Für die schönste Zeit des Jahres „Coolcation“ – Das steckt hinter dem neuen Urlaubstrend
Analyse | Düsseldorf · Monschau statt Mallorca, Spitzbergen statt Sizilien? Das Reisemagazin Condé Nast Traveler hat zu Beginn des Jahres „Coolcation“ als einen großen Tourismustrend des Jahres ausgemacht. Was ist dran an der These?
Coolcation beschreibt einen neuen Trend. Die Menschen verbringen ihren Sommerurlaub wegen des überhitzten Klimas nicht mehr im warmen Süden, sondern eher in kühleren, nördlichen Regionen. Als Beispiel wird etwa Skandinavien genannt. Zwei Drittel des Sommers sind vorbei. Hat sich der Trend bestätigt?
Auf den ersten Blick hat sich das Urlaubsverhalten der Deutschen in diesem Jahr nicht stark verändert. Die beliebtesten Länder für den Urlaub im Ausland sind wie seit Langem Italien, Spanien und Griechenland, die alle mit warmem Klima, Stränden und gut ausgebauter touristischer Infrastruktur locken. Allerdings machen gerade in diesem Sommer Warnungen vor Hitzewellen in Italien oder Griechenland die Runde. Grund zum Umdenken?
„Der Trend Coolcation ist an sich nichts Neues“, meint Tourismusforscher Dirk Reiser. In Australien würden mehr Menschen die heißen Sommermonate auf der Insel Tasmanien verbringen, da das dortige Klima wesentlich kühler sei als auf dem Festland.
Ein ähnlicher Trend zeichnet sich auch für Europa ab. Bemerkenswert ist, dass nach Corona vor allem Skandinavien, aber auch Deutschland eine steigende Zahl an Übernachtungen verbuchen konnte. Es sind vor allem die Camper zu diesen Zielen aufgebrochen. Auch Alaska sowie Kreuzfahrten in die Polargebiete werden seit einigen Jahren immer beliebter.
Liegt das nur am immer wärmer werdenden Klima? Nicht nur, meint Reiser, in den vergangenen Jahren habe es auch eine kulturelle Veränderung gegeben. Das Interesse, sich von der Masse abzuheben, weniger frequentierte Orte wie die unberührte Natur in den skandinavischen Ländern zu besuchen, sei gestiegen.
Viele Reisende würden sich auch umwelt- und naturbewusster verhalten und auf Aktivitäten wie Wander- oder Campingurlaub umsteigen. Camping wird nach Ansicht von Touristikexperten gerade nach Corona immer populärer, da eine wachsende Zahl von Menschen nach Unabhängigkeit strebt. Auch der „Last-Chance-Tourism“ spielt danach eine Rolle. Viele Menschen wollen Naturdenkmäler wie Gletscher vor ihrer Zerstörung durch den Klimawandel ein letztes Mal bewundern.
Eine Gefährdung der Natur in Nordeuropa durch eine steigende Zahl an Touristen ist nicht zu befürchten. Die Länder wissen genau um den Wert ihrer Natur als Tourismusmagneten und haben bereits Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von unachtsamem Umgang mit Tieren und Pflanzen erlassen.
Man könnte meinen, dass der Wandel im Tourismussektor die südeuropäischen Ziele möglicherweise vor Probleme wie sinkende Buchungszahlen stellen könnte. Doch dies sei, so Tourismus-Experte Reiser, nicht der Fall: Der Trend werde in Zukunft eher dahin gehen, im Winter in den Süden zu fahren, um dem schlechten Wetter zu entkommen und im Sommer zu Hause zu bleiben oder nach Norden auszuweichen. Denn die höheren Temperaturen in Spanien oder Griechenland sind künftig kaum noch auszuhalten.
Hier bietet sich auch eine Chance für den Tourismus in NRW: Die nordrhein-westfälischen Urlaubsregionen Sauerland, Eifel und Münsterland beispielsweise könnten die Trends hin zu mehr Natur, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit gut bedienen. Dafür spricht ein gut ausgebautes Netz an Wanderwegen, Campingplätzen und Radwegen, so Tourismus NRW. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Die Campingplätze in NRW berichten erneut über stark gestiegenes Interesse in den ersten Monaten des Jahres 2024. Auch der Wunsch nach Urlaub in Deutschland ist allgemein gestiegen. Statistiken belegen einen Rekordzuwachs an Übernachtungen in den ersten beiden Quartalen 2024. Coolcation ist somit kein Trend, der sich über ein Jahr erstreckt, sondern viel mehr eine Entwicklung, die uns über die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird.