Städtereisen Frankfurt - das hippste Großstadtdorf der Welt?

Frankfurt · Moderne Kunst, Straßencafés und angesagte Szene-Restaurants wie in London hören sich gut an? Gut. Dann ab nach Frankfurt! Wir zeigen die andere Seite der Finanzmetropole.

Essen und Trinken - Foodtipps für Frankfurt
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Essen und Trinken im hippen Frankfurt

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Foto: dpa-tmn/Boris Roessler

„Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin“ - das Zitat des Komponisten Franz von Suppé habe ich mir als Studentin zu Herzen genommen. Raus aus dem Dorf, große Freiheit, keine Grenzen. Das Ziel hieß Hauptstadt - wäre es nach mir gegangen. Ging es aber nicht. „Deine erste Station ist Frankfurt am Main“, verkündete mein damaliger Chef. Ich brach in Tränen aus, blieb ein Jahr dort und heulte wieder, als ich wegzog.

Heute schreibe ich von Suppés Zitat um. Noch verrückter, als nach Berlin zu müssen, ist es nämlich, von Berlin nach Frankfurt zu fahren. Freiwillig, zum Entschleunigen. Zum Urlaubmachen nach Hessen, ins hippste Großstadtdorf der Welt. Ich laufe aus dem Bahnhof. Geradeaus blinken die Neontafeln im Rotlichtviertel, links von mir spiegelt sich die Sonne in den Fenstern der Wolkenkratzer. Frankfurt glitzert und heißt mich willkommen - was hier so ähnlich heißt wie: „Ei guuuude wie?“

Bevor ich mir Mühe mit lokaler Mundart gebe, höre ich andere Worte. Arabische, türkische, Swahili womöglich. Der Geruch von gegrilltem Fleisch zieht in meine Nase. Hier rennt jeder rum, der nicht nach Frankfurt aussieht, durch Straßen, die woanders sein könnten.

Mit dem Citybike radle ich nach Sachsenhausen. Keine zehn Minuten sind es von der einen auf die andere Mainseite - also von Hibbdebach nach Dribbdebach, wie man hier sagt. Nicht nur der Blick auf die Skyline ist von hier aus mindestens ein Instagram-Foto wert. Im Brückenviertel laden Kunstgalerien und kleine Boutiquen zum Bummeln ein. Am Wasser locken Flohmärkte und urige Restaurantschiffchen. Heute im Angebot: grüne Soße und Fischdöner. Die Mittagskarte ist so vielfältig wie die Stadtbewohner.

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Foto: Shutterstock/Slobodan Kunevski

Ein Spaziergang an der Uferpromenade gleicht einem Querschnitt durch das Frankfurter Gesellschaftsleben. Auf der einen Seite joggen ambitionierte Bänker im Shirt der Investmentfirma. Auf der anderen Seite schieben türkische Muttis ihre Kinderwagen. Die einen entspannen mit Shisha und Fake-Rolex auf der Wiese, die anderen räkeln sich mit Apfelwein und Luxushandtaschen in Liegestühlen.

Hier muss keiner zeigen, was er hat, wie in München. Oder so tun, als ob er nichts hat, wie in Berlin. Selbstverständlichkeit ist selbstverständlich. Wie in jedem richtigen Dorf kennt man seine Nachbarn - auch wenn die nicht unterschiedlicher sein könnten. Mehr als 750 000 Menschen leben in der hessischen Metropole, sie kommen aus 179 Nationen. So sagt es die Statistik. Fast jeder Dritte hat keinen deutschen Pass, fast die Hälfte Migrationshintergrund.

Auch Gott ist entsprechend international. Von Hindu- bis Bahai-Tempeln über Moscheen gibt es in Frankfurt alles. In der Ferne höre ich Kirchenglocken läuten, während mein Blick verträumt über die Wolkenkratzer schweift. Wie bei Oma auf dem Land, mit einem Hauch New York City. Frankfurt liebt die Kontraste.

