Brilon Schlackerwurst im Sauerland

Brilon ist eine liebenswerte Kleinstadt, die größer ist als Düsseldorf. In der Umgebung gibt es viel Wald für alle Sinne, einen Fluss mit über 100 Quellen und eine Kneipe mit 44 Wirten. Auszeit in einem schönen Stück Deutschland.

 Mittelpunkt des Marktplatzes von Brilon ist der Petrusbrunnen.

Mittelpunkt des Marktplatzes von Brilon ist der Petrusbrunnen.

Foto: Bernd Schiller

Der Spätsommer geht zu Ende, der Frühherbst erobert die Wälder rund um Brilon, jeden Tag ein bisschen mehr. Morgens ist die Luft angenehm frisch, aber die Sonne wärmt noch und brennt die silbrig glänzenden Fäden auf den Wiesen rasch weg. Am Wegesrand haben sich die gefiederten Blätter der Eberesche intensiv verfärbt, das pralle Gelborange ihrer Früchte lockt die Vögel an. Zwischen dem Arnsberger Wald und dem Hochsauerland hat die Saison der Genießer unter den Naturfreunden begonnen.

Brilon also, ein charmantes Städtchen mit großer Vergangenheit. In diesem Jahr wollte man dort eigentlich den 800. Geburtstag feiern. Das Rathaus, um 1250 als Gildehaus errichtet, schaut auf einen autofreien, von Cafés und noblen Fachwerkhäusern gesäumten Marktplatz: Brilons gute Stube. Die Lage im Schnittpunkt wichtiger Fernhandelswege und das Patronat des heiligen Petrus, dessen Figur den Brunnen auf diesem Platz krönt, mögen schon früh zum soliden Wohlstand beigetragen haben.

Vom Markt gehen stille Gassen und eine breite Fußgängerzone ab. Beide verführen zum Entdecken, zum Beispiel eines Geschichtsbrunnens mit den Wappen der 16 Dörfer, die 1975 der Stadt zugeschlagen worden waren oder zum Innehalten in der imposanten Probsteikirche.

Sympathische Plätze, der Nostalgie gewidmet, lassen den Besucher staunen: hier das Monument der fleißigen Hausfrau, an der früher letztlich alles hängen blieb, dort das Denkmal eines Postillons mit einem Esel, stellvertretend für die vielen braven Lasttiere, die einst den Transport vom Land in die Stadt bewältigten, so zahlreich wie auf den griechischen Inseln.

Kurios auch dies: Brilon ist größer als Düsseldorf – flächenmäßig gesehen. Aber gut die Hälfte der insgesamt 230 Quadratkilometer, verteilt auf die Stadt und ihre grünen Ortsteile, gehört dem Wald, geprägt von schönen alten Laubbäumen, aber auch von Fichten, die derzeit, wie überall in den Mittelgebirgen, immer schneller der Dürre und dem Borkenkäfer zum Opfer fallen.

 Waldpädagogin Susanne Kunst führt auch Touristen zu den Wundern des Waldes.

Waldpädagogin Susanne Kunst führt auch Touristen zu den Wundern des Waldes.

Foto: Bernd Schiller

Wer mit Susanne Kunst durch den Wald rund um Brilon geht, lernt ihn mit allen Sinnen zu spüren und zu verstehen. Sie ist Waldpädagogin, unterwegs mal mit Urlaubern, meistens aber mit Kindern aus der Region. Ihnen vor allem hilft sie, die Wunder und neuerdings auch die Wunden des grünen Reviers einzuordnen. Denen macht es Spaß, lautstark durchs Laub zu stromern.

Der Wald als Kraftwerk für die Seele, das ist nichts Neues. Aber das Sauerland hat noch viel mehr Ziele zu Seelenorten erklärt, Felsen, Bergkuppen, Bäume, sieben allein rund um Brilon: den Ginsterkopf zum Beispiel, 640 Meter hoch, der für Weite und Stille steht. Oder die 144 Quellen des Almeflüsschens, die Geburt und Wachstum symbolisieren. Ein gut ausgeschildertes Wegenetz erschließt diesen märchenhaften Ort, an dem die unterschiedlichen Geräusche des Wassers zur Achtsamkeit anregen.

Solche und andere Tipps, auch zum kulinarischen Genuss oder zur Historie der Region, hat Josef Nieder parat, Gastgeber in vierter Generation, Koch, Wanderführer, Geschichtenerzähler. Sein Hotel in Ostwig kann als komfortables Basislager für eine abwechslungsreiche Auszeit gelten. Morgens ein deftiges Frühstück, etwa mit Schlackerwurst, einer geräucherten Nierenspezialität, oder einer Kostprobe vom Rinderpümmel, der Sauerländer Bratwurst. Und abends vielleicht ein feines Dinner im alten Erzbergwerk Ramsbeck, 300 Meter unter Tage. Zwischendurch, ein Beispiel nur, ein Abstecher nach Bruchhausen, zum dortigen Schloss und dem Gutscafé Rosenbogen, überragt von den Bruchhauser Steinen, mystisch wirkenden Felsen in 700 Metern Höhe.

 Klaus Schmücker ist einer von 44 ehrenamtlichen Wirten der Dorfkneipe „Kumm rin“ in Ostwig.

Klaus Schmücker ist einer von 44 ehrenamtlichen Wirten der Dorfkneipe „Kumm rin“ in Ostwig.

Foto: Bernd Schiller

Zünftiges Kontrastprogramm: der Besuch in Ostwigs Dorfkneipe „Kumm rin“, ein paar Schritte vom Hotel Nieder entfernt. Dort steht heute zum Beispiel Klaus Schmücker, von Haus aus Lehrer, hinter der Theke. Er teilt sich diesen Ehrenamtsjob mit 43 anderen Wirten: Frauen, Männern, Akademikern, Handwerkern, Postboten, Jungen und Alten. Irgendwann hatte in Ostwig die letzte von einst fünf Dorfkneipen dichtgemacht. Ein paar Jahre war wenig los in Ostwig. Bis der Gutsbesitzer Carl-Ferdinand Freiherr von Lüninck auf die tolle Idee kam, aus einem seiner ehemaligen Stallgebäude eine Kneipe zu machen. Lehrer Schmücker war sofort dabei, das ganze Dorf packte an, und aus der Schnapsidee entstand eine zünftige Wirtschaft. Seit dem 11.11.2011 stärkt „Kumm rin“ das Wir-Gefühl in Ostwig. Die Kneipe ist längst etabliert, und auch die Kirche, direkt gegenüber, ist nicht nur sprichwörtlich im Dorf geblieben.

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