Selbstversuch Zugspitze Zu Fuß auf Deutschlands höchsten Gipfel

Der 2962 Meter hohe Gipfel im Wettersteingebirge ist ein Mythos. Im Frühjahr und Sommer zieht es tausende Wanderer und Bergsteiger auf die Zugspitze. Vier Routen führen hinauf - zwei von Bayern, zwei von Tirol aus. Ein Selbstversuch.

 Quer durch die Felsen klettert die Gruppe: ein Bergsteiger hinter dem anderen. Der Blick geht entweder in den Abgrund oder immer nach vorn.

Quer durch die Felsen klettert die Gruppe: ein Bergsteiger hinter dem anderen. Der Blick geht entweder in den Abgrund oder immer nach vorn.

Foto: Julia Nakötter

Die dünne Luft lässt meinen Atem rasen, Schritt für Schritt stapfe ich durch Schotter und kniehohen Schnee Richtung Gletscherrestaurant "Sonnalpin". Hochkonzentriert setzte ich meine Füße in die Spuren des Vordermanns - das macht es einfacher. Oben auf dem Zugspitzplatt, auf 2600 Metern angekommen, fällt die Temperatur schlagartig. "Der Berg wird von vielen unterschätzt", sagt Thomas Bader, Bergführer aus Tirol. "Das letzte Stück rauf auf die Zugspitze ist am gefährlichsten und anspruchsvollsten. Wenn Schnee liegt, sollte man es meiden." Hier zeigt sich, wer seine Kräfte gut eingeteilt und noch Reserven für die Strecke an Stahlseilen entlang zum Wettersteingrat hat.

Meine Bergsteiger-Gruppe entscheidet sich für die bequeme Variante. Die letzten 300 Meter geht es mit der Gletscherbahn zur Panoramaplattform hinauf - schließlich liegen bereits sechs Stunden stramme Wanderung und gut 1600 Höhenmeter hinter uns. Die Akkus sind leer, und der frische Schnee macht den Gipfelsturm per pedes unmöglich.

Unser Ziel, ein goldenes Gipfelkreuz auf rund 3000 Metern, ist ein Mythos. Pro Jahr sehen es 500 000 Besucher aus aller Welt. Und noch ehe die erste Seilbahn 1926 Richtung Zugspitze fuhr, hatten es mehr als 10 000 Bergsteiger aus eigener Kraft dorthin geschafft. Aktuell wollen immer mehr zu Fuß auf Deutschlands höchsten Berg. Die Zugspitze "ersteigen", das ist Trend. Laut Alpenverein nehmen jährlich 5000 Wanderer den Weg von Garmisch durchs Höllental.

Vier Routen führen hinauf - zwei von Bayern, zwei von Tirol aus. Wer eine landschaftliche Erlebnistour will, wandert von Österreich aus übers "Gatterl", die Landesgrenze. "Man darf es nicht zu schnell angehen", rät Bergführer Bader. "Wer zu früh seine Kräfte verpulvert, wird es bereuen." Nicht immer seien Wanderer auf die hochalpinen Strecken vorbereitet und "auch das Wetter kann schnell umschlagen." Wer seine Tour allerdings gründlich plant, eine gute Kondition mitbringt, trittsicher und schwindelfrei ist, der schafft es sicher nach oben.

Wir werden auf unserer "Gatterl"-Tour zusätzlich von Bergführer Robert Krinninger begleitet. Er und sein Kollege Bader stehen symbolisch für die erste deutsch-österreichische Kooperation. Die "Zugspitz Arena Bayern-Tirol" hat sich auf beiden Seiten des Gipfels zusammengetan, um über die Grenze hinweg Urlaubsangebote zu schnüren. Und auch das ist der Mythos Zugspitze: ein Berg, zwei Nationen, einst Wettlauf um die Erschließung des Gipfels, jetzt eine Destination.

Unsere Wanderung beginnt gemächlich - wer mag, nimmt in Ehrwald die Bahn zur Alm. Der nun eingeschlagene Forstweg wird nach und nach zum schmalen Steig. Durch saftige Wiesen geht's weiter aufwärts. Die Luft wird dünner, die Schritte kleiner, die Mühe größer. Stehenbleiben und kurz genießen: Das Brandjoch gibt auf 2200 Metern den Blick frei auf das Wettersteingebirge und die Ammergauer Alpen. Gämsen werden zu unseren Begleitern. Das eindringliche Pfeifen der Murmeltiere lässt aufhorchen. Entdecken kann ich die Erdhörnchen nicht.

Die Landschaft wird rauer, je näher wir an die Landesgrenze kommen. "Auf den letzten 200 Metern muss man kraxeln", erklärt Bergführer Krinninger. Der Steig ist mit Stahlseilen gesichert. Es kostet Kraft, sich mit den Händen über große Steine nach oben zu ziehen. Am "Gatterl", ein quietschendes Türchen am alten Grenzposten, wachten früher Zöllner. Heute erinnert ein Kreuz an die Lawinenopfer unter ihnen.

Auf bayerischer Seite wirkt die Landschaft schroff. Quer durch die Felsen klettert die Gruppe: ein Bergsteiger hinter dem anderen - mit einem Blick in den Abgrund, mit dem anderen nach vorne, zum Etappenziel. In der Knorrhütte, dem der Zugspitze am nächsten gelegenen Schutzhaus, lockt die erste Rast der Tour.

Dort angekommen, melden meine Beine: Die erste Kraftreserve ist verbraucht. Dabei geht der Weg noch einige Kilometer weiter durch Schotter und Schnee bis "Sonnalpin".

Auf 2600 Metern herrscht plötzlich Trubel: Einige hundert Touristen schauen uns mit fragenden Blicken an: "Seid ihr wirklich zu Fuß gelaufen? Wir sind mit der Bahn gefahren!" Deutschlands höchster Gipfel - der Mythos Zugspitze - zieht die Menschen an.

(RP)
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