Spektakulärer Fund in Niederösterreich Die Geburtsstätte von "Gladiator"

Düsseldorf (RPO). Ob sich Russel Crowe hier wohlgefühlt hätte? Der Neuseeländer spielte immerhin im Jahr 2000 im Oscar-prämierten Film "Gladiator" die Rolle des römischen Feldherrn Maximus Decimus Meridius, der in Ungnade fiel und so zu einer zweiten Karriere als Gladiator kam. Als solcher hätte er sich wahrscheinlich in Carnutum – gelegen an der Donau zwischen Wien und Bratíslava – recht gut behandelt fühlen können.

Sensationsfund - die Gladiatorenschule in Carnutum
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Sensationsfund - die Gladiatorenschule in Carnutum

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Düsseldorf (RPO). Ob sich Russel Crowe hier wohlgefühlt hätte? Der Neuseeländer spielte immerhin im Jahr 2000 im Oscar-prämierten Film "Gladiator" die Rolle des römischen Feldherrn Maximus Decimus Meridius, der in Ungnade fiel und so zu einer zweiten Karriere als Gladiator kam. Als solcher hätte er sich wahrscheinlich in Carnutum — gelegen an der Donau zwischen Wien und Bratíslava — recht gut behandelt fühlen können.

Denn die dortige Gladiatorenschule (lateinisch: ludus) war bestens eingerichtet: Ein eingebauter Badetrakt mit Kaltbad, Laubad und Warmbad hintereinander, ein Speiseraum und eine Trainingshalle, die sogar mit einer Fußbodenheizung ausgestattet war. Luxus für die Gladiatoren im 2. Jahrhundert nach Christus — wahrscheinlich gerade recht für Holly-wood-Stars.

Pech nur, dass Regisseur Ridley Scott seinen "Gladiator" in Marokko und auf Malta drehte. Historisch genauer wäre wohl Niederösterreich gewesen. Denn in der archäologischen Landschaft Carnutum hat ein internationales Team vom "Ludwig Boltzmann Institut für archäologische Prospektion und virtuelle Archäologie" (LBI-Arch-Pro) eine echte Gladiatorenschule gefunden, die zu Lebzeiten von Kaiser Marcus Aurelius und seines Sohnes Commodus existierte.

Zwar tauchen diese beiden historischen Figuren auch im Hollywood-Film auf, doch im realen Leben waren sie tatsächlich in Carnutum. Hier verfasste der Kaiser zwischen 171 und 173 nach Christus einen Teil seiner "Selbstbetrachtungen", während sein späterer Nachfolger seine Faszination für den Gladiatorenkampf entdeckte.

Wahrscheinlich, weil Commodus als Sohn des Kaisers erlaubt war, was normalen Bür-gern des römischen Reiches zu dieser Zeit verwehrt war: Die Gladiatoren beim "Training" in der Schule und dem angrenzenden Amphitheater beobachten. Denn bei diesen Schaukämpfen durften lediglich hochgestellte Persönlichkeiten anwesend sein. Meist waren das die Besitzer der Gladiatoren, denn, "die Kämpfer waren oft verurteilte Kri-minelle und meistens Sklaven", erklärt Dr. Markus Scholz vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) in Mainz. So machten sich die reichen Bürger während des Trainings der Gladiatoren ein Bild von der Kampfkraft ihres Eigentums, um später hohe Geldwetten während der echten Kämpfe im Amphitheater abzuschließen.

Diese Arena in Carnutum, die bis zu 13.000 Zuschauer fassen konnte, wurde bereits von 1923 bis 1930 in Niederösterreich ausgegraben. Die nun entdeckte Gladiatorenschule, liegt derzeit noch unter der Erde, ist aber dennoch für Besucher sichtbar. Nachdem die Archäologen sie mit Bodenradargeräten entdeckt hatten, konnten sie ebenfalls mittels Radar eine exakte Nachzeichnung davon auf dem Computer entstehen lassen. Nun ist die rund 1800 Jahre alte Schule als virtuelle Animation im Besucherzentrum Petronell zu sehen — eine faszinierende Symbiose der Jahrtausende.

