Cannstatter Kirmes Der Fight Club von Stuttgart

Stuttgart · Freiwillig in den Ring steigen und sich vermöbeln lassen? - Dieses zweifelhafte Vergnügen gibt es nicht nur im Film. Bei Charly Schulz ziehen Kirmesbesucher täglich die Boxhandschuhe an in der Hoffnung, schnell ein paar Hunderter zu verdienen.

Cannstatter Wasen: Die Boxbude von Charly Schulz
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Die Boxbude von Charly Schulz in Cannstatt

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Es läuft für Charly Schulz. "Money, Money, Money", schreit er in sein Mikrofon. "Das versteht ihr alle!" Zu dem jungen Mann vor ihm sagt er: "Wenn du meinen Mann in zwei Runden K. o. schlägst, dann bekommst du 200 Euro. Money! Cash!"

Auf dem Cannstatter Volksfest in Stuttgart, es ist ein lauer Oktoberabend und Hochbetrieb bei Charly Schulz. Der 57-Jährige betreibt eine Boxbude. Wasen-Besucher können hier Boxer herausfordern, die sonst in der Bundes- oder Oberliga kämpfen. Für einen K. o.-Sieg innerhalb von zwei einminütigen Runden gibt es Prämien bis zu 500 Euro, wenn ein Herausforderer fünf Boxer hintereinander besiegt, zahlt Schulz 2000 Euro aus. Arber Bejtu (20) aus Winnenden hat sich freiwillig gemeldet. "Just for fun. Ich will wissen, wie es ist, im Ring zu stehen", sagt er. Auch zwei seiner Kumpel wagen sich ran.

Vor der Boxbude mit dem Namen "Fight Club" ist eine Bühne, gerahmt von Bildern von Box-Ikonen wie Mike Tyson und von üppigen Damen, die in der Formel 1 Boxenluder genannt werden. Schulz verdient auf dieser Bühne sein Geld, hier lockt er Kirmes-Besucher zum Ring hinter der Kulisse.

Wer sieben Euro zahlt, sieht fünf Kirmes-Kämpfe wie die des 20-jährigen Bejtu und seiner Gefährten. Von außen ist der Ring nur bis kurz vor den Kämpfen zu sehen, dann versperrt ein Vorhang die Sicht. Bis zu 400 Leute passen in Schulz' Boxbude. Drinnen können sich die Zuschauer so dicht an den Ring drängen, dass sie ihre Bierbecher auf dessen Rand abstellen können.

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Seit 30 Jahren macht Schulz das. Bis zu zehn Jahrmärkte klappert der Saarländer im Jahr ab. Früher habe es mehr Boxbuden gegeben, heute seien nur noch zwei aktiv, erzählt er. "Wenn man damit Geld verdienen könnte, dann würden es 1000 Leute machen."

Auf der Bühne läuft er auf und ab. Schulz ist ein blonder, kräftiger Mann, dessen weißes Hemd sich um den Bauch spannt. Seine hellblauen Augen zappen durch die Menge, wenn er seine Show anpreist. Wenn er ins Mikro brüllt, färbt sich sein Kopf hellrot. Mit seiner heiseren Stimme schreit er: "500 Euro Prämie! Dann kannste den ganzen Abend Bier ausgeben." Seine Boxer zahlten ihr Geld aus eigener Tasche: "Wenn sie verlieren, haben sie umsonst gearbeitet."

Die Boxbude ist mittlerweile mit rund 200 Gästen recht voll, die Kämpfe laufen. Die zwei Freunde von Arber Bejtu waren die ersten beiden. Schulz' Boxer haben sie vermöbelt, einer krümmt sich und humpelt aus dem Ring. Das Publikum ist nach den beiden einseitigen Kämpfen unruhig, es wird gemurmelt.

Bejtu starrt seinen Gegner an, stürmt auf ihn los und drängt ihn in die Seile. Die Zuschauer johlen, klatschen, lachen. Ein Kumpel ruft: "Gib's ihm! Mach ihn kaputt!" Ernsthaft gefährden kann Bejtu seinen Gegner zwar nicht, doch immerhin hält er zwei Runden durch. "Ich hatte keine Luft mehr. Die Schläge von ihm waren hart, aber ertragbar", berichtet er.

Bei den Kämpfen vier und fünf geht es hoch her. Einmal fällt einer von Schulz' Männern sogar in den Ring, berappelt sich aber wieder. Der Stimmung im Zelt tut das gut. Einer sagt: "Gute Unterhaltung! Die letzten beiden Kämpfe waren vielleicht ein bisschen gefaked." Schulz entgegnet mit ernster Miene. "Hier ist alles echt!" Zugleich räumt er ein: "Ein bisschen Show muss sein..."

Schulz boxte früher selber mit Erfolg, war mehrfacher Saarlandmeister, südwestdeutscher Meister und Profiboxer in den 70er Jahren. Sein Karrierehöhepunkt war, wie er sagt, ein Kampf im Vorprogramm von Muhammad Ali, als der Star auf Deutschland-Tour war. Wegen eines Mittelhandbruchs musste Schulz nach 14 Kämpfen aufhören. Da schon seine Eltern Schausteller gewesen waren, schlug er die Laufbahn in der Boxbude ein. Zehn Jahre lang will er damit noch durch Deutschland fahren.

(dpa)
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