Brasilien Im Zentrum des Mate

Brasilien pflegt sein Kulturerbe: Rund um den Matetee können Urlauber im Süden des Landes einiges erleben und so auch die Natur schützen.

Matetee ist in Südamerika zum Kulturerbe aufgestiegen. Auch der Tourismus profitiert vom koffeinhaltigen Muntermacher.

Matetee ist in Südamerika zum Kulturerbe aufgestiegen. Auch der Tourismus profitiert vom koffeinhaltigen Muntermacher.

Foto: Martin Höcker

Der tägliche Genuss von Matetee gehört zum Leben der Menschen in großen Teilen Südamerikas so wie bei uns der tägliche Kaffee. Mate wurde schon von den Ureinwohnern Lateinamerikas konsumiert. Das Wort „Mate“ leitet sich von einer Kalebasseart (einem Kürbis) ab, die noch heute als Trinkgefäß dient.

Inzwischen gehört der koffeinhaltige Muntermacher aus den Blättern einer Stechpalmenart sogar zum Kulturerbe und wurde zudem vom Tourismus entdeckt. Nach dem Vorbild seines Nachbarlandes Argentinien hat auch der Süden Brasiliens zahlreiche Erlebnisrouten rund um den Matetee ins Leben gerufen.

Beginnen wir unsere Reise im Bundesstaat Santa Catarina im Süden Brasiliens: Dort hat Anni Scultetus Tokarski ihren kleinen Landsitz Sitio Esmeralda für Touristen geöffnet. Sie können dort in herrlicher Landschaft entspannen und längere Spaziergänge unternehmen. Für die Sportlichen gibt es sogar einen Mountainbike-Parcours.

 Anni Scultetus Tokarski baut Mate-Sträucher an.

Anni Scultetus Tokarski baut Mate-Sträucher an.

Foto: Martin Höcker

Viele kommen auch wegen des Erva Mate, den Anni seit einigen Jahren anbaut. Rund um den kleinen Bauernhof, den sie seit mehr als 20 Jahren mit ihrem Mann zusammen betreibt, hat Anni zahlreiche Mate-Sträucher gepflanzt. Da diese viel Licht, aber auch genügend Schatten benötigen, ist eine abwechslungsreiche Vegetation von Mate-Sträuchern und Pinienbäumen entstanden. Die Gäste können den bitter schmeckenden Tee hier in verschiedenen Zubereitungsformen probieren, selbst für die Küche wird der Tee inzwischen verwendet. „Ich bin dabei, immer wieder neue Rezepte auszuprobieren, neulich habe ich sogar ein Brot mit Erva Mate gebacken. Meine Besucher sind sehr neugierig auf ungewohnliche Speisen.“

Sitio Esmeralda liegt etwa zwölf Kilometer vom Stadtzentrum von Canoninhas entfernt. Die Stadt hat etwa 55.000 Einwohner und wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von europäischen Einwanderern überwiegend aus Deutschland, Italien, Polen und der Ukraine gegründet. Diese profitierten vom Mate-Handel. Heute gilt die Gemeinde als Hauptstadt des Erva Mate. Das lässt sich an den zahlreichen Röstereien für Erva Mate erkennen, von denen einige kostenlose Führungen anbieten.

Während Canoninhas heutzutage eine moderne Stadt ist, sind in dem kleinen pittoresken Nachbarort Marcilio Dias viele Holzhäuser aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert erhalten, auch die Bauweise einiger Holzkirchen zeigt den europäischen Einfluss.

Wer noch mehr über die Geschichte der Region und den Anbau des Matetees erfahren möchte, sollte unbedingt einen Abstecher nach Uniāo da Vitória im Bundesstaat Paraná unternehmen. In der Nähe befindet sich der Geschichtspark Iguassú, ein Freilichtmuseum, das einzigartig Flora, Fauna und Architektur miteinander verbindet. Acht historische Holzhäuser aus Ortschaften in unmittelbarer Nähe sind hier wieder originalgetreu aufgebaut worden. Ihre früheren Besitzer kamen aus Polen, Deutschland, der Ukraine und Italien.

Im Freizeitpark „Miranda dos Bugios“ können Touristen von echten Gauchos das Reiten lernen.

Im Freizeitpark „Miranda dos Bugios“ können Touristen von echten Gauchos das Reiten lernen.

Foto: Martin Höcker

Auch Guido Kretschek, einer der Mitbegründer des Museums, hat deutsche Vorfahren, die um 1900 nach Brasilien auswanderten. Das Haus seiner Familie ist typisch für die deutschen Einwanderer: ein einfaches, schlichtes Holzhaus ohne die sonst typische Veranda. Guido Kretschek erinnert sich: „Als Kind habe ich noch erlebt, dass das Badezimmer außen auf dem Hof war, später wurde es dann im Haus eingerichtet. Nach und nach wurde das Haus immer mehr modernisiert.“ Heute kann dieses und auch die anderen Häuser von Touristen angemietet werden. Im Zentrum des Museums steht eine große Rösterei, in der früher die Mateblätter getrocknet wurden.

Unsere letzte Etappe auf den Spuren des Matetees bringt uns ganz in den Süden von Brasilien, in den Bundesstaat Rio Grande do sul. In der Nähe der Hauptstadt Porto Ale­gre befindet sich der Freizeitpark: „Miranda dos Bugios“, benannt nach einer Affenart, die auf dem Gelände heimisch ist. Viele Freizeitaktivitäten, von der Kanufahrt bis hin zur Baumklettertour sind dort möglich. Doch der Tourismus muss in Einklang mit der Natur stehen, sagt Ademir Domingues, der Eigentümer des Parks: „Wir haben hier ein Gelände von 80 Hektar, das seit 80 Jahren in Familienbesitz ist. Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass die einheimische Fauna und Flora wie zum Beispiel der stark bedrohte atlantische Regenwald erhalten bleibt.“ Der heute 60-Jährige war früher Anwalt für eine große Bank und sieht sich nun „als Anwalt der Natur“, aber nicht als „Fanatiker.“

Die Besucher können direkt auf dem Gelände in einfachen Häusern oder Hütten übernachten und sogar von echten Gauchos das Reiten erlernen. Natürlich gehört das so wichtige Mate-Ritual dazu. Inzwischen hat die Anlage gut 5000 Besucher pro Jahr. Von einer so hohen Zahl von Gästen kann Anni mit der Sitio Esmeralda bislang nur träumen. Einige Pläne, wie ein Übernachtungsangebot, haben sich aber schon konkretisiert. Eine besondere Attraktion wird es auch noch geben: „Die Besucher können bei uns auch einen Mate-Strauch pflanzen, dann wird der Name angebracht und sie können sich nach jeder Ernte den eigenen Tee zuschicken lassen.“ Wenn das nicht eine besondere Form des nachhaltigen Tourismus ist?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort