Jugendstil im hohen Norden Ålesund und seine Architektur

Ålesund · Im Jahr 1904 wurde der norwegische Fischerort Ålesund in Schutt und Asche gelegt. Deutsche und britische Architekten halfen beim Wiederaufbau. Entstanden ist ein Prachtexemplar des Jugendstils.

Ålesunds und seine Architektur
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Blitzen, Donnern, Krachen. Jahreszahlen rasen auf der Anzeigetafel an der Wand rückwärts - 2011, 2006, 1950, 1936, dann halten sie plötzlich an, im Jahr 1904. Die Zeitmaschine hat die Besucher im Jugendstilmuseum von Ålesund in die Vergangenheit katapultiert. Stille herrscht mit einem Mal ringsum, nur das Knistern von Feuer ist noch zu hören und ein Flammenmeer erscheint auf den großen Bildschirmen des Museumsraumes.

Die Besucher erleben den 23. Januar 1904. "Es war um zwei Uhr morgens, als das Feuer ausbrach", wird eine Zeitzeugin zitiert. Innerhalb von 16 Stunden wurden 850 Holzhäuser in Schutt und Asche gelegt. Entfacht durch heftigen Wind, raste die Feuerwalze über die Stadt. "Uns blieb nur eine Stunde bis zur Flucht, wir mussten alles zurücklassen", sagt die Zeitzeugin in der beeindruckenden Multimediaschau des Museums.

Wiederaufbau in nur drei Jahren

Danach ist nichts mehr wie zuvor in dem einst so blühenden Fischereizentrum im Westen von Norwegen. 10.000 Menschen sind über Nacht obdachlos, verlieren ihr Hab und Gut. Doch schon bald kommt Hilfe. Bereits drei Tage nach der Katastrophe trifft aus Deutschland das erste Schiff ein. Der deutsche Kaiser Wilhelm II., ein Liebhaber Norwegens, ordnet persönlich die Hilfe an. In einer Rekordzeit von nur drei Jahren wird Ålesund wieder aufgebaut und erstrahlt in neuem Glanz.

Ålesund entsteht in der typischen Bauweise der damaligen Zeit - dem Jugendstil. Arbeitslose Bauhandwerker und Architekten strömen in die Hafenstadt. "Mehr als 20 Architekten waren an der Planung beteiligt. Viele von ihnen hatten zuvor in Deutschland und in Großbritannien studiert und brachten Ideen des Jugendstils von dort mit", erläutert Nils Anker, Direktor des Jugendstilmuseums. Die sehenswerte Sammlung ist in einem der schönsten Jugendstilhäuser, einer ehemaligen Apotheke, untergebracht.

400 denkmalgeschützte Gebäude

Heute gilt Ålesund mit mehr als 400 denkmalgeschützten Gebäuden als eines der besten Beispiele der Jugendstilarchitektur in Europa. Die 43.000-Einwohner-Stadt ist in einem Atemzug zu nennen mit den kompletten Stadtvierteln und einzelnen Gebäuden etwa in Darmstadt, Bad Nauheim, Karlsruhe sowie Brüssel, Barcelona, Prag und Wien.

Bei einem Stadtbummel lassen sich die schönsten Bauwerke auf kurzen Wegen in der Apotekergata, am Aksel Holms plass und jenseits des Brosundet-Meeresarmes in der Korsegata und der Kongensgate entdecken. Museumsleiter Nils Anker rät: "Nehmen Sie sich Zeit und schauen Sie aufmerksam auf die Häuserwände. Die Architekten haben viele interessante Zitate an den Fassaden angebracht." Sie weisen beispielsweise auf die Profession der Bauherren hin.

Mehr als 400.000 Besucher reisen pro Jahr nach Ålesund. Die kurze Sommersaison fällt in etwa zusammen mit den norwegischen Schulferien ab 22. Juni bis Ende August. Viele Gäste kommen mit den rund 100 Kreuzfahrtschiffen, die im Sommerhalbjahr in Ålesund anlegen. Der Kreuzfahrttourismus boomt, daher wird der Kai für die Schiffskolosse auf 570 Meter erweitert.

418 Stufen zum Hausberg Aksla

Zum Pflichtprogramm nicht nur für Kreuzfahrttouristen zählt der Anstieg auf den Hausberg Aksla. Sportliche Gäste erklimmen die Erhebung über genau 418 Treppenstufen. Bente Saxon vom Tourismusbüro rät: "Zu Fuß geht es am besten hinauf. Das ist sportlich und viel kürzer als die Anfahrt mit dem Auto." Von oben öffnet sich ein grandioses Panorama auf das Häusergewirr von Ålesund, die beiden Meeresarme Giskesundet und Brosundet sowie auf die Insel Vigra mit dem Flughafen und die Eilande Valderøya, Giske und Godøy.

Wer abseits der Touristenströme unterwegs sein möchte, fährt mit dem Linienbus oder dem Auto zum Leuchtturm Alnes Fyr auf der Insel Godøy. Die etwas mehr als 20 Kilometer lange Route verläuft spektakulär durch drei Tunnel unter dem Meeresgrund. Nachmittags öffnet im Leuchtturm ein hübsches Café, im Obergeschoss sind Dokumente zur Geschichte ausgestellt. Bei schönem Wetter wandern die Augen von diesem ruhigen, friedvollen Platz weit zum Nordatlantik hinaus.

(dpa/tmn)
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