Oman Dein Rauch komme

Muscat · Am 6. Januar ist Dreikönigstag. Laut Bibel brachten Caspar, Melchior und Balthasar Weihrauch nach Bethlehem. Kamen sie aus dem Oman? Das reiche Sultanat, einst Weihrauchquelle der ganzen Welt, exportiert „Gottes Parfum“ bis heute.

 Per Kamel brachten Weihrauchhändler bereits vor gut 2000 Jahren das wertvolle Harz nach Europa.

Per Kamel brachten Weihrauchhändler bereits vor gut 2000 Jahren das wertvolle Harz nach Europa.

Foto: Stephan Brünjes

Zuerst ist da dieser Geruch: Etwas beißend, leicht süßlich, startet er sofort das Kopfkino: mit Bildern eines Pfarrers, der ein qualmendes Messinggefäß schwenkt, mit entweichenden Rauchschwaden, die durchs Kirchenschiff ziehen. Ein katholischer, deutscher Gottesdienst vorm inneren Auge – dabei stehen wir mitten im Markttreiben der omanischen Hauptstadt Muscat. Widerstand gegen diese von der Nase ausgelösten Eindrücke ist zwecklos, signalisiert das Gehirn: Dein Rauch komme, sein Wille geschehe!

Der Rauch strömt im engen, dunklen Souk zwischen T-Shirt-Ständen, Silberschmuck und Wasserpfeifen aus faustgroßen, zipfelmützenartigen Tongefäßen mit kunstvoll geformten Öffnungen. „Wieruch, Wieruch“, ruft der dahinter kauernde Händler in gebrochenem Deutsch, „trrii Rial, only trrii Rial“ und zeigt auf kleine Päckchen mit kandiszuckergroßen Weihrauchstücken. Drei Rial sollen sie kosten, umgerechnet etwa sechs Euro. Fahad, unser Führer und Fahrer durch eine Woche Oman schlendert einfach weiter. Weihrauch ist woanders billiger und besser.

So gerät Omans National-Geruch für eine Weile aus dem Blickfeld – auch, weil sich ein Mann ständig hinein drängelt: Sultan Qaboos Al Said. Mal gütig, mal mahnend, schaut der ehemalige absolutistische Herrscher seine Untertanen von Wimpeln und Geldscheinen an. 1970 übernahm er einen abgeschotteten, verarmten Winkel rechts unten auf der arabischen Halbinsel, etwas größer als Deutschland. Nur elf Kilometer asphaltierte Straße gab es damals im Oman, ein Krankenhaus, drei Koranschulen, 98 Prozent Analphabeten, Sonnenbrillen- und Radioverbot. Heute können fast 90 Prozent der omanischen Männer und 70 Prozent der Frauen lesen und schreiben, bestens ausgebaute Straßen führen auch in entlegene Dörfer. Steuern? Gibt’s nicht. Noch verdient der Staat genug an Öl und Gas. Seit 2020 regiert Qaboos‘ Cousin Haitham bin Tarik Al Said als Nachfolger des verstorbenen, ewigen Sultans.

 Der französische Parfumeur Guy Robert erschuf das Parfum Amouage, das im Oman produziert wird.

Der französische Parfumeur Guy Robert erschuf das Parfum Amouage, das im Oman produziert wird.

Foto: Stephan Brünjes

Dessen Ideen leben weiter im Oman: Etwa die vom besonders betörenden Duft, den Qaboos in Auftrag gab. Er ließ Guy Robert einfliegen, einen der besten französischen Parfumeure, üblicherweise in Diensten von Chanel oder Dior. Sein wohl ungewöhnlichster: „Erschaffe das teuerste Parfum der Welt, Geld spielt keine Rolle, aber omanischer Weihrauch muss drin sein!“ Ein Jahr lang experimentierte Guy Robert, mixte Weihrauch solange mit Zedernholz, Koriander, Rosen oder Jasmin, bis „Amouage“ herauskam, bis heute produziert in einer für Besucher offenen Fabrik am Rande von Muscat.

Weiter ins Landesinnere, aufs 2000 Meter hohe Gebirgsmassiv Jebel Akhdar. Bergketten wie staubige XXL-Geröllhalden und mittendrin die alte Hauptstadt Nizwa mit entwaffnend gastfreundlichen Omanis. Ibrahim Al-Remal Al-Daphia etwa spricht gut Deutsch, hat Ex-First Lady Bettina Wulff mal Weihrauch verkauft – zu sehen auf einem Foto im Tante-Emma-Laden des Händlers. Bettina Wulff wird das Päckchen mit beigefarbenen Stücken sicherlich anders verwendet haben als omanische Frauen. Sie raffen ihre langen Gewänder kurz knöchelhoch, lassen aus Weihrauch-Stövchen Rauch aufsteigen, bis er an Kopf und Schultern herausquillt. „Wenn wir Allah begegnen, wollen wir gut riechen“, sagt die 29-jährige Wafaa, eine der wenigen omanischen Frauen, die auf offener Straße mit Besuchern spricht: „Wir bedampfen auch unsere Häuser drinnen mindestens einmal täglich mit Weihrauch – das vertreibt Insekten und böse Geister.

Bei Salalah, im äußersten Westen führt Fahad auf ein Hochplateau zu ein paar kaum drei Meter hohen, knorrigen Bäumen namens „Boswellia Sacra“. Fahad ritzt den Stamm mit einem Spatel vorsichtig ein. Heraus quellen weiße, milchige Harztropfen und gerinnen. „Der erste, aber nutzlose Weihrauch“, erklärt Fahad, „die Besitzer der Bäume schaben ihn nach ein paar Tagen ab und ritzen den Baum erneut.“ Das dann austretende, beigefarbene Harz wird ebenfalls von der „Baumwunde“ abgeschnitten und in Stücken zum Trocknen in die Sonne gelegt. Nach drei Wochen wird dieser Weihrauch im Souk verkauft – zum Verbrennen auf Glühkohle im Stövchen. Der dritte Weihrauchschnitt – mal silbrig, mal grün schimmernd – ist der edelste und wird von den Omanis in Wasser eingelegt getrunken. Das soll gegen Halsschmerzen helfen, die Liebeskraft steigern und Kindern bessere Schulnoten bescheren.

 Weihrauch wird im Oman vielerorts angeboten.

Weihrauch wird im Oman vielerorts angeboten.

Foto: Stephan Brünjes

Kein Wunder, dass Weihrauch-Händler schon vor gut 2000 Jahren zu den reichsten Menschen der Welt zählten. Ihr Harz war damals begehrter als Gold und heiß ersehnt in griechischen und römischen Tempeln, in Ägypten oder Babylon. Allein ins Römische Reich kamen per Kamel über die sogenannte Weihrauch-Straße 3000 Tonnen Weihrauch jährlich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort