Südafrika Afrikanische Wildnis im Wetland Park

Die Kleinen kommen ganz groß raus: Im Isimangaliso Wetland Park sind die Zwerg-Chamäleons die Stars. Aber auch Nilpferde und Krokodile sind hier so zahlreich wie nirgendwo sonst in Afrika. Elefanten, Zebras, Nashörner und Leoparden gibt es ebenso zu sehen.

Nelson Mandela bewundert den Isimangaliso Wetland Park für seine Elefanten, Nashörner, Quastenflosser und Wale. Zum Welterbe hat die Unesco das Sumpfgebiet im östlichsten Zipfel Südafrikas aber wegen kleinerer Bewohner erklärt. Der berühmteste von ihnen ist das Zwerg-Chamäleon. Der nur zehn Zentimeter lange Winzling lockt immer mehr Gäste in den Park – zusammen mit Nilpferden und Krokodilen und einigen anderen Tieren.

Abrupt muss Kian Barker seinen zum Safari-Wagen umgebauten Unimog abbremsen. Im Lichtkegel der Scheinwerfer glänzen ein paar Zwerg-Chamäleons silbrig und sind so gut auszumachen – zumindest für das geschulte Auge des Botanikers und Zoologen. Barker hat eine der zwei Konzessionen für nächtliche Safaris durch das mit 332 000 Hektar drittgrößte Schutzgebiet Südafrikas. Die Zwerg-Chamäleons, die verschlafen über die Hände der staunenden Besucher klettern, verstecken sich üblicherweise auf dünnen Zweig-Enden vor Fressfeinden. Ohne die Unesco wäre die endemische Art im Wetland Park wahrscheinlich nicht mehr da.

Bevor das Schutzgebiet 1999 zu Südafrikas erster Welterbe-Stätte erklärt wurde, drohten seine bewaldeten Dünen den Titan-Schürfern zum Opfer zu fallen. Das fragile Ökosystem am Indischen Ozean wäre zerstört worden. Barker muss nicht lange überlegen, was der Status Welterbe für