Augsburg Dem Wasser auf der Spur

Schon im Mittelalter entstand in Augsburg ein ausgeklügeltes Wassersystem, das der Stadt Wohlstand brachte. Heute gehört es zum Unesco-Weltkulturerbe.

 Der Hochablass am Lech wurde im 14. Jahrhundert gebaut.

Der Hochablass am Lech wurde im 14. Jahrhundert gebaut.

Foto: Martin Augsburger/Augsburger Was/Martin Augsburger

Kein Zweifel: Ohne das Wasser wäre Augsburg heute nicht das, was es ist. Es trug maßgeblich zum Wohlstand der Stadt bei und brachte ihr im vergangenen Jahr die Weltkulturerbe-Auszeichnung der Unesco für das alte Wassermanagementsystem. Schon die Römer siedelten aus guten Gründen hier, am Zusammenfluss von Lech und Wertach. Sie nutzten nicht nur das saubere Gebirgswasser, sondern machten sich auch seine Kraft zunutze. Im Mittelalter bauten die Augsburger Kanäle und unterirdische Kühlschränke, leiteten das Wasser kreuz und quer durch die Stadt.

Das Wasser ist noch heute allgegenwärtig in der Stadt, die knapp 300.000 Einwohner zählt. Wer durch die Straßen und Gassen schlendert, findet kaum einen Ort, an dem es nicht rauscht. 190 Kilometer Kanäle verlaufen durch Augsburg, viele mit Wasserrädern oder anderen Arten von Wasserkraftwerken ausgestattet. „Alle stellen Strom für ein paar Dutzend Haushalte her“, erläutert Stadtführerin Elisabeth Retsch. Das ist im Einzelnen nicht viel, aber es summiert sich und passt ins gemütliche Stadtbild.

In historischen Schriften wird das Wassersystem erstmals 1276 erwähnt. 70 Jahre später entstand das Stauwehr am Hochablass, von wo aus das Wasser des Lech in das Kanalsystem geleitet wird. Das Gebiet liegt östlich des Stadtwaldes und verbindet die Ortsteile Hochzoll und Spickel. Das Wehr sowie das 1879 dort gebaute Wasserwerk sind beliebte Ausflugsziele – und noch immer in Gebrauch.

Mehr als 450 Jahre zuvor wurde schon ein anderes Wasserwerk gebaut: Das 1416 errichtete Ensemble am Roten Tor gilt, so die Stadtführerin, „als Ingenieur-Meisterleistung für die Zeit“. Es soll auch das erste Bauwerk seiner Art in Deutschland sein, wahrscheinlich sogar in ganz Mitteleuropa.

 An vielen Stellen in Augsburg finden sich solche Wasserräder, mit denen Strom erzeugt wird.

An vielen Stellen in Augsburg finden sich solche Wasserräder, mit denen Strom erzeugt wird.

Foto: Verena Wolff/dpa-tmn/Verena Wolff

Man führte hier die Quellbäche zusammen zum Brunnenbach und leitete sie in Richtung  Wasserturm. „Dann baute man über den Stadtgraben ein Aquädukt, über das das Wasser in den Keller der Wassertürme kam.“ Von dort aus wurde der Druck aufgebaut, um das Wasser hochzupumpen und zu verteilen. Die Wasserhebung war eine sehr fortschrittliche Erfindung für die damalige Zeit. Die Konstrukteure brachten sie später auch in andere Städte, etwa nach Brüssel, Wien oder München.

Holten die Augsburger sich bis dahin ihr Wasser kostenlos an den sieben Brunnen der Stadt, konnte es fortan genauer an verschiedene Stellen geleitet werden. 1545 dann gab es schon Wasser in den ersten Privathäusern – wenn auch eher durch Zufall und meist eher tröpfelnd als laufend. „Da war dann einfach eine Leitung zu Ende“, sagt Retsch.

Bald wurden mit dem Wasser Geschäfte gemacht. Wer einen Wasseranschluss in seinem Haus haben wollte, musste einmalig 200 Gulden bezahlen – oder zehn Gulden pro Jahr. Zum Vergleich: Zu dieser Zeit kostete ein kleines Haus im Handwerkerviertel rund 60 Gulden. Doch die Augsburger wurden ihrem Ruf als findige Kaufleute gerecht, wie Wissenschaftler aus alten Unterlagen herauslasen: Sie vermieteten ihre Wasserleitungen unter und teilten die Kosten mit den Nachbarn. „So wurde das saubere Wasser erschwinglicher“, sagt Retsch. Trink- und Brauchwasser wurden entsprechend getrennt.

Für Oberbürgermeister Kurt Gribl ist das Wasser einer der Gründe für den Wohlstand der Stadt in Schwaben. „Augsburgs Handwerk blühte und machte die Stadt reich. Auch deshalb, weil dank eines ausgeklügelten Kanalsystems gute hygienische Verhältnisse herrschten“, sagte er, nachdem die Unesco den Welterbe-Titel verliehen hatte.

Gerber, Färber, Papiermacher und andere Gewerke, die viel Wasser brauchten und viel Abwasser erzeugten, konnten damit ihrer Arbeit nachgehen. Der Müll wurde mit weggeschwemmt. Hammerschmieden und Mühlen wurden mit Wasserkraft angetrieben, Wasserräder und Turbinen drehten sich. Baumstämme wurden über den Wasserweg transportiert, man ließ sie einfach flussabwärts schwimmen.

Und so, wie man in München das Bier in Kellern unter großen Kastanienbäumen kühlt, hat man in Augsburg schon vor mehr als 400 Jahren das kalte Gebirgswasser als Kühlschrank eingesetzt. Retsch erzählt: „Die Kanäle kühlten beim Stadtmetzger-Gebäude das Fleisch.“

Letztlich sind es 22 Statio­nen, für die die Stadt mit dem Welterbe-Titel ausgezeichnet wurde. Diese werden in speziellen Führungen genauer gezeigt und erklärt. Die zahllosen Kanäle gehören dazu, ebenso die drei Prachtbrunnen und der Eiskanal, der 1972 für die Olympischen Spiele gebaut wurde – als erste künstlich angelegte Kanustrecke der Welt. Diese Mischung aus Technik- und Kunstgeschichte gefiel nicht nur den Unesco-Juroren – sie lässt auch die Besucher Augsburgs staunen.

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