Tschechien Böhmens Bäderdreieck erstrahlt im alten Glanz

Karlsbad (rpo). Hier kurten sie schon alle: Kaiser, Könige, Dichter und Denker, Staatsmänner, Schöne und Reiche. Sie alle kamen nach Karlsbad, Marienbad und Franzensbad in Westböhmen. Meist kamen Sie nicht in das Bäderdreieck um sich wirklich von irgendwelchen Krankheiten zu erholen, sondern um zu sehen und gesehen zu werden. Als nach 1945 der Eiserne Vorhang die Kurorte absperrte, war es auch mit dem Glanz vorbei. Doch mittlerweile erstrahlt das Bäderdreieck wieder in alter Pracht.

Unterwegs im Bäderdreieck
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Unterwegs im Bäderdreieck

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Foto: Tschechische Zentrale für Tourismus, gms

Nach der "Samtenen Revolution" von 1989 wurde in Karlovy Vary (Karlsbad), Mariánské Lázne (Marienbad) und Franti¨kovy Lázne (Franzensbad) mit der Restaurierung der feudalen Bauten begonnen, die meisten Gebäude erstrahlen heute wieder im alten Glanz. Die deutschen Urlauber schätzen hier die konkurrenzlos niedrigen Preise und die Tatsache, dass die Verständigung auf Deutsch keine Probleme bereitet.

"Marienbad ist weder das älteste noch das größte der berühmten drei Bäder in Westböhmen, aber mit Sicherheit das schönste", schwärmt Maria, die einer Besuchergruppe ihren Heimatort zeigt. "Das Besondere von Marienbad sind die weitflächigen Parkanlagen, die allmählich in Kiefernwälder übergehen und für frische und klare Luft sorgen." Das Wahrzeichen des Ortes ist allerdings die 120 Meter lange Kolonnade. Ihre Leichtigkeit und Eleganz verdankt sie einer filigranen, mehr als 100 Jahre alten Konstruktion aus Gusseisen.

Heilquellen waren schon im Mittelalter bekannt

Schon am frühen Morgen herrscht hier reger Betrieb: Kurgäste holen sich ihre erste Portion Quellwasser aus dem benachbarten Kreuzbrunnen, der drei verschiedene Wässer hervorsprudeln lässt. Mit spitzen Lippen schlürfen sie das Nass aus Schnabeltassen, die an jedem Souvenirstand zu haben sind. Insgesamt gibt es mehr als 40 Quellen in der Stadt. Sie werden nicht nur für Trinkkuren genutzt, sondern auch für Mineralbäder und Inhalationen. Linderung versprechen sie vor allem bei Erkrankungen der Nieren und der Harnwege, bei Stoffwechselstörungen oder Atemwegserkrankungen.

"Die Heilquellen waren zwar schon seit dem Mittelalter bekannt, doch erst im Jahr 1807 wurde auf Initiative des Abtes Karl Kasper Reitenberger vom nahen Stift Teplá und des Arztes Joseph Johann Nehr ein Heilbad gegründet", erzählt die Stadtführerin. Innerhalb kurzer Zeit wurde Marienbad zu einer der "ersten Adressen" des 19. Jahrhunderts. Tief beeindruckt von der rasanten Entwicklung schrieb Johann Wolfgang von Goethe im April 1820 an seinen Sohn August: "Mir war es, als wäre ich in den nordamerikanischen Einsamkeiten, wo man Wälder aushaut, um in drei Jahren eine Stadt zu bauen."

Goethes Liebe und Enttäuschung

Goethe war so begeistert, dass er sich entschloss, im Jahr darauf zur Kur zu kommen. Den Sommeraufenthalt wiederholte er dann noch in den Jahren 1822 und 1823. Dabei lernte er auch die junge Ulrike von Levetzow kennen. Der Dichter war bereits über 70, sie gerade 19 Jahre alt.

Ein inniges Verhältnis entstand, und Goethes ursprünglich väterliche Gefühle vertieften sich bald zu einer leidenschaftlichen Zuneigung. Angeblich gab es nur einen Kuss, und als Goethe um ihre Hand anhielt, bekam er eine Absage. Ulrike, die unverheiratet blieb, tat den berühmten Spruch "Keine Liebschaft war es nicht", und Goethe schrieb zutiefst enttäuscht auf der Rückreise aus Böhmen in der Kutsche das Gedicht "Marienbader Elegie".

Kafka und Wagner ließen sich inspirieren

"Dieses Gedicht ist für Marienbad eine unsterbliche Reklame", freut sich Maria. Auch der preisgekrönte Film des Franzosen Alain Resnais "Letztes Jahr in Marienbad", 1961 im Kurpark gedreht, trug zur weltweiten Popularität des Kurortes bei. "Der vom Gartenkünstler Vaclav Skalnik angelegte Park hat seinen Charme bis heute behalten, und mit etwas Fantasie können Sie die berühmten Kurgäste früherer Zeiten vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen lassen", erzählt Maria.

Neben Goethe war auch Franz Kafka mit seiner Verlobten hier und schwärmte, Marienbad sei "unbegreiflich schön". Richard Wagner, der hier "Lohengrin" und die "Meistersinger" schrieb, wollte aus dem Ort ein zweites Bayreuth machen. Mitglieder der russischen Zarenfamilie weilten ebenfalls oft in Marienbad, König Edward VII. von England kam neun Mal zur Kur. Er nahm im palastartigen "Hotel Weimar" Quartier, dessen Fenster heute blind sind und das auf eine Renovierung wartet.

"Nove Lázne", das Neue Bad, wurde einst als prunkvolles Badehaus errichtet, erfahren die Teilnehmer des Stadtrundgangs. Damals hatten die Hotels keine eigenen Bäder, und die Kurgäste kamen in die Badehäuser. Vor einigen Jahren wurde das Gebäude zum Hotel umgebaut, die historischen Bäder blieben aber erhalten und stehen auch Nicht-Hotelgästen zur Verfügung. Nur zu besichtigen ist allerdings die "Kaiserkabine", die mit ihrem arabischen Stil an ein Märchen aus 1001 Nacht erinnert. In der nicht weniger üppig ausgeschmückten "Königskabine" können sich zahlende Gäste ein privates Mineralbad für 26 Euro oder eine entspannende Ganzkörpermassage für 16 Euro gönnen.

Wanderungen, Touren und Mönche

Die waldreiche Umgebung Marienbads lockt zu Wanderungen und Radtouren. Zu empfehlen ist ein Besuch des Stifts Teplá. Ein Wanderweg führt zum Kloster, das 1193 als Prämonstratenserstift gegründet wurde und im Laufe der Jahre zwölf Plünderungen, sechs Brände und zwei Pestepidemien überstand. Erst 1950 wurden die Mönche vertrieben und die tschechoslowakische Armee zog in die Gebäude ein.

Seit 1990 laufen Bemühungen um die Restaurierung der verfallenen Anlagen. Sehenswert sind die Bibliothek, die zu den ältesten und bedeutendsten in Mitteleuropa zählt, und die Abteikirche Maria Verkündigung, in der in den Sommermonaten Orgelkonzerte stattfinden. Ein anderer Ausflug führt zum Schloss Königswart, das der österreichischen Staatsmann Fürst Metternich erbauen ließ. In dem sorgfältig restaurierten Empireschloss häufte der leidenschaftliche Sammler eine bunte Kollektion von Kunst und Kuriositäten aus aller Welt an, die während einer Führung besichtigt werden kann.

Karlsbad blieb im Krieg verschont

Den klangvollsten Namen der böhmischen Bäder hat Karlsbad. Der mit 55.000 Einwohnern größte Bäderort der Region wurde von Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont und präsentiert sich inzwischen wieder in altem Glanz. Der 1976 erbaute 16-stöckige Betonklotz des "Hotel Thermal" stört allerdings die Harmonie der Prachtbauten aus der Belle Époque. Die Schönheit der von grünen, waldreichen Höhen umgebenen Stadt erschließt sich am besten auf einem Spaziergang vom "Hotel Thermal" bis zum "Grandhotel Pupp".

Die Straßen am Flusslauf der Teplá sind zumeist den Fußgängern vorbehalten und ideal zum Promenieren. Gleich am Anfang verlocken verschiedene Quellen in der 130 Meter langen und mit Statuen prächtig geschmückten Mühlbrunnenkolonnade zum Trinken der heißen Mineralwässer. Wenige Schritte weiter folgt die mit Schnitzwerk verzierte Marktbrunnenkolonnade. Schräg gegenüber liegt die Sprudelkolonnade. Im modernen Glasgebäude schießt die älteste und mit 72 Grad heißeste Quelle der Stadt bis zu zwölf Meter in die Höhe.

Restaurants und Straßencafés laden zum Verweilen ein. Sie bieten vor allem Deftiges aus der böhmischen Küche. Die Preise sind niedrig, Qualität und Service lassen jedoch oft zu wünschen übrig. Beim Beobachten der flanierenden Passanten sind die russischen Kurgäste in ihrer Freizeitbekleidung nicht zu übersehen - Karlsbad ist fest in russischer Hand. Auch die meisten teuren Designerboutiquen und Schmuckläden werben in kyrillischer Schrift vor allem um eine reiche russische Kundschaft, die nicht auf die Preise achten muss.

Russen kaufen alle Häuser

Deutsche oder gar tschechische Kunden werden meist ignoriert: "Die Russen kaufen bei uns alle schönen Häuser. Wir Tschechen können uns das leider nicht leisten", klagt eine Hotelangestellte hinter vorgehaltener Hand. Auch das berühmte "Grandhotel Pupp", alljährlich im Juli Schauplatz eines Internationalen Filmfestivals, wurde von russischen Investoren modernisiert.

Ruhig und beschaulich geht es dagegen im kleinsten der drei böhmischen Kurorte zu: in Franzensbad. Auf der gut halbstündigen Fahrt von Karlsbad aus dorthin lohnt ein Stopp in Loket. Hoch über einer Schleife, die die Eger hier bildet, thronen eine Burg und eine der schönsten böhmischen Städte. Das Kurzentrum von Franzensbad ist klein und schachbrettartig angelegt. Die ockerfarbenen Kurhäuser verteilen sich hier über lediglich fünf Straßenzüge, die in eine weitläufige Park- und Waldlandschaft eingebettet sind. Mit dem im Sommer 2005 eröffneten Aqua-Forum verfügt das kleinste Bad aber über die modernste Badelandschaft im Bäderdreieck, die unter dem Motto "Eine Welt aus Wasser und Wohlbefinden" auch jüngere Gäste anspricht.

(gms)
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