist zu sehen, wie Menschen am Ende des 19. und frühen 20. Jahrhunderts lebten und arbeiteten. Und im gemütlichen Museumsgasthaus De Zwarte Kat („die schwarze Katze“) bietet sich eine tolle Aussicht auf die faszinierende Jerusalemkapelle.
Bevor die Tour endet, lohnt noch ein Besuch der von außen sehr schlichten gotischen Sint-Annakerk, die im Inneren mit einer barocken Pracht, die zahlreichen Schenkungen reicher Brügger Bürger zu verdanken ist, überrascht. Auch das größte Gemälde von Brügge, das „Jüngste Gericht“ von Hendrik Herregouts, das 100 Quadratmeter misst, ist in dieser Kirche beheimatet.
www.visitbruges.be/
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