Jenseits von Venedig Bunt, bunter, Burano

Weit genug entfernt vom Trubel der oft erdrückend geliebten Serenissima hat sich eine kleine Insel in der Lagune ihr Eigenleben bewahrt: mit bonbonfarbenen Fassaden, vornehmer Spitzenkunst und einer Fischküche vom Feinsten.

 Boote gibt es in Burano vor den Häusern mit den bunten Fassaden viele, doch Fischer nur noch wenige.

Boote gibt es in Burano vor den Häusern mit den bunten Fassaden viele, doch Fischer nur noch wenige.

Foto: Bernd Schiller

Hätten wir auf Burano das Risotto mit dem Gó-Fisch verpasst, wenn uns Sergio, der Rezeptionist unseres Lieblingshotels drüben in Venedig nicht empfohlen hätte, in der Osteria „Al Museo“ diesen lokalen Klassiker zu probieren (sein Freund, der Koch, war früher sein Kollege)? Wären wir achtlos an der kleinen Dependance von Emilia‘s Klöppelprodukten in der Via San Martino vorbei gelaufen, von der uns die nette Studentin erzählt hatte, mit der wir in der kleinen Trattoria in der Nähe der Seufzerbrücke ins Gespräch gekommen waren? Und hätten wir womöglich am späten Nachmittag den Aperol Spritz nicht dort geschlürft, wo er Kult geworden ist, nämlich in der „Pescaria Vecia“ mit Blick auf die letzten Sonnenstrahlen über der offenen Lagune von Venedig ?

Ach nein, es waren letztlich nichts als wunderbare Zufälle, die uns an diese und andere Orte auf Burano geführt haben. Aber auch ohne sie hätten wir wohl gefunden und genossen, was auf diesem Inselchen sehens- und erlebenswert ist: den Gó aus der Familie der Grundelfische so gut wie die Merletti, die Spitzenprodukte von Emilia Burano; von ihr wird noch zu reden sein. Und zum angesagten Sundowner mussten wir nur den Grüppchen junger Leute nachlaufen, die von der Piazza Baldassarre Galuppi ein paar Schritte nach Westen strebten, der Trattoria im ehemaligen Fischmarkt entgegen, auf Lagunen-Venezianisch „Pescaria Vecia“.

Die Insel Kunterbunt ist klein, sehr klein: 675 Meter lang, 475 breit, von 2700 Menschen besiedelt, Typen, Charakteren, Originalen: Fischern, Eisverkäufern, Klöpplerinnen der besonderen Art, Wirten, Kellnerinnen, Kajakvermietern, Kunsthandwerkern und Lebenskünstlern.

Nicht zu vergessen: die Handvoll Carabinieri , die sich in der alten Polizeiwache neben der Kirche langweilt. Und bunt ist Burano, so knallbunt wie kein anderer Ort im ohnehin sehr farbenfrohen Italien.

Die Durchgänge in Burano sind oft schmal und niedrig, aber mit Drängelei ist kaum zu rechnen.

Die Durchgänge in Burano sind oft schmal und niedrig, aber mit Drängelei ist kaum zu rechnen.

Foto: Bernd Schiller

Aber warum leuchten die Häuser entlang der kleinen Kanäle in so grellen Farben? Keiner weiß es genau, und deshalb ist der Strauß der vermeintlich erklärenden Legenden so bunt wie die Fassaden. Die gängigste geht so: Weil es oft neblig ist in der Lagune, habe man die Häuser zum Leuchten gebracht, damit die Fischer ihren Weg nach Hause finden. Mio dio, was für ein Unsinn, sagt Giovanni, einer der letzten Bootsführer. Es war doch ganz simpel, viel einleuchtender als heimleuchtender: Als vor zwanzig oder dreißig Jahren der erste Hausbesitzer seine Fassade rot gestrichen hat und sein Nachbar gleich darauf die seine in grellem Blau, folgte einer nach dem anderen dem Gesetz der Serie. Jeder versuchte andersfarbig zu glänzen und sich und einen Besitz im stets leicht gewellten Wasser der Kanäle angemessen zu spiegeln. Irgendwann wurden so die Regenbogen-Häuser zum Markenzeichen – bunt, bunter, Burano.

Auf alles, was vordergründig zählt auf dieser Insel, stößt man bei einem gemütlichen Rundgang nahezu unweigerlich: hier, meist fotografiert, die „Tre Ponti“, die Kreuzung der drei Brücken, die bei näherem Hinsehen nur zwei sind, dort das Denkmal des in alten Zeiten so gut wie weltberühmten Komponisten Galuppi auf dem nach ihm benannten zentralen Platz. Es wird allerdings bei weitem nicht so oft gepostet wie nebenan die Kirche San Martino, genauer: deren schiefer Glockenturm. Er ist schon vom Anleger aus zu sehen und in etwa so geneigt wie der von Pisa, aber ganz ohne Drängelei zu bestaunen.

Einen Katzensprung vom Schiefen Turm entfernt lohnt das „Museo del Merletto“ einen Besuch. In einem ehemaligen Adelspalast zeigt es die Geschichte und die einmalige Methodik der hiesigen Spitzenstickerei, für die Burano seit dem 16. Jahrhundert in vielen feinen Häusern Europas berühmt war. Noch immer wird auf ganz besondere Art gestichelt und geklöppelt, zumeist von alten Frauen in mühsamer Heimarbeit. Ihre Arbeiten sind das beliebteste Mitbringsel aus Burano, wunderschön und deshalb ihren auf den ersten Blick hohen Preis wert.

Wenn gut gegessen und die wesentlichen Attraktionen bestaunt wurden, macht es Spaß, ziellos über die Plätze und durch Gänge oder Gassen zu schlendern. Und auf einmal steht man im Hinterhof des Inselchens. Vereinzelt beginnen die Bewohner auch hier, ihre Häuser anzumalen. Noch aber werden vor allem, sehr italienisch, vor der Tür Tomaten angebaut, die Wäsche aufgehängt und beim Schwätzchen die Politik in Rom erörtert. Was dort gerade wieder passiert, so sagen die meisten Insulaner, ist selbst ihnen, die es doch so farbenfroh lieben, denn doch zu bunt.

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