Australien Der Teufel mit den roten Ohren

Tasmanien gilt als Schmelztiegel der Kulturen, als Naturparadies für Wanderer und Outdoor-Liebhaber. Typisch sind die üppigen Regenwälder, die spektakulären Berge und Beuteltiere, die es nur auf Tasmanien gibt – vor allem der vom Aussterben bedrohte Tasmanische Teufel.

 Der 1545 Meter hohe Cradle Mountain ist eine der Sehenswürdigkeiten im Norden Tasmaniens.

Der 1545 Meter hohe Cradle Mountain ist eine der Sehenswürdigkeiten im Norden Tasmaniens.

Foto: Michael Marek

Ruhiges Land mit ein paar bunten Sittichen und schwarzen Krähen darüber. Ein Bachlauf mit fauligem Schwemmholz. Links und rechts des zwei­spurigen schwarzen Asphaltbandes: immergrüne Riesen-Eukalyptusbäume, die ihre Borke schälen. Wir sind unterwegs zum „Trowunna Wildlife Sanctuary“, drei Autostunden von Tasmaniens Hauptstadt Hobart entfernt. Am Eingang des 37 Fußballfelder großen Parks im Norden der Insel wartet Androo Kelly und begrüßt uns mit einem Teufel auf dem Arm: gedrungener Körper, kurze Beine, schwarzes Fell und spitze Zähne.

Der vierjährige Micktee scheint entspannt zu sein, schaut interessiert und beschnüffelt die Fremden aus dem fernen Europa. Androo Kelly ist auf Tasmanien der Experte, wenn es um Tasmanische Teufel geht. Auf seiner grauen Kappe prangt das Trowunna-Logo. Der „Tassi“ leitet die Tierstation, die sich vor allem dem Schutz sowie der Aufzucht dieser Beuteltierart widmet und sie den Touristen näher bringen will.

Der Tasmanische Teufel ist das größte fleischfressende Beuteltier der Welt, seine Beißkraft ungeheuerlich und in Relation zur Körpergröße etwa so stark wie die eines Tigers. Wenn er läuft, dann scheint es, als könne er den Schädel kaum gerade halten. Tasmanische Teufel sind hyperaktiv und extrem neugierig. Plötzlich färben sich Micktees Ohren feuerrot. „Er ist aufgeregt“, erklärt Kelly. Wir nehmen einen unangenehmen Geruch war, den Micktees Körper verströmt. Passt ihm etwas nicht, fragen wir uns? Sind wir ihm zu nahe gekommen?

 Androo Kelly ist Direktor des 1979 gegründeten Wildlifeparks im Norden Tasmaniens.

Androo Kelly ist Direktor des 1979 gegründeten Wildlifeparks im Norden Tasmaniens.

Foto: Michael Marek

Einen Tasmanischen Teufel in freier Wildbahn zu Gesicht zu bekommen, ist eher unwahrscheinlich. Die bis zu zwölf Kilogramm schweren und bis zu 60 Zentimeter langen Raubbeutler sind bevorzugt im Dunkeln unterwegs und mit ihrem schwarzen Fell nachts kaum auszumachen. Ihr aggressiv klingendes, heiseres Fauchen brachte ihnen einen schlechten Ruf ein – zu Unrecht, erklärt uns Kelly.

Die ersten Europäer ängstigten sich vor dem Beutelteufel, als sie fasziniert das wilde, grüne Tasmanien erkundeten und nachts ein wildes Kreischen vernahmen. Als gute Christen glaubten sie, den Herrn der Finsternis höchstpersönlich zu hören. Doch tatsächlich war es nur der kleine Beutelteufel, der nach Sonnenuntergang auf Nahrungssuche war. Auch die britischen Kolonialisten Anfang des 19. Jahrhunderts fürchteten sich vor dem Kreischen der Tasmanischen Teufel, betrachteten sie fälschlicherweise als lästige Hühnerdiebe und stellten ihnen mit Fallen und Gift nach – mit dem Ergebnis, dass die Spezies fast ausgerottet wurde. Heute ist der Tasmanische Teufel über alle Ländergrenzen hinweg ein Begriff.