Die Gladiatorenschule von Carnutum ist an Deutlichkeit der erfassten Strukturen der-zeit nur mit dem ludus magnus in Rom zu vergleichen, in ihrer Vollständigkeit und Di-mension übertrifft die österreichische die römische sogar. Das macht diesen Fund zu einer Sensation. Der Gebäudekomplex in Carnutum, der in einer 11.000 Quadratkilome-ter großen ummauerten Parzelle liegt, hat ein Ausmaß von rund 2800 Quadratmetern. Dr. Markus Scholz stellt dazu in seinem Gutachten fest: "All diese Einrichtungen sind in ihrer ganzen Ausdehnung erhalten und archäologisch zugänglich. Das ist im ganzen römischen Reich und damit weltweit bisher einzigartig!"

Die Radarmessungen zeigen eine kreisrunde Trainingsarena mit einem Durchmesser von 19 Metern, die von hölzernen Zuschauertribünen umgeben war. Die beheizbare Trainingshalle war 100 Quadratmeter groß, der Verwaltungstrakt, der auch den Wohn-bereich des Besitzers der Schule beherbergte, 300 Quadratmeter, während die Gladiatoren mit Wohnzellen auf fünf Quadratmetern zurechtkommen mussten. "Die Erhaltung ist so gut, dass man auf den Messbildern sogar Estrich- oder Steinfußböden erkennen kann", sagt Dr. Scholz. Selbst die Infrastruktur — Wasserleitungen, Fußbodenheizung, Abwasserkanäle, Zugangswege zum Amphitheater — ist detailgenau zu erkennen und wurde entsprechend visualisiert.

So können Besucher durch geführte Touren im Archäologischen Park nun die Gladiatorenschule im Gelände erahnen, im maßstabsgetreuen Gesamtmodell von Carnutum wird der Zusammenhang mit der historischen Stadt greifbar. Denn diese war einst eine pulsierende Metropole mit rund 50.000 Einwohnern auf zehn Quadratkilometern Fläche. Die Lage der Stadt war nahezu ideal: In Carnutum überquert die so genannte Bernsteinstraße die Donau, die frühere römische Reichsgrenze.

"In der Antike war die Bernsteinstraße die wichtigste Verkehrs- und Handelsroute zwischen Mittel- und Nordeuropa und dem Mediterraneum oder dem Orient", erklärt Scholz. Über den Adriahafen Aquileia — dem antiken Vorgänger Venedigs — verband die Bernsteinstraße das Baltikum und Skandinavien mit Ägypten, Kleinasien und Syrien. "Verhandelt wurden auf ihr alle Güter des Nordens, auch Sklaven und wilde Tiere — alles was man zum Betrieb eines Amphitheaters braucht", analysiert Scholz. Seit Kaiser Augustus war Carnutum Militärbasis, später wurde es die Hauptstadt der Provinz Oberpannonien.

Fast zwei Jahrtausende später ist sie Schauplatz einer österreichischen Landesausstellung. Im Vorfeld wurden insgesamt 42 Millionen Euro in die Landesschau "Erobern — Entdecken — Erleben im Römerland Carnutum" investiert, über 300.000 Besucher zählte sie in den ersten viereinhalb Monaten seit Mai. Und denen wird eben nicht nur historisches, sondern auch hochmodernes geboten. Es gibt sogar eine kostenlos downloadbare App für das I-Pad oder I-Phone, mit dem interessierte Besucher direkt im Carnutum die Gladiatorenschule verfolgen können. Scholz findet: "Die hochtechnisierten geophysika-lischen Prospektionen bieten uns gewissermaßen den Trailer eines spannenden Spielfilms" — allerdings diesmal ohne Russel Crowe.

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