„Wenn ich im Ausland bin, habe ich keinen Bock auf Deutschland. Aber in Frankfurt finde ich einfach alles“, sagt Ajda Bekar. Ihre Wurzeln liegen in der Türkei. Sie selbst bezeichnet sich als Frankfurter Mädchen. Im Herbst 2015 hat sie im hippen Stadtteil Bornheim das „Mellow Yellow“ eröffnet. Als ich das Café am unteren Ende der Berger Straße betrete, würde ich am liebsten einziehen. Die Wände sind in knalligem Türkis und Grün, die Möbel ein Mix aus Vintage und aller Welt. „Aus fast jedem Land, in dem ich war, nehme ich Dinge mit und kreiere was Eigenes“, sagt die 26-Jährige.

Das Motto gilt auch fürs Essen: Auf der Schiefertafel steht Börek neben „Beet Root Latte“. Viele Gäste, die herkommen, fühlten sich wie in Brooklyn, Paris oder London, sagt Bekar.

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Foto: dpa

Nicht nur den Touristen geht es so. „Die meisten Nachbarn haben sich anfangs nicht getraut reinzukommen und uns beobachtet“, sagt Bekar und grinst. Erst mit Klassikern wie Müsli und belegten Brötchen hätte sie die Bornheimer wie die Mäuse aus ihren Verstecken gelockt. Im Vergleich zu hessischem Handkäs klingt vegan, gluten- und zuckerfrei jedenfalls fast so weit weg wie Fernost. Aber spricht es sich auf dem Dorf erst mal rum, kommen die Großstädter in den Hessen durch. Und die lieben, was exotisch, cool und angesagt ist.

„Von allen Großstädten Deutschlands ist Frankfurt die mit der höchsten Lebensqualität“, lautete einmal das Fazit der englischen Zeitschrift „The Economist“. Das liegt nicht nur an der Nähe zum grünen Taunus und dem internationalen Flughafen. Der Yuppie sucht die Szene. Und in Frankfurt gibt es alles, was sein Herz höher schlagen lässt: international bekannte Techno-Clubs wie das „Robert Johnson“, renommierte Häuser wie das Städel Museum und die Schirn Kunsthalle und natürlich viele angesagte Restaurants. Doch die Vielfalt allein macht das Dorf nicht zur Weltstadt, sondern die Köpfe dahinter. Aus Frankfurt kommen wahre Gastro-Größen.

Zwei davon sind die Ardinast-Brüder. „Frankfurt war früher cool in den Siebzigern“, sagt James. „In den 2000ern gab es seine Kreativität an Berlin ab. Wir haben an Frankfurt geglaubt und wussten, wo die Musik morgen am lautesten spielt, wenn heute noch kein einziger Ton zu hören ist.“ Das Duo mit jüdisch-polnischen Wurzeln machten aus dem Bahnhofsviertel ein Szenequartier.

Neben Pastrami im „Maxie Eisen“ gibt es inzwischen Fine Dining im „Stanley Diamond“. Ihr neuester Zuwachs ist die „Bar Shuka“. Wer einmal reingeht, kann die ganze Nacht bleiben. Feinster Sake aus Japan, Speak-Easy-Bar, orientalische Küche, Service auf den Punkt.

„Du willst was für dein Geld, du kriegst was dafür“ - so beschreibt David die Frankfurter Gastronomie. Das Designkonzept ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Man würde auch ohne Essen kommen. So geht es einem in Frankfurt an vielen Orten.

Im „Franziska“ fahre ich zum Dinner auf die 39. Etage. „Mein Traum war ein Skyline-Restaurant, schließlich sind wir eine Skyline-Stadt“, sagt Christian Mook. Diesen Traum hat sich der Star-Gastronom im Turm eines ehemaligen Getreidesilos erfüllt. Insgesamt sechs exklusive Restaurants etablierte er in der Mainmetropole, darunter das „Zenzakan“ oder den „Ivory Club“, zu denen er - wie er sagt - mit dem Fahrrad fährt.

„Ich liebe den Dorfcharakter und die Apfelweinkultur“, sagt Mook. Mir geht es auch so. Deshalb esse ich mit goldenem Besteck Handkäs von blauem Porzellan, während die Sonne hinter den Wolkenkratzern versinkt und Jan Delay aus den Boxen für mich singt. Wenn ich nach Berlin fahre, weiß ich, was zu tun ist: bald wieder zurückkommen, nach Frankfurt, ins Großstadtdorf.

(ham/dpa)
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