 Tasmanischer Teufel

Tasmanischer Teufel

Foto: Michael Marek

Im Trowunna Wildlife Sanc­tuary beginnt Micktee langsam zu knurren. Für uns mag das aggressiv klingen, erklärt Androo Kelly, aber das sei es überhaupt nicht, sondern vielmehr eine ganz normale Kommunikation. Kelly ist und war so ziemlich alles: Erlebnispädagoge, Wildnis-Experte, Spezialist und Retter für Tasmanische Teufel. Der schlanke, großgewachsene Endfünfziger mit Rauschebart und langen Haaren ist heute Direktor, des 1979 gegründeten Wildlifeparks im Norden Tasmaniens.

Umgeben von Eukalyptuswald und Weidelandschaft ist die Tierstation ein Zufluchtsort für Tasmanische Teufel. Denn die Spezies ist stark gefährdet. 1996 wurde erstmals die für Beutelteufel typische Gesichtskrebserkrankung dokumentiert. Bei der „Tasmanian Devil Facial Tumour Dis­ease“ werden Tumorzellen durch Bisse und anschließend durch Speichel von einem Tier auf das nächste übertragen. Normalerweise breiten sich Krebs­zellen nur im eigenen Körper aus: Dann wachsen Metastasen zum Beispiel in der Lunge, im Gehirn, in der Leber oder in den Knochen. Doch der Krebs der Tasmanischen Teufels macht eine Ausnahme: Er ist ansteckend, allerdings nur für die Spezies selbst. Menschen oder andere Tierarten werden nicht infiziert. Durch diesen Gesichtskrebs werden die Tasmanischen Teufel grässlich entstellt. Viele Tiere verenden qualvoll, weil sie wegen der Geschwülste in Mund und Rachen nicht mehr fressen können, erklärt Kelly.

 In freier Wildbahn begegnen Menschen selten einem Tasmanischen Teufel. In Wildlifeparks wie Trowunna dagegen schon.

In freier Wildbahn begegnen Menschen selten einem Tasmanischen Teufel. In Wildlifeparks wie Trowunna dagegen schon.

Foto: Michael Marek

Wildlife Parks wie „Trowunna“ widmen sich der Aufzucht von gesunden Tieren und können etliche Erfolge bei ihrer Auswilderung vorweisen. Gleichzeit aber sorge der Mensch mit seinem Verhalten dafür, dass Tierarten in der freien Natur vom Aussterben bedroht sind, resümiert Kelly: „In Tasmanien werden jeden Tag viele Tiere auf den Straßen überfahren. Roadkill nennen wir dieses Phänomen. Damit einher geht die Frage: Tun wir das Richtige, wenn wir gesunde Beutelteufel auswildern?“

Auch auf unserer Fahrt sehen wir ständig tote Tierkadaver – ein Massentöten, das zum tasmanischen Alltag gehört. Überall am Straßenrand liegen tote Kängurus, Possums, Wombats und Tasmanische Teufel. Laut offiziellen Statistiken werden knapp 300.000 Tieren jährlich überfahren, und die Beutelteufel sind als Aasfresser doppelt gefährdet, denn sie überqueren nicht nur nachts die Straßen, sondern nehmen die getöteten Tiere als dankbare Nahrungsquelle an. Wird das angefahrene Tier nicht weggeräumt, ist der Beutelteufel schnell das nächste Roadkill-Opfer.

Der Tasmanische Teufel ist vom Aussterben bedroht
Foto: Michael Marek

Androo und sein Team haben eine eigenes Auswilderungsprogamm entwickelt. Jungtiere, deren Mütter überfahren wurden, finden mit etwas Glück über Tierärzte und Park-Ranger in Trowunna ein neues Zuhause. Am Anfang erhalten sie Zuwendung, Streicheleinheiten und eine eigens auf sie abgestimmte Milchmischung. Streicheleinheiten, sagt Kelly, seien von großer Bedeutung, denn so werde das Immunsystem der Beutelteufel gestärkt. In dieser Phase sind die Jungtiere sehr menschenorientiert.

Am Ende des Besuchs ist Androo Kelly vor allem eine Botschaft wichtig: Entgegen seines Namens sind Beutelteufel eine ruhige Spezies, sie sind vor allem Einzelgänger, leben relativ friedlich nebeneinander und vermeiden Konfrontation. Beim Fressen werden sie allerdings „gesellig wie Geier“, deren ökologische Funktion sie auf Tasmanien erfüllen: „Mir geht es darum, die andere Seite des Tasmanischen Teufels zu zeigen. Er ist entgegen seines Namens ein sehr scheues, ja, sensibles Tier.“

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