Eine Reise durch Myanmar Eine Flussfahrt mit Buddha

Düsseldorf · Der Mann hat Feierabend in der Flussmitte gemacht, Anker auf dem Ayeyarwaddy irgendwo vor Pakokku geworfen. Die weiße Kapitänsmütze nimmt er ab - doch Ba Nyan verharrt an Deck: Er schaut in der Dämmerung Richtung Ufer.

Birma: Land der Gegensätze
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Foto: Barbara Jakoby, RP

Er lauscht in die Stille, hört den Wellenschlag eines vorbeiziehenden Ruderboots, den Gesang eines Fischers, aus der Ferne den Klang von Tempelglöckchen, die im Wind tanzen, dazu bald darauf Choräle einer unsichtbaren Feier irgendwo am Ufer hinter den Bäumen.

Ba Nyan kennt diese Stelle gut. Er kommt zweimal die Woche dort vorbei - und erliegt immer wieder demselben Zauber wie seine Gäste. Die sitzen während der Abenddämmerung in den Korbsesseln unterm Baldachin auf dem "Observation Deck" ihres Schiffes: Alle spüren sie diese besondere Leichtigkeit fern vom eigenen Alltag, schauen, staunen, träumen.

Zauber des alten Asiens

Sie lauschen dem Sirren der Zikaden und denselben Gesängen wie der stille Mann mit der weißen Mütze vorne auf der Brücke. Sie atmen die Tropenluft, den Geruch nach Zuckerrohr und Blüten, nippen an grünem Tee oder Gintonic: ein Liebespaar aus Italien, die zwei Freundinnen aus New York, die am Anfang so viel redeten und jetzt schweigen und lächeln, das Bankiers-Ehepaar aus Zürich, das alle Hektik vergessen hat.

Sie spüren den Zauber des alten Asiens, denn mitten in Burma ist die Zeit stehengeblieben. Und noch hat niemand die Uhren wieder angestellt. Es gibt nur Tag und Nacht, hell und dunkel, keine Stunden, keine Jahrzehnte, mancherorts nicht mal Jahrhunderte. Kreuzte Buddha plötzlich den Weg und grüßte kurz herüber - es würde sich niemand wundern.

Ba Nyan ist Kapitän des stolzesten und zugleich größten Schiffes, das je auf dem 2170 Kilometer langen Fluss unterwegs war: 101,6 Meter lang ist das Luxus-Kreuzfahrtschiff "Road to Mandalay", 11,6 Meter breit und neun Monate des Jahres zwischen der alten Königsstadt Mandalay und der Tempelstadt Bagan in Zentralburma unterwegs.

Für die Menschen an Bord wird das Luxusschiff zum schwimmenden Hotel in einer Gegend, deren Infrastruktur gerade entsteht. Die "Road to Mandalay" beginnt ihre Reise flussabwärts nach Bagan in Shwe Kyet Yet bei Mandalay. Auf Landausflügen erkunden Europäer und Nordamerikaner die Orte am Ufer, bummeln über Märkte und meditieren in Klöstern unter vergoldeten Kuppeln.

Reise in die Vergangenheit

Ihr Schiff bleibt während der Reise eine Zeitmaschine, denn die Szenen am Ufer spielen in einem anderen Jahrhundert: Prozessionen der Kindermönche, Goldsucher im weichen Ufersand, archaische Ochsenkarren am Rande der Reisfelder, dazwischen Pagoden mit blattgoldbelegten Kuppeln. Und immer wieder der Klang von Tempelglöckchen, mit denen der Wind spielt.

Ba Nyans Gäste lassen das alte Asien an sich vorbeiziehen und tauchen an Bord in den Pool auf dem Freideck ein. Der Küchenchef lässt Königskrabben-Tartar mit Koriander auffahren, knusprige Entenbrust mit einer Soße aus Limonen und Pflaumen, dazu Lotoswurzel-Salat.

Am Morgen erst hat das Schiff in Mandalay die Anker gelichtet und hat achteinhalb Stunden für die 135 Flusskilometer bis Pakokku gebraucht - und dabei weit mehr als diese Wegstrecke zurückgelegt, denn Ba Nyan muss dem Begriff "Kreuzfahrt" regelmäßig seinen wahren Sinn zurückgeben und Zickzack fahren, weil die Sandbänke im flachen Flussbett ihre Position verändern.

Wirklich gefährlich sind diese Hindernisse nicht, weil das Schiff für solche Bedingungen gebaut ist - und, weil die buddhistischen Mönche von Shwe Kyet Yet das Schiff vor der Abfahrt regelmäßig segnen. Liegt es dort vor den Toren der Königsstadt Mandalay am Anleger, bekommen sie Reis spendiert und stehen dafür in langer Reihe an.

Doppelt so groß wie Deutschland

Die Burmesen freuen sich über die Fremden und ihr Schiff. "Jeder Einzelne, der kommt", sagt ein Mönch, "stößt das Fenster ein kleines Stück weiter auf und bringt frische Luft in dieses Land hinein." Militärs herrschen in Burma - ein Land, das etwa doppelt so groß wie Deutschland und inzwischen offiziell in "Myanmar" umbenannt ist.

50 Millionen Menschen aus 67 ethnischen Gruppen leben dort, unterhalten sich in 242 Sprachen. Den Tourismus begrüßt auch die Opposition, weil es im Interesse der Menschen ist, wenn sich das Fenster öffnet. Und weil der frische Wind die Militärs womöglich eines Tages davonwehen wird.

Schon morgens um sechs lässt Kapitän Ba Nyan den Anker lichten, nimmt Kurs auf die abertausend Tempel von Bagan am Ayeyarwaddy River mitten in Burma. 13.000 Tempel soll es dort einst auf 42 Quadratkilometern gegeben haben, über 2.200 sind es noch heute. In vielen hockt Buddha im Lotussitz - als wäre in tausend Jahren nichts geschehen.

(seeg/top)
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