Finnland Wer kennt schon Porvoo?

Nur eine Autostunde von Helsinki entfernt, und doch liegt diese kleine Stadt selbst für viele Skandinavien-Fans im touristischen Abseits. Dabei repräsentiert sie alles, was liebenswert ist im Land der Wälder, Seen und Inseln.

 Porvoo ist ein schönes, ruhiges Stück Finnland.

Porvoo ist ein schönes, ruhiges Stück Finnland.

Foto: Bernd Schiller

Mehr als 1300 Kilometer trennen Helsinki von Nuorgam am äußersten Polarzipfel des Landes. Dazwischen Wald und immer wieder Wald, hunderttausend Seen und noch mehr, ein paar tausend Flüsse und Fjorde. Zu jedem See, zu jedem Haus am See gehören mindestens eine Sauna und ein Boot. Und natürlich ein Grillplatz für den frisch gefangenen Fisch oder für Makkara, die fette Wurst zwischen den Saunagängen. So lieben es die Finnen – und so schätzen es die finlandssvenskar, die Finnländer. Wo ist da der Unterschied? Das Geheimnis liegt in der jeweiligen Sprache begründet. Zum Beispiel in Porvoo, gerade mal eine knappe Autostunde von Helsinki entfernt, Bilderbuch-Finnland im heiteren Süden des hohen Nordens.

Porvoo? Oder sollen wir Borgå sagen, wie die schwedischsprachige Bevölkerung ihre Heimat nennt. Sie stellt in der „Stadt am Fluss“, das ist sowohl die Bedeutung von Borgå als auch die von Porvoo, etwa ein Drittel der etwa 25.000 Einwohner. Die Minderheit ist vor allem rund um die Hauptstadt und an der Südwestküste Finnlands vertreten. Sie erinnert an die lange Zeit, in der das Land vor allem in Verbindung mit der damaligen Großmacht Schweden wahrgenommen wurde. Heute bekennen sich zwar nur noch fünf Prozent der Gesamtbevölkerung zur schwedischsprachigen Volksgruppe. Dennoch ist Finnland überall und offiziell zweisprachig. In Städten wie Porvoo gehören Straßen- und andere Schilder in Finnisch und Schwedisch ganz selbstverständlich zum Ortsbild.

Man ist in dieser sympathischen Kleinstadt, die sowohl Idylle und Nostalgie als auch Prosperität und Historie ausstrahlt, stolz auf die große Vergangenheit, die bis in die Gegenwart ausstrahlt. Sie hat nicht viele Bewohner, ist aber mit einer Fläche von 655 Quadratkilometern gut dreimal so groß wie Düsseldorf. Als der schwedische König Magnus Eriksson 1364 dem Ort die Stadtrechte verlieh, war dieser bereits ein gut besuchter und weithin geschätzter Handelsplatz. Auch in der Ära, als Russland von Schweden die Vorherrschaft über Finnland übernommen hatte, spielte Porvoo immer wieder eine bedeutende Rolle, zuletzt 1809, als Zar Alexander I. hier die erste Versammlung eines Reichstags des russischen Großfürstentums Finnland abhalten ließ.

Bis heute gilt die Stadt vor allem der schwedischsprachigen Bevölkerung als geistlich-kulturelles Zentrum der Region. Ihr Herz schlägt rund um den Dom, seinen freistehenden Glockenturm und auf dem Platz vor diesem Ensemble. Vielleicht lieben die Leute in Porvoo/Borgå ihren Dom auch so sehr, weil er im Laufe der Zeit fünfmal durch Feuer zerstört und voller Zuversicht immer wieder aufgebaut und neu geweiht wurde, zuletzt 2006. Sein markanter Fachwerkgiebel überragt ein Gewirr alter Häuser und schmaler, vielfach gewundener und zum Teil steiler Gassen. Sie führen fast alle auf den Porvoojoki zu, den Fluss, der von roten Lagerhäusern im schwedisch-skandinavischen Stil gesäumt ist. Sie sind das liebste Fotomotive aller Besucher und aller Freizeitmaler.

 Ruhig fließt der Fluss Porvoojoki durch das malerische Städtchen Porvoo.

Ruhig fließt der Fluss Porvoojoki durch das malerische Städtchen Porvoo.

Foto: Bernd Schiller

Die meisten Besucher werden Porvoo von Helsinki aus auf dem Landweg erreichen, mit dem Auto, dem Bus oder dem Fahrrad. Fast schon etwas abenteuerlich lässt sich hingegen die Fahrt mit dem Nostalgieschiff J.L. Runeberg durch die Welt der Felseninseln an. Sie lässt ahnen, warum die naturverbundenen Finnen sich so glücklich fühlen, sogar immer als angeblich weltweit glücklichste Nation Schlagzeilen machen. Die MS Runeberg, benannt nach dem finnischen Nationaldichter Johan Ludvík Runeberg, tuckert seit 1912 durchs reizvolle Schärenmeer.

Wer so geruhsam anreist, wird sich unweigerlich dem Rhythmus des Städtchens anpassen, durch seine Gassen schlendern, die Puppenstuben-Idylle der vielen kleinen Läden genießen, ein Schwätzchen mit den Boutiquebesitzern oder den Anglern am Fluss halten, viele von ihnen sprechen Englisch, manche auch Deutsch, und einen intensiven Blick in einige besonders sehenswerte Gebäude werfen wollen.

Der Bahnhof ist längst still gelegt; das rote Ziegelhaus beherbergt heute eine Kunstgalerie, eine Eisenwarenhandlung, eine Polsterei und ein charmantes Sommercafé. Gleich nebenan, in der Art Factory, belohnt man sich nach dem Bummel übers Kopfsteinpflaster nur zu gern mit einem lokal hergestelltes Kunsthandwerk als Souvenir oder mit Backwaren in Bio-Qualität. Auch die Werkstätten und Ateliers der Künstler und Lebenskünstler, nicht zuletzt die B&B-Unterkünfte in den fein renovierten roten Lagerhäusern sind gefragte Ziele für Urlauber und Ausflügler.

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