Italien Knallbunt in der Lagune

Die bunten Häuserfassaden haben die Insel Burano in den vergangenen Jahren zum Instagram-Liebling gemacht.

 Die bunten Fassaden der venezianischen Insel werden von Touristen gerne als Hintergrund für Instagram-Fotos genutzt.

Die bunten Fassaden der venezianischen Insel werden von Touristen gerne als Hintergrund für Instagram-Fotos genutzt.

Foto: Sascha Rettig

Burano hat zwei Gesichter – und um die zu sehen, muss man sehr früh auf der Insel sein. Vor allen anderen. Am besten übernachtet man gleich dort. Denn dann kann man zum Sonnenaufgang durch die Gassen und entlang der Kanäle spazieren und teilt sie nur mit den Einheimischen: die roten, grünen, blauen und knallgelben Häuserfassaden, die so furchtlos grell im Sonnenlicht strahlen und damit jede Menge Besucher auf die Insel ziehen. Burano liegt eine Dreiviertel-Bootsstunde nordöstlich von Venedigs Hauptinsel.

In dieser Kulisse sind die Insulaner frühmorgens mit den Alltäglichkeiten des Insellebens beschäftigt. Eine Frau hängt Wäsche auf. Eine andere fegt den Gehweg. Ein paar alte Männer treffen sich auf einen ersten Espresso. Der Duft von Frischgebackenem liegt in der Luft. Hin und wieder fahren im Kanal Boote vorbei und werfen ein paar Wellen auf. In den kleinen Läden, Cafés und Restaurants bereitet man sich auf den Tag vor. Noch ist es ziemlich still.

Doch die Ruhe ist trügerisch. Denn mit den ersten Wasserbussen aus Venedig ändert sich das: Dann ziehen sich die Insulaner, die nicht irgendwo zur Arbeit ausgeströmt sind, hinter die bunten Vorhänge vor ihren Türen zurück und überlassen den Besuchern ihr Eiland. Mit Venedig und dem Wahnsinn zwischen Markusplatz und Rialto-Brücke ist dieser Ansturm natürlich nicht vergleichbar.

Trotzdem kann es an den besonders fotogenen Stellen schon mal so voll werden, dass man zwischen Selfie-Sticks und für Fotos besonders exaltiert posierenden Asiaten Slalom laufen muss. Burano ist durch seine vielen bunten Hausfassaden in den vergangenen Jahren schließlich zu einem Instagram-Hotspot geworden – mit dem fotoexzessiven Epizentrum auf der Tre Ponti Brücke. „Rund 5000 Touristen kommen pro Tag – das sind doppelt so viele, wie Burano Einwohner hat“, erklärt Reiseführerin Silvia Zanella, die auf Burano geboren wurde.

 Burano ist für seine Spitzenstickereien bekannt. Auch heute wird das traditionelle Handwerk noch ausgeübt.

Burano ist für seine Spitzenstickereien bekannt. Auch heute wird das traditionelle Handwerk noch ausgeübt.

Foto: Sascha Rettig

Nicht immer waren die Häuser so bunt leuchtend angemalt. „Früher waren sie mal pastelliger. Seit den 1960ern allerdings sind die Farben intensiver“, fügt sie hinzu. Das sollte den Fischern helfen, die Insel auch im Nebel besser zu sehen. Außerdem markieren die kontrastreichen Farben benachbarter Häuser mit präzisem Strich die Grundstücksgrenzen. „Gärten waren ungewöhnlich, stattdessen verbrachten die Menschen die Zeit vor ihrem Haus und so war klar, wie weit das eigene Grundstück und der Bürgersteig davor reichten“, sagt Silvia, die in einem orangenen Haus in einer Nebengasse lebt.

Einst war Burano eine arme Insel, deren Einwohner vor allem von der Fischerei lebten. Noch immer ist hier fast die Hälfte der Männer Fischer. „Meist fahren sie noch immer nachts raus, um in der Lagune Muscheln, Krebse und Fische zu fangen“, erklärt die Fremdenführerin. Abgesehen davon ist Burano aber für die traditionelle Spitzenstickerei das, was Murano für die Glasbläserei ist. „Diese Tradition wurde im
16. Jahrhundert aus einem Zeitvertreib adliger Frauen geboren, denn Spitze war damals in Mode. Später haben es auch die einfacheren Frauen übernommen – und beibehalten.“

1872 wurde sogar eine „Scuola Merletti di Burano“, eine Schule für die Spitzenstickerei eröffne, 1970 aber geschlossen. Heutzutage befindet sich ein Museum darin, wo die Tradition wieder von Frau zu Frau, von Generation zu Generation weitergegeben wird. Im Laden von Martina Vidal kann man einigen Frauen beim filigranen Sticken zuschauen. „Heute gibt es noch ungefähr 100 Stickerinnen auf der Insel – die Jüngste ist gerade einmal Anfang 20“, erklärt Vidal bei einer Besichtigung des kleinen Museums in ihrem Spitzen-Geschäft.

Nur wenige Gassen und ein paar Brücken weiter kann man dem Touristentrubel selbst auf der kleinen Insel Burano entkommen. Dann ist man auf Mazzorbo und landet in einem ruhigen, ländlichen Teil von Venedig. In dieser Atmosphäre eröffnete Gianluca Bisol vor wenigen Jahren sein Wein-Resort „Venissa“, das noch immer zu den wenigen Wein-Unternehmungen in der Lagune gehört. Er baute es auf einem Landgut auf, das lange leerstand. Zwischen dessen mittelalterlichen Mauern befanden sich über die Jahrhunderte hinweg mal ein Kloster, ein Landwirtschaftsbetrieb und auch schon einmal ein Weingut. Der frühere Besitzer Augusto Scarpa war Ende des 19. Jahrhunderts einer der ersten Önologen Italiens.

Bisol suchte nach weiteren Reben und pflanzte sie im Garten des „Venissa“ an. Aus den Trauben stellt er einen exklusiven Wein mit einem prägnanten Geschmack her – abgefüllt in Flaschen, die von einer Manufaktur auf dem benachbarten Murano mit Blattgold verziert werden. Probieren kann man ihn in dem kleinen Hotel, zu dem auch eine Osteria und ein Restaurant gehören, das einen Michelin-Stern verliehen bekam.

Wenn man nach dem Abendessen auf Mazzorbo noch einmal über die Brücke nach Burano geht, gehört man zu den wenigen Gästen auf der Insel. Ab 18 Uhr, wenn die Touristen wieder mit den Vaporetti zurückgeschippert sind, kommen die Buranelli wieder raus, erzählt Reiseführerin Silvia auf ihrer Tour. Und das sieht so aus: Sie spazieren durch die Gassen, erzählen sich Neuigkeiten, trinken einen Apero. Die Fischer reinigen ihre Netze. In diesem Moment kaum vorstellbar, dass das morgen früh mit den ersten Booten aus Venedig wieder für ein paar Stunden ganz anders sein wird.

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