Storchennester und Biberburgen Brandenburg: Mit Rad und Kanu durch die Prignitz

Lenzen · Die Prignitz ist der äußerste Nordwesten Brandenburgs. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Die Landschaft an der Elbe ist noch ursprünglich. Wer hier Urlaub macht, schaltet sofort einen Gang herunter - und stärkt sich mit Moorhappen.

So schön ist die Prignitz
9 Bilder

So schön ist die Prignitz

9 Bilder

In der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs gehen die Uhren noch anders. Jürgen Herper könnte das bestätigen, wenn er eine Uhr hätte. Hat er aber nicht. Braucht er auch nicht. Der Ranger von der Naturwacht Flusslandschaft Elbe stapft die Böschung hinunter. Auch auf sein Fernglas kann er jetzt verzichten. Herper steht direkt vor einem Biberbau: "Da ist ne ganz starke Truppe drin", sagt er, "sechs Tiere insgesamt." Die Ausmaße des Baus sind von außen kaum zu erkennen: "Die Biberburg ist riesig, zehn Meter lang und drei Meter hoch."

Herper ist mit den Elbebibern quasi per du. "Hier im brandenburgischen Teil des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe gibt es gut 150 Tiere", erzählt er. "Auf dem Tiefpunkt waren es nur noch 50." Mittlerweile fühlen sich die Tiere in der Prignitz wieder richtig wohl. "Ein Grund dafür ist der Mais auf den Feldern", erklärt der Naturschützer. "Mais ist für Biber, was Schokolade für uns ist. Die Jungen werden dadurch kräftig." Ausgewachsene Biber bringen problemlos 45 Kilo auf die Waage.

Wunderschöne Fauna und Flora

Herper schwingt sich aufs Fahrrad. Damit ist er hier zwischen den Elbdörfern am liebsten unterwegs und zeigt Besuchern der Prignitz die Landschaft, in der er groß geworden ist. Graugänse rasten hier jedes Jahr, Saatgänse auch. "Die sind etwas kleiner", sagt Herper. "Und rufen auch anders. Ich wohne an der Elbe und höre das morgens gleich." Scharfgarbe und Löwenzahn blühen am Wegesrand, Sonnenblumen in den Gärten. In den Dörfern gibt es noch riesige Obstgärten und Streuobstwiesen. "Die Bäume sind oft über 100 Jahre alt", erzählt Herper.

Der Ranger ist in Rühstädt, dem Europäischen Storchendorf, zur Schule gegangen und heute dort Bürgermeister. Storchennester sieht man hier auf etlichen Häusern, Rühstädt hat die größte Weißstorchpopulation Europas. Vergangenes Jahr haben 24 Paare dort gebrütet - und noch einmal 30 Paare in den Dörfern der Umgebung. Wenn die eleganten Vögel im Frühjahr einschweben, reisen nicht nur eingefleischte Ornithologen an, um ihnen zuzusehen.

Natur entdecken lässt sich aber auch in Lenzen, wo der BUND in Burg Lenzen ein Besucherzentrum hat. Hinter der Burganlage spiegelt sich die Sonne auf der Löcknitz, einem Nebenfluss der Elbe. Ihr Wasser fließt träge, in der sanften Strömung wiegen sich Wasserpflanzen. An einem Steg liegt die "Biber 2" und ein weiterer Kanadier, mit denen sich die Flusslandschaft erkunden lassen. Susanne Gerstner, die Leiterin des Umweltbildungszentrums auf Burg Lenzen, ist schon eingestiegen. Und keine fünf Minuten später legt die ganze Gruppe ab.

Seerosen und Teichrosen blühen an der Wasseroberfläche. Am Ufer steht Schilfrohr, darüber spielen Libellen in der Luft Fangen. "Die Auwälder sind hier noch so ursprünglich wie früher entlang der ganzen Elbe", sagt Gerstner. "Fischotter und Eisvögel sind hier heimisch." Die Boote gleiten ruhig übers Wasser, das Paddeln mit der Strömung erfordert keine Höchstleistungen und trägt zur Entschleunigung bei.

Am nächsten Morgen steht Gerstners Kollegin Birgit Fehlinks schon vor Sonnenaufgang am Burgtor, bereit zu einem Ausflug ins Rambower Moor. Dort ist nie viel los, aber um diese Uhrzeit ist buchstäblich niemand unterwegs. Fehlinks stapft zwischen Birken und Buchen auf dem Waldweg voran. Über den Weiden liegt noch Nebel, kein Vogelzwitschern ist zu hören, aber Kühe brüllen so laut, dass es fast unheimlich wirkt. Die Dexter-Rinder, die als besonders robust gelten, sind allerdings Nebensache. Fehlinks hat ihre Gäste hierher geführt, weil das Moor bei Rambow einer der größten Sammelplätze für Kraniche in Brandenburg ist. Und die lassen sich am besten am frühen Morgen beobachten.

Tierparadies Moorlandschaft

"Tagsüber suchen sie Futter auf den Äckern", erzählt die Biologin, während sie den Beobachtungsturm hinaufsteigt, von dem aus man einen guten Blick auf die Moorlandschaft hat. Mehrere tausend Kraniche sind dort versammelt, die man zunehmend besser erkennen kann, je heller es wird. Fehlinks reicht ihr Fernglas weiter. Immer mehr Kraniche steigen jetzt in die Luft. Wenn die Sonne aufgegangen ist, sind die meisten von ihnen schon weg.

Birgit Fehlinks hat vorgeschlagen, einen Kaffee in der "Moorscheune" in Boberow zu trinken. Im ersten Stock sitzt man mit Blick durch ein riesiges Panoramafenster auf Wiesen und Wald: "Hier gibt's Kuhkino", sagt der Inhaber Christian Ebner, als er "Moorhappen" zum Frühstück serviert, Mettwurst- und Käsebrot. Von den Biokühen ist aber noch keine zu sehen. Dafür streicht ein Fuchs am Waldrand entlang.

Wer sich mit Moorhappen gestärkt hat, kann problemlos wieder Rad fahren. Birgit Fehlinks steigt schwungvoll in den Sattel und startet Richtung Elbdeich. Kurz darauf zeigt sie auf die Altaue hinter dem Deich und auf die Elbe davor: "Der längste noch frei fließende Strom in Deutschland, das macht ihn zu etwas ganz Besonderem." Wie um ihr recht zu geben, zieht ein Seeadler seine Kreise über dem Fluss. Seeadler sind in der Prignitz so alltäglich wie Spatzen anderswo. "Sie brüten im Auenwald", sagt die Biologin.

Von Schafen und Wildpferden

Auenwald gab es früher zwischen Fluss und Deich auf vielen Kilometern Länge. Durch die Rückverlegung des Deiches soll er sich wieder ausbreiten. Auf 180 Hektar sind bereits Bäume gepflanzt worden, vor allem Ulmen und Eschen, 300 Hektar sollen es einmal werden. Der Wasserstand in der Elbe schwankt stark. "Bei Niedrigwasser geht es auf 1,30 Meter runter, bei Hochwasser auf 7 Meter hoch", erklärt Fehlinks. Dann tritt der Fluss hier auf breiter Front über die Ufer - Frühjahrshochwasser sind in der Prignitz typisch.

Oben auf dem Deich stehen Schafe so dekorativ, als lasse ein Landschaftsmaler sie dort posieren - viel weiße Wolle auf grünem Gras unter blauem Himmel. Aber sie sind nicht einfach nur Hingucker. "Das sind unsere Deichpfleger", erklärt Fehlinks. "Die Grasnarbe muss dicht sein." Die Schafe halten das Gras kurz und treten den Boden fest. Nur wenige Kilometer weiter ist vom Elbdeich aus eine Herde Wildpferde zu beobachten, die einen genauso dekorativen Eindruck machen.

Es sind Herzberger Wildlinge, eine Kreuzung aus skandinavischen Fjordpferden und polnischen Koniks. Die meisten grasen seelenruhig, zwei traben über die Weiden, auf denen keine Zäune ihren Bewegungsdrang ausbremsen und fühlen sich unter dem weiten Himmel der Prignitz genauso wohl wie die Radtouristen auf dem Elbdeich, die ihnen zuschauen.

(dpa/das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort