Oberschwaben Im Himmelreich des Barock

In der sanft hügeligen Landschaft Oberschwabens zwischen Donau und Bodensee finden sich viele Juwelen des Barock und Rokoko: Prunkvolle Kirchen und Bibliotheken, pompöse Schlossanlagen – und manch schmucke Dorfkirche.

 Die Anna-Kapelle in der Kartause Buxheim – eins der vielen Schmuckstücke der Oberschwäbischen Barockstraße.

Die Anna-Kapelle in der Kartause Buxheim – eins der vielen Schmuckstücke der Oberschwäbischen Barockstraße.

Foto: Christine Zacharias

Über Oberschwaben geht der Himmel auf – nicht nur über der lieblichen Landschaft zwischen der Donau, dem Flüsschen Iller und dem Bodensee. Sondern auch und vor allem an vielen prächtigen Orten in dieser geschichtsträchtigen Region, in großen Kirchen, Klöstern und Schlössern und selbst in vielen kleinen Kapellen: Oberschwaben ist ein Hauptzentrum des Barock in Deutschland. Weswegen es seit geraumer Zeit auch eine Oberschwäbische Barockstraße gibt.

Immerhin über 860 Kilometer erstreckt sich diese und wird inzwischen in eine Haupt-, Ost-, West- und Südroute unterteilt, denn es gibt in Sachen Barock einfach so viel in Oberschwaben zu entdecken. Erst kürzlich haben sich, teilweise schon auf bayerischem Gebiet, weitere Baudenkmäler der Vereinigung angeschlossen. Reichlich Gelegenheit also, sich vor Ort in diese sinnenfrohe Zeit mit ihrer verschwenderischen Fülle von Gold, Stuck, von Putten und großformatigen Gemälden zu vertiefen. Oder eben auch den Blick in die Höhe zu richten – denn all der Prunk, den das Barock und später noch das Rokoko entfalteten, sollte vor allem eins bezwecken: Vorfreude auf das Paradies zu wecken. Deswegen weitet sich in vielen Kirchen, aber auch anderen Barockbauten an der Decke der Himmel, führen elegische Malereien den Blick hinauf in himmlische Sphären. Nicht von ungefähr nennt man Oberschwaben daher auch das „Himmelreich des Barock“.

Einer der „Neuzugänge“ der Schwäbischen Barockstraße ist die Kartause Buxheim, eine ehemalige Reichskartause, die im 18. Jahrhundert teilweise barockisiert wurde. Die Mönche sind schon lange nicht mehr da, ein Verein und die Einwohner des gleichnamigen Örtchens kümmern sich liebevoll um die Anlage. Unbedingt sehenswert: das reichhaltig verzierte Chorgestühl des Tiroler Künstlers Ignaz Waibl mit seinen kunstvollen, zum Teil sehr individuell und eindringlich gestalteten Figuren.

www.kartause-buxheim.de

Wer auf den Spuren des Barock als neues Lebensgefühl in der Stadt wandeln will, der sollte nach Memmingen fahren und dort eine sprichwörtliche Barockführung mitmachen: In authentischem Gewand und mit viel Sachkenntnis schildert Stadtführerin Sabine Rogg, wie die (betuchten) Bürger dem neuen Stil frönten. „Betucht“ deswegen, weil man umso reicher war, je mehr Stofffalten man in seinen Kleidern vorweisen konnte, wie man auf der Tour erfährt. Diese führt unter anderem durch neue Stadtpaläste und hübsche Gärten.

www.memmingen.de

Alles andere als museal geht es in der ehemaligen Benediktinerabtei Ochsenhausen oberhalb des Rottumtals zu. Dort herrscht das ganze Jahr über reges Treiben; aber keine emsigen Mönche huschen über die Flure hinter der monumentalen Barockfassade der weithin sichtbare Anlage. Die Landemusikakademie hat dort ihren Sitz, nationale und internationale Musiker reisen in die ehemalige Reichsabtei, um gemeinsam zu musizieren. „Dieser grandiose Ort strahlt unbedingt auf die Künstler aus“, berichtet der Leiter Professor Klaus Weigele.

Barock wird gern auch als „Musik gewordene Architektur“ bezeichnet: So bildet passenderweise ein Musikinstrument, die klanglich wie optisch überwältigende Gabler-Orgel aus dem 18. Jahrhundert, die Hauptattraktion Ochsenhausens. Am besten eine Führung mit Organist Thomas Fischer buchen: Er ist ein wandelndes Kompendium und erzählt mit ansteckender Begeisterung. Die historische Sternwarte – ebenfalls aus der Barockzeit – belegt die Bedeutung der einstigen Reichsabtei Ochsenhausens auch als Wissenschaftszentrum.

www.kloster-ochsenhausen.de

Ebenfalls eine imposante Landmarke in der lieblichen oberschwäbischen Landschaft stellt die ehemalige Benediktinerabtei Wiblingen südlich von Ulm dar. Heute sind dort Fachbereiche der Uni untergebracht. Während die Klosterkirche schon die pompöse Strenge des Frühklassizismus atmet, stellt der prächtige Bibliotheksaal einen Triumph des Rokoko dar: also auf keinen Fall verpassen. Am besten eine Führung buchen, denn die Bilderfülle der theologisch-philosophischen Darstellungen des Deckenfreskos von Franz Martin Kuen ist schier überwältigend. So schwebt in dem barocken Himmel dieses Saales über den wissenschaftlichen Büchern in den Regalen (wird noch heute als Präsenzbibliothek genutzt) passenderweise denn auch die Sapientia, die Göttin der Weisheit.

www.kloster-wiblingen.de

Grandioses verbirgt sich in Oberschwaben auch hinter eher schlichten Fassaden: Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Witzighausen etwa liegt mitten in dem gleichnamigen kleinen Ort und ist ein wahres Schatzkästchen des Rokoko. Die Wallfahrt dorthin hat ihre Ursprünge in der Pestzeit des 16. Jahrhunderts.

www.wallfahrt-witzighausen.de

Ganz neu aufgestellt hat sich das Kloster Roggenburg: 1802 mussten die Prämonstratensermönche im Zuge der Säkularisation das Kloster verlassen. 1982 kamen sie wieder, und inzwischen hat der Konvent unter anderem ein Drei-Sterne-Hotel und ein energetisch vorbildliches Bildungszen-
trum auf dem Gelände eröffnet. Sogar ein eigenes Klosterbier in kleiner Stückzahl gibt es. Die barocke Klosterkirche mit der wunderbaren Orgel („Große Roggenburgerin“) und der beeindruckende Klostergarten nach historischen Vorbildern sind ideal zum Schauen, Staunen und Entspannen.

www.kloster-roggenburg.de

Wie mögen sie ausgesehen haben, die grandiosen Meister, die all diese barocken Herrlichkeiten, Bauten, Malereien oder Orgeln, geschaffen haben? In der kleinen Schlosskapelle des Vöhlinschlosses in Illertissen hat sich einer verewigt: der Maler Franz Martin Kuen, der bei Tiepolo in Italien studiert hat. Sein Konterfei prangt im Kuppelfresko neben seinem adeligen Auftraggeber. So können sich Besucher heute zumindest ein Bild von einem der großen Barockmeister Oberschwabens machen.

www.landkreis.neu-ulm-
tourismus.de/museum

Das „B“ steht in Oberschwaben aber nicht nur für den Barock, sondern auch für Bier:

Die Region hat die Tradition der kleinen ländlichen Brauereien vielfach bewahren können. Etwa in Ehingen, das sich auch „BierKulturStadt“ nennt: In der knapp 25.000 Einwohner zählenden Stadt gibt es heute noch fünf historische Brauereien, zum Teil integriert in moderne Hotelbetriebe, wo man Bier verkosten und sich in Workshops sogar selbst als Brauer versuchen kann.

www.ehingen.de

Mehr Informationen über die Region gibt es im Internet unter www.oberschwaben-
tourismus.de sowie www.
himmelreich-des-barock.de.

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