Ruanda Gorilla-Talk im Bergdschungel

Im bergigen, kleinen Ruanda in Ostafrika reist man sicher und komfortabel. Die Ruander sind stolz auf ihren vorbildlichen Naturschutz. Den finanziert das Land durch das Gorilla-Trekking.

 Rund 1000 Berggorillas leben im Norden Ruandas – es sind die letzten ihrer Art.

Rund 1000 Berggorillas leben im Norden Ruandas – es sind die letzten ihrer Art.

Foto: Gabriele Greess

Im Revier der Menschenaffen ist der Sound des Regenwalds zu hören. Während der dichte Dschungel Stimmen wie von Geisterhand verschluckt, wächst mit jedem Höhenmeter die Spannung: Wo bleiben die Berggorillas?

Früh am Morgen führt der Weg im Volcanoes Nationalpark über glitschige Pfade. Wer einen Träger engagiert, freut sich über dessen stützende Hand. Hier auf 2700 Metern Höhe im Norden von Ruanda, das sich mit der Demokratischen Republik Kongo und Uganda ein weltweit einmaliges Habitat teilt: Rund 1000 Berggorillas leben hier als letzte ihrer Art.

Guide Fidel Nsengiyumva meldet erfreuliche Zahlen: „Hier im Virunga Massiv sind jetzt 604 Gorillas heimisch – fast doppelt so viele, wie Ranger 2003 zählten – dank einer Naturschutz-Philosophie, die die Anwohner des Waldes zu Wächtern der Menschenaffen macht.“

Weniger als 100 Touristen bekommen pro Tag eine Lizenz, um Einlass ins Revier der Berggorillas zu erhalten. Der Preis ist sehr viel höher als in den Nachbarländern, doch Reisende können sich in Ruanda sicher sein: Zehn Prozent des Tickets flössen in Gesundheitszentren sowie Schulen des Landes. Die Devisen sorgten auch dafür, dass bald jede Landfamilie eine Kuh besitzt, um fehlernährte Kinder fit für eine hoffnungsvollere Zukunft zu machen, sagt Fidel Nsengiyumva

Der Biologe erzählt auch von seinem Bruder, der mit der legendären Gorilla-Forscherin Dian Fossey (1932-1985) zusammenarbeitete – und demonstriert die Sprache der Menschenaffen mit deren 15 erstaunlichen Tonfolgen. Wir erfahren, dass die friedlichen Primaten lange trainiert werden, um tolerant auf Menschen zu reagieren. Aber wollen sie tatsächlich mit Menschen kommunizieren?

„Die Laune eines Gorillas kann ich an seinen Lauten ablesen“, sagt Fidel: „Nur kleine Racker, die stupsen mal spontan – das ist Spiel.“ Als wir einen Bambushain erreichen, bemerkt er verschmitzt: „ Menschenaffen lieben Bambustriebe. Die sprießen derzeit nicht – also weiter geht’s.“

Dann das Kommando: „Deponiert das Gepäck, die Fährtensucher sind auf der Spur des Isimbi-Gorilla-Clans.“ Jetzt geht es in die Wildnis, ein Ranger schlägt mit der Machete einen Pfad. Dann sind archaische Laute aus tiefster Tierkehle und das Ritsch-Ratsch niedergewalzten Gestrüpps zu hören. Plötzlich scheint der Urwaldboden zu beben. Die Berggorillas rücken an.

Als Vorhut präsentiert sich ein Silberrücken. Der Anblick des gut 200 Kilo schweren Clanführers Muturengere ist atemberaubend. Er mustert die Besucher mit bernsteinfarbenen Augen. Etwas Monsterfilm-Grusel wie bei King Kong stellt sich ein. Ein Glück, Mother Ruhuka taucht mit Baby im Huckepack auf. Sie brummelt freundlich, und schon sind die Gäste mittendrin im unvergesslichen Gorilla-Talk.

Am Mittag empfängt das Gorilla Guardian Village die Trekking-Abenteurer. Mit Blick auf den 4705 Meter hohen Karisimbi erleben wir alte Traditionen des Landes. Ruander, die früher im Volcanoes Nationalpark wilderten, präsentieren die Kunst des Bananenbier-Brauens nebst Bogenschießen und rituellen Tänzen.

Fast nirgends in Afrika kann man sich so komfortabel fortbewegen wie in Ruanda: Präsident Paul Kagame propagiert die Vision eines „Singapur von Afrika.“ Auf super gepflegten Straßen fahren wir nach Musanze. Wie überall im Land kann man auch hier in Hotels aller Kategorien nächtigen.

In Musanze erinnert ein Denkmal an den Genozid von 1994. Der Völkermord brachte 800.000 Ruander der Tutsi-Minderheit ums Leben. Heute ist das Land vereint mit großen Gemeinschaftszielen. Wer am letzten Samstag im Monat reist, erlebt die Umuganda. Ganz Ruanda ist dann mit Besen und Schaufeln auf den Beinen, um mit Nachbarn das Viertel zu säubern und Straßen zu bauen.

In der Schweiz Afrikas entdeckt man auf kurzen Dis­tanzen faszinierend kontrastreiche Naturreservate. Im Nyungwe Bergregenwald, dem größten seiner Art in Ost- und Zentralafrika, schwebt man über den Baumkronen auf einer spektakulären Hängebrücke. Lonely Planet wählte sie 2019 zur Nummer eins unter den weltweiten Top Eleven. Hier im Süden Ruandas sind auch Schimpansen unterwegs. Sie schwingen sich morgens von den Bäumen und sammeln Früchte.

An der Grenze zu Tansania wartet eine Safari durch die Savanne des Akagera-Nationalparks. Elefanten und Giraffen passieren den Weg vor dem Jeep. Man kann Flusspferde und Nil-Krokodile beobachten und die Spuren von Löwen wittern.

Die Hauptstadt Kigali ist als High-Tech-Versuchslabor ein neuer Hoffnungsstern Afrikas. Das Kolonialmuseum im Kandt-Haus dokumentiert mit teils kuriosen Exponaten die Zeit, als Ruanda zu Deutsch-Ostafrika (1884 bis 1916) gehörte. Den Sprung ins 21. Jahrhundert erlebt man provozierend-kreativ in der hippen Kunstszene von Kigali. Ins Kulturzentrum Inema Arts Centre kommt man mit dem gut funktionierenden Car­sharing-Projekt von VW – Internet-Verbindungen sind in Kigali schneller als in manch einer deutschen Großstadt.

Auf dem Rückweg ist ein Stopp vor Afrikas führendem Kongresszentrum angesagt. Parallel zur legendären Kwita Izina – der Taufe von Gorilla-Babys im Volcanoes Nationalpark – findet dort jedes Jahr ein hochkarätiger internationaler Umweltkongress statt. Im vergangenen Jahr kam Naomi Campbell als Botschafterin für ein Ruanda, in dem Artenschutz schon lange als höchste Staatssache gilt. Präsident Kagame eröffnete vor 15 Jahren die Kwita Izina mit der Taufe der bislang einzigen Zwilling-Berggorillas unseres Planeten. Deren Nachwuchs gedeiht heute prächtig hoch oben im Regenwald des Landes.


Die Redaktion wurde vom Ruanda Tourism Board zu der Reise eingeladen.

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