Sachsen Abgefahren

Bergbahnen, Autos, Motorräder, Dampfschiffe, Brücken – in keinem anderen Bundesland gibt es so viele lebendige Zeugen des goldenen Verkehrszeitalters wie in Sachsen. Beispiele aus Dresden, Zwickau und Augustusburg.

 Loschwitz Schwebebahn

Loschwitz Schwebebahn

Foto: Ekkehart Eichler

Bis heute ist es eines von Dresdens markantesten Wahrzeichen: die Stahlträgerbrücke zwischen Loschwitz und Blasewitz. Zur Einweihung 1893 stieß sie auf teils entrüstete Ablehnung – wie konnte man das herrliche Elbtal nur so verschandeln? Vielleicht ärgerte es die guten Bürger aber auch nur, dass sie Brückengeld löhnen mussten. Denn Form und Material des Bauwerks waren bereits im Anforderungsprofil fixiert: Die Schifferverbände wollten keine Pfeiler im Flussbett, die Wasserbaudirektion eine „statisch bestimmte Eisenkonstruktion“. Und so entstand hier also eine „versteifte dreigelenkige Hängebrücke“ aus genieteten Metallstreben und mit ungewöhnlich großer Spannweite – was viele andere nun wiederum ein wahres Wunder fanden. Dazu der hellblaue Anstrich und die „Loschwitzer Brücke“ hatte ihren Spitznamen weg: „Blaues Wunder“. Und als solches hat sie allzeit gehalten, unter anderem auch, weil mutige Dresdner 1945 die Sprengung durch die Wehrmacht verhinderten.

Für andere denkmalgeschützte Oldtimer des industriellen Verkehrszeitalters geht es mehrmals täglich mit Volldampf und umgeklapptem Schornstein direkt unter dem Blauen Wunder hindurch auf große Fluss-Fahrt. Dresden ist Heimathafen der ältesten und größten Schaufelraddampferflotte der Welt, die auf der Elbe zwischen Diesbar-Seußlitz und Bad Schandau verkehrt und dabei zum Beispiel am Schloss Pillnitz, an der Festung Königstein und in der Sächsischen Schweiz anlegt.

Sieben der neun nostalgischen Seitenraddampfer absolvierten ihre Jungfernfahrt bereits im 19. Jahrhundert, darunter die „Diesbar“ von 1884 mit der ältesten Raddampfermaschine der Welt. Wer alle Schiffe mal auf einen Streich erleben will, sollte sich einfinden zur Dampferparade an jedem 1. Mai. Wer außerdem ein Herz und ein Ohr für mitreißend-fröhlichen New Orleans Jazz hat, darf die „Riverboat-Shuffle“ im Rahmen des Internationalen Dixieland Festivals keinesfalls verpassen – drei Stunden abendliche Live-Musik in Atmosphäre und Kulissen, die mehr als einen Hauch von Mississippi-Dampfschiff-Romantik aufleben lassen.

 1932 schlossen sich die vier sächsischen Hersteller Horch, Audi, DKW und Wanderer zur Auto Union AG zusammen und wählten als Firmenlogo die vier verschlungenen Ringe.

1932 schlossen sich die vier sächsischen Hersteller Horch, Audi, DKW und Wanderer zur Auto Union AG zusammen und wählten als Firmenlogo die vier verschlungenen Ringe.

Foto: Ekkehart Eichler

Überhaupt: Die Begeisterung für Retro-Vehikel scheint besonders in Sachsen schier grenzenlos. Hier können „Pufferküsser“ (Bahnfans) noch heute täglich unter Dampf fahren – auf fünf Schmalspur- und drei Museumsbahnen. Oder einmal im Monat mit der Döbelner Pferdestraßenbahn von 1892. Oder mit der Dresdner Bergschwebebahn vom Blauen Wunder nach Oberloschwitz zur „Schönen Aussicht“. Oder mit der Drahtseilbahn im Erzgebirge gleich hinauf zum nächsten Höhepunkt – den heißen Öfen von Augustusburg.

Bis zur Wiedervereinigung gehörten die nur zehn Kilometer entfernten sächsischen Motorradwerke Zschopau mit ihrer Marke „MZ“ zu den größten Herstellern der Welt. Niemand sonst in Europa baute in Zeiten des kalten Krieges so viele Motorräder, exakt 2.545.112 Einheiten liefen hier von 1950 bis 1992 vom Band. Das Kernstück des Museums im ehemals kurfürstlichen Jagdschloss Augustusburg ist folgerichtig die größte Sammlung von MZ-Maschinen und deren Vorgänger DKW weltweit.

Aber weit mehr: Anhand von 175 Exponaten wird die gesamte technische Entwicklung des Motorrades von 1885 bis heute in Szene gesetzt – mit historischen Rennszenen, Zeitzeugen-Interviews und eigens produzierten Filmen etwa zum MZ-Straßensport. Prototypen und Unikate begeistern nicht nur Motorradfans: eine weiße Mars aus Nürnberg, eine schön restaurierte Indian Chief, eine seltene Ariel Leader, zwei dreisitzige Böhmerland-Riesen oder das skurrile klappbare Kleinstmotorrad Welbike, das alliierte Luftlandetruppen 1944 über Frankreich abwarfen.

Ein weiterer Clou: Der Soundsimulator imitiert die Klänge völlig unterschiedlicher Maschinen. Der Besucher darf elektronisch eine DKW-Ladepumpe, je einen MZ-Renn- und Geländesportmotor, einen Wanderer-V2 und einen AWO-Viertakter in verschiedenen Drehzahlen aufheulen lassen. Darüber hinaus gilt die „Krone des Erzgebirges“ auch als Mekka der Motorradfahrer, die sich mehrmals im Jahr zu Biker- und Oldtimer-Treffen versammeln. Wem vier Räder und Pferde-Trott lieber sind, dem steht auf Schloss Augustusburg übrigens auch noch das Kutschenmuseum offen mit prächtigen Stadt-, Gesellschafts- und Galawagen des Sächsischen Marstalls.

Mehr als 115 Jahre Automobilgeschichte. Über 160-mal Lack, Leder und Chrom. Über 500 PS an einem Rennwagen der Auto Union. Und über 20 Gefühlswelten. Das sind einige der Superlative, mit denen das August Horch Museum in Zwickau aufwartet. Am originalen Standort und an der Geburtsstätte der Marke Audi kann man Pioniergeist und Erfindungsreichtum sehen, fühlen, hören und sogar riechen. Etwa im Arbeitszimmer des begnadeten Konstrukteurs Dr. August Horch, dessen Name auf Latein zu „Audi“ wurde. Und er selbst zum Herrn der Ringe, als 1932 die vier sächsischen Hersteller Horch, Audi, DKW und Wanderer zur Auto Union AG fusionierten – zum Firmenlogo wählten sie die vier verschlungenen Ringe.

Trotz schwerer Neustartbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg hörten die Zwickauer Ingenieure nie auf, neue und zeitgemäße Autos zu entwickeln, mussten aber auf Order des Staates stets am Trabant festhalten. Auch dessen Geschichte wird in Zwickau selbstverständlich ausführlich erzählt. In allen Facetten und bis zum letzten Exemplar vom Band – so wie es sich gehört für das Duroplast-Wunder aus der DDR. Das übrigens oft in Himmelblau daherkam.

Die Recherche wurde von der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen unterstützt

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort