Churfranken Wo der Fluss am schönsten ist

Ganz oben im Nordosten Bayerns, direkt am Main liegt eine romantische Region, der man den Kunstnamen „Churfranken“ gab. Ein perfektes Wandergebiet zwischen Burgen, Schlössern und Klöstern.

 Blick über Miltenberg von der Mildenburg aus: Rechts ist die Stadtpfarrkirche St. Jakobus zu sehen.

Blick über Miltenberg von der Mildenburg aus: Rechts ist die Stadtpfarrkirche St. Jakobus zu sehen.

Foto: Dagmar Krappe/DAGMAR KRAPPE

„Mir hocke da unne und labern“, so babbelt der Bayer in Franken. Besser gesagt in „Churfranken“, denn München ist weit, Würzburg ist nah, aber Hessen ist näher. 25 Städte südlich von Aschaffenburg entschieden sich 2007 für den Kunstnamen „Churfranken“. Das Herz dieses 50 Kilometer langen Landstrichs entlang des Mains schlägt in der Fachwerkstadt Miltenberg, über der die Mildenburg thront.

„Mainzer Erzbischöfe, die zugleich Kurfürsten waren, ließen sie vor 800 Jahren als östliche Grenzsicherung und Zollstelle errichten“, erzählt Gästeführerin Dorothea Zöller: „Sie wurde erweitert, erobert, zerstört, wiederaufgebaut. Bis 1803 gehörte die Gegend größtenteils zum Kurfürstentum Mainz. Dann war sie badisch, hessisch, und seit 1816 ist sie bayerisch. So erschließt sich der neu geschaffene Name „Churfranken“. Auch auf der Burg wechselten die Besitzer. Inzwischen ist sie Eigentum der Stadt und als Museum eingerichtet.“ Landschaftskino gibt es vom Bergfried oder von der Burgterrasse.

Das mittelalterliche Miltenberg erstreckt sich linksmainisch am Rande des Odenwalds, dem Revier von Förster Friedrich Schöffler: „Der Wald am gegenüberliegenden Fluss­ufer ist der Spessart. Einst waren beide Höhenzüge ein zusammenhängendes Gebirge, bis der Fluss ein Tal grub.“ In vielen Schleifen schlängelt sich der Main bis Mainz, wo er in den Rhein mündet. Zahlreiche Burgen, Klöster und Ruinen säumen den Fluss. Über den Fränkischen Marienweg geht es tiefer in den Odenwald hinein. Ziel der Wanderung ist der Gotthardsberg. Hier stehen Reste einer klösterlichen Basilika. „Die frühere Burg wurde auf Beschluss Kaiser Friedrich I.
Barbarossa im 12. Jahrhundert geschleift, da vermutlich Raubritter ihr Unwesen trieben“, berichtet Dorothea Zöller: „Später entstand ein Zisterzienserinnenkloster. Es fiel aufständischen Bauern zum Opfer. Die wiederaufgebaute Kirche brannte durch einen Blitzeinschlag aus.“

 Der Fränkische Rotweinwanderweg führt unter anderem an der Weinlage Großheubacher Bischofsberg vorbei.

Der Fränkische Rotweinwanderweg führt unter anderem an der Weinlage Großheubacher Bischofsberg vorbei.

Foto: Dagmar Krappe/DAGMAR KRAPPE

Am Tag darauf beginnt die Tour zunächst wieder auf dem Fränkischen Marienweg. Diesmal rechtsmainisch durch den Spechtswald, den Spessart. Zwei Kreuzwege mit steinernen Bildtafeln führen auf eine Anhöhe zum Kloster Engelberg hinauf. „Anfangs wurde dem Erzengel Michael eine einfache Holz- später eine steinerne Kapelle gewidmet“, informiert Zöller: „Erscheinungsberichte machten die Runde, und die Zahl der Wallfahrer wuchs. Deshalb ließ der Mainzer Erzbischof und Kurfürst um 1630 ein Kloster errichten.“ Vom Winzerort Großheubach führen 612 ausgetretene Treppenstufen, die „Engelsstaffeln“, zum Kloster hinauf. Mehrere kleine Kapellen mit Passions-Szenen und Kreuzwegstationen säumen die „Himmelsstiege“.

Auf dem Fränkischen Rotweinwanderweg geht es zurück Richtung Miltenberg. Silvaner ist der Weißwein Frankens. Doch in dieser Gegend ist jeder zweite Rebstock ein roter Spätburgunder. Historisch wird es noch einmal auf einem Abstecher zum Bullauer Berg. „Typisch für diese Region ist Buntsandstein“, erklärt Friedrich Schöffler: „Im frühen Mittelalter lebte man von der Herstellung von Gegenständen aus diesem roten Stein. Er wurde an Ort und Stelle gebrochen und bearbeitet. Es entstanden Sarkophage, Mühlsteine, Säulen für Kirchenbauten.“ Fehlerhafte oder nicht mehr benötigte Teile blieben einfach liegen. Wie die mächtigen sieben Meter langen und mehr als einen Meter breiten „Heunesäulen“. Sie waren vermutlich für den Mainzer Dom bestimmt, der vorwiegend aus dem Gestein vom Main gefertigt ist. „Heune“ leitet sich von Hüne ab. Der Name stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert. Da die Entstehung der Steine unbekannt war, wertete man sie als Spielzeuge eines Riesen.

Das Mainzer Tor ist der Eingang zur Miltenberger Altstadt. Zusammen mit dem Würzburger Tor im Osten begrenzte es mit einer drei Kilometer langen Stadtmauer eine blühende Stadt. „Denn Miltenberg lag verkehrsgünstig an vielbefahrenen Handelsstraßen und am Main. Buntsandstein, Holz, Wein und Fisch waren die Handelsprodukte“, sagt Dorothea Zöller: „Im 30-jährigen Krieg erwies sich die gute Lage allerdings als ungünstig. Truppendurchzüge brachten Plünderungen, Brände, Mord und Seuchen.“ Trotzdem haben viele Fachwerkhäuser und Gässchen die Jahrhunderte überdauert.

Ein typischer Winzerort ist der Endpunkt des Fränkischen Rotweinwanderwegs: Bürgstadt. Zu beiden Seiten des Mains leuchten pralle Reben von den Terrassen des „Centgrafenbergs“, des „Hunds­rücks“ und der „Mainhölle“. Wer die Wanderung kulturell ausklingen lassen möchte, besichtigt die alte Martinskapelle mit einer in 40 Medaillons dargestellten Bilderbibel. Sie zeigt Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, das so auch Leseunkundigen vermittelt werden konnte. Wer lieber oder danach Kulinarik bevorzugt, der begibt sich in eine „Häcke“. Dies sind die saisonal geöffneten Wirtschaften der Winzer, in denen sie ihren eigenen Wein ausschenken. Und bei einem churfränkischen Spätburgunder lässt es sich so herrlich „labern“.

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