Australien Was Bondi Beach zum Mythos macht

Surfer, Schwimmer, Schaulustige: Sie alle versammeln sich in Sydney am Bondi Beach. Aber wieso ist der australische Strand so beliebt?

 Surfer am Bondi Beach: An Australiens berühmtesten Strand steigen viele einmal in die Wellen.

Surfer am Bondi Beach: An Australiens berühmtesten Strand steigen viele einmal in die Wellen.

Foto: dpa-tmn/VisitNSW.com

Australiens berühmtester Strand wird von Surfern aus Sydney eher gemieden. „Die Einheimischen kommen nicht unbedingt hierher“, sagt Bruce Hopkins. „Die Wellen sind nicht gut zu reiten, sie brechen schnell.“ Trotzdem ist Bondi Beach ein Mythos, und Hopkins hat seinen Teil zur Legendenbildung beigetragen: Als Head Life Guard ist er das Gesicht der australischen Fernsehserie „Bondi Rescue“, schon 13 Staffeln zeigen die Arbeit der Rettungsschwimmer.

Hopkins – 50 Jahre alt, schlank, Dreitagebart – macht den Job seit 27 Jahren. „Ich genieße das immer noch“, sagt er in seinem Büro im Bondi Pavillon. „Es ist gut, hier draußen zu sein und Leuten zu helfen.“ An belebten Tagen kommen 30.000 bis 40.000 Besucher an den Strand.

   Der legendäre Bondi Life Saving Club wurde im Jahr 1906 gegründet.

Der legendäre Bondi Life Saving Club wurde im Jahr 1906 gegründet.

Foto: dpa-tmn/Philipp Laage

Bondi Beach ist ein Wahrzeichen, offizielles Nationalerbe, Symbol für die Identität Australiens, eine internationale Marke. Touristen gehen hier ins Meer oder stellen sich für ein Foto auf der Promenade auf. Ortsfremde legen ihre meist eher bleichen Körper kurz oder etwas zu lange in die Sonne. Manche melden sich bei der Surfschule am Nordende des Strandes für einen Crashkurs an, um für zwei oder drei Sekunden auf dem Brett zu stehen. Viele sind es allerdings nicht. In Bondi bekommt man den Eindruck: Hier geht es nicht in erster Linie ums Surfen. Ein klassischer Badestrand ist Bondi jedoch auch nicht, es gibt gefährliche Meeresströmungen. Offenbar geht es um etwas anderes.

Frühmorgens liegt das Wasser noch ruhig da unter einem dunstigen Himmel, mehrere Dutzend Jogger stapfen bereits durch den Sand, den Strand auf und ab, ihre Bühne misst gut einen Kilometer. Die ersten Surfbretter liegen im Wasser, Handtücher werden ausgebreitet. An öffentlichen Fitnessgeräten machen junge Frauen und Männer ihre Übungen, und man fühlt sich ermutigt, auch mal ein paar Klimmzüge zu machen, weil es hier so selbstverständlich erscheint.

   Als Prinz Harry und seine Frau Meghan den Bondi Beach am 19. Oktober 2018 besuchten, ging das Bild um die Welt.

Als Prinz Harry und seine Frau Meghan den Bondi Beach am 19. Oktober 2018 besuchten, ging das Bild um die Welt.

Foto: dpa-tmn/Dan Himbrechts

Geht es am Bondi Beach eher um Körperkult als um Surferkult, wobei ja beides irgendwie zusammenhängt? Dieser Eindruck drängt sich auf, auch in den Straßen. Fitte Herren laufen barfuß mit Surfboard unter dem Arm durch das Vorortviertel, den Overall bis unter den Bauchnabel heruntergekrempelt. Schönlinge auf Skateboards schieben austrainierte Waden durch die Straßen. Nahezu alle Menschen sehen auf interessante Weise gut aus. Sie bewegen sich zwischen lässigen Brunchlokalen und Bars, hochpreisigen Friseursalons, Surfshops und Designer-Modeläden. Bäckereien erheben das Brotbacken zum Kunsthandwerk (“artisan sourdough bakers“), Imbisse sind wie selbstverständlich vegan (“plant based eatery“). Der Versuch, in einem Café eine Cola zu bestellen – die zuckerfreie Variante! – schlägt fehl. Es gebe nur selbstgemachte Limonaden, sagt die Bedienung mit etwas mitleidigem Blick. „Sorry.“

Der Schriftsteller Leif Randt schrieb in einer Geschichte für die „Zeit“ über den Bondi Beach: „Am Anfang designen Menschen Orte, dann designen sich Menschen auf Orte hin.“ Randt beschreibt den Strand als eine Art Club, dessen Türsteher in den Köpfen der Menschen sitzt. Weniger sportlichen Gästen werde zwar nicht der Zutritt verweigert, aber: „Jeder entscheidet für sich allein, ob er an einem Ort aus der Norm fallen möchte oder nicht.“

Bruce Hopkins kennt Bondi seit seiner Kindheit. Vor 20 Jahren hätten in der Gegend noch viel mehr Einheimische gewohnt, sagt er. Wer Familie hat, ziehe heute aber eher woanders hin. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung taxiert Hopkins auf 800 bis 1000 australische Dollar Miete, das sind 500 bis gut 600 Euro – und zwar pro Woche. Der Rettungsschwimmer, der die Leute berufsmäßig immer im Blick hat, weiß um die Veränderungen in der sozialen Struktur. Mehr Menschen als früher machten Bodybuilding und Fitness, „ein bisschen Botox hier und da“. „Was immer du machst, du wirst gesehen. Es ist eine Gegend geworden, in der es viel ums Image geht“, stellt Hopkins fest. Mittags am Strand haben sich die sportlichen Aktivitäten sichtbar verlangsamt, auch wenn jetzt mehr Gewusel herrscht als am Morgen. Sie sind alle noch oder wieder da: Surfer, Pumper, Pärchen, Familien, Tagesausflügler, Touristen. Die Sonne strahlt, der Sand blendet.

Wer das Treiben eine Weile beobachtet, landet bei der Frage: Warum ist ausgerechnet dieser Strand so berühmt? Mit dem Bondi Life Saving Club wurde hier 1906 der erste Rettungsschwimmer-Club Australiens gegründet, bei den Olympischen Spielen 2000 wurden am Bondi Beach die Beachvolleyball-Turniere gespielt. Über die Jahrzehnte kamen immer mehr Touristen. Besonders gerne feiern sie hier Weihnachten und Silvester, mitten im Sommer. Im Oktober 2018 hockten sich der britische Prinz Harry und seine Frau Meghan auf einer Pazifik-Reise barfuß in den Sand und unterhielten sich – bejubelt von Zuschauern – mit ein paar Surfern, die sich um Menschen mit psychischen Problemen kümmern. Und Bondi Beach tauchte dank der Royals ein weiteres Mal in den Schlagzeilen auf.

Hopkins hat eine einfache Erklärung für die Popularität des Strandes: Bondi Beach liege nicht weit von der City und dem Flughafen entfernt, perfekt für Reisende. „Wenn sie nach Australien kommen, dann kommen sie nach Bondi.“ Möglich, dass sich der Mythos Bondi dadurch irgendwann verselbstständigt hat und heute durch einen niemals abreißenden Strom an Selfies ständig reproduziert wird.

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