Kroatien Paddeln unter Nackten

Auf Rab sind viele Urlauber zwar gern mal textilfrei unterwegs. Aber wer will, kann ja auch vorbeischauen und sich während einer mehrtägigen Kajaktour voll auf die landschaftlichen Kontraste der kroatischen Adria-Urlaubsinsel konzentrieren.

 Als Paddler erfährt man die Gegend in angenehmer Distanz zum Touristenalltag.

Als Paddler erfährt man die Gegend in angenehmer Distanz zum Touristenalltag.

Foto: Sascha Rettig

Aus der Ferne ist auf dem Felsen noch nicht das Geringste zu sehen. Erst als sich die Kajakgruppe dem zerklüfteten Gestein nähert, wird es klarer erkennbar: das ältere Paar, das dort urlaubsentspannt hockt, sich furchtlos der kroatischen Sonne aussetzt und so die dunkelbraune Haut gnadenlos noch brauner werden lässt. Dabei tragen weder der Mann noch die Frau den knappsten Fetzen Badebekleidung. Stattdessen sitzen die beiden nahtlos bronzefarben da, perfekt getarnt und komplett nackt.

Wie auf der Kajaktour häufiger zu sehen sein wird, ist diese Freizügigkeit auf der kroatischen Insel Rab nichts Außergewöhnliches – seit 85 Jahren zumindest. Denn im August 1936 legten der britische König Edward VIII. und seine spätere Frau Wallis Simpson auf ihrem Segeltörn an der Insel an. Während des Zwischenstopps hatte das Paar eine ungewöhnliche Bitte: Die beiden wollten nackt baden – und bekamen dafür sogar eine Erlaubnis. Mit dem blanken Planschen in der Kandarola-Bucht wurden sie damals nicht nur zu Trendsettern. Sie haben die Badeansichten auf Rab nachhaltig geprägt. Bis heute stürzen sich Gäste auf der FKK-freundlichen – und auch bei Deutschen sehr beliebten – Insel gern textilfrei ins Tiefblau der kroatischen Adria.

Beim Kajaken gibt es daran zwar kein Vorbeischauen. Doch auch wenn die Nackten unumpaddelbar sind, bleiben sie eine amüsante Nebensache. Bei der mehrtägigen Tour, bei der alle schon allein wegen des Sonnenschutzes Badekleidung und T-Shirt tragen, geht es in erster Linie um die Kajakerfahrung und die Natur in der Kvarner Bucht. Fünf Tage würde eine Expedition dauern, um Rab ganz zu umrunden. Diese Tour jetzt ist etwas kürzer – dafür aber mit zwei Guides von „Sea Kayak Croatia“, die unterwegs viel zur Insel erklären und mit Verpflegung und dem Zeltcamping an wechselnden Orten alles im Griff haben. In diesem Fall handelt es sich um Davor, genannt Bafo, und seine Lauren.

Die Tour startet am Rajska, dem halbmondförmigen Paradies-Strand in Lopar. Der ist nicht nur berühmt, breit und groß, sondern hat anders als viele andere statt Kiesel einen feinen, hellen Sand. Vor dem Start dort deutet Bafo in die Ferne. „In dieser Richtung befindet sich der Geo-Park“, sagt er. „Die steile, schwer zugängliche Ostküste dort erreicht man nur über das Wasser.“ Wegen der Höhlen und Felsformationen sei das ein beliebtes Ziel für die die Kajakausflüge. Weil der Bura-Wind aber verstärkt pustet, wird der Abschnitt aber diesmal ausgelassen – die Gegenwindpassagen sollen minimiert werden.

Auch ohne Geo-Park-Abstecher am Anfang lernt man auf dem Ausflug jedoch die Kontraste und die unterschiedlichen Facetten der Landschaft kennen. Manchmal könnte man glauben, man sei irgendwo in Griechenland angekommen, so steinig ist die Insel. Rab ist aber nicht nur karg, sondern auch sehr grün durch Weinreben, Olivenbäume, Wälder mit Kiefern und immergrünen Steineichen. Rund die Hälfte Rabs soll bewaldet sein.

Die Ausblicke aus dem Boot werden außerdem vom Blau des Himmels und des Meeres und immer wieder eben auch vom Braun und Grau des Gesteins bestimmt. „Die Nachbarinsel, die dort hinten zu sehen ist, wird die „nackte Insel“ genannt“, erzählt Bafo. Die Bezeichnung habe ausnahmsweise aber mit FKK nichts zu tun. „Der Grund ist vielmehr, dass sie so karg und felsig ist.“ Weil die Flucht von dort fast unmöglich war, wurde Goli Otok während der Jugoslawien-Zeit als Gefängnisinsel genutzt, berichtet der 46-Jährige, als die Gruppe das Ufer Sveti Grgurs erreicht – ebenfalls eine ehemalige Gefängnisinsel.

Im zerklüfteten Gestein sieht man dort in regelmäßigen Abständen die Sichtschlitze Dutzender Bunker in den Felsen. Sie wurden kurz vorm Zerfall Jugoslawiens verlassen, genauso wie die ganze Insel. In der Bucht, wo das erste Nachtlager aufgeschlagen wird, stehen nun nur noch Ruinen. Einsturzgefährdete Barracken und eingerissene Mauern, verrostete Bettgestelle und alte Waschbecken sind verrottende Zeugen dieses dunklen Inselkapitels. Es ist eine surreale Szenerie, als bei der Ruinenerkundung ein paar zutrauliche Hirsche herumtapern.

Bei den Paddeletappen um Rab zieht man mit dem Kajak vorbei an einsamen Buchten, Stränden, menschenleere Küstenstreifen und vereinzelten Urlauberorten wie Supetarska Draga. Zwar paddelt man auch schon mal direkt an anderen Inselgästen vorbei, die sich mitunter nackt auf ihren Booten aalen. Die Zivilisation, wie sie die meisten Touristen erleben, bleibt ansonsten vom Kajak aus allerdings überwiegend in angenehmer Distanz. Übernachtet wird schließlich in Zelten an einsamen, windgeschützten Stellen am felsigen Ufer. Die kleinen Strände und Badebuchten mit kristallklarem Wasser hat die Gruppe daher für sich allein – meist zumindest.

Innerhalb von drei Tagen wird so mehr als die Hälfte der 20 Kilometer langen Insel abgepaddelt. Das große Finale ist eine der Hauptattraktionen und das Touristen-Epizentrum Rabs: die mehr als 2000 Jahre alte Altstadt, die eine schmale Halbinsel füllt und deren Geschichte bis ins römische Dalmatien zurückreicht. Von den mittelalterlichen Gassen mit Shops, Cafés, Eisdielen, Bars und vielen Restaurants ist vom Wasser aus allerdings nichts zu sehen. Stattdessen bauen sich die eindrucksvollen Reste der Stadtmauer vor den Paddlern auf, wo über der Gornja-Promenade als Wahrzeichen gleich vier markante Glockentürme in die Luft ragen.

Im bewaldeten Komrcar-Stadtpark gleich nebenan haben sich Urlauber vor der heißen Sonne in den Schatten der Bäume geflüchtet. Ein paar springen ins Wasser – in Badebekleidung. So bleibt das letzte, tolle Panorama vom Wasser aus zur Abwechslung frei von jeder Nudisten-Ablenkung.

Die Reise wurde von der Region Kvarner und Sea Kayak Croatia unterstützt.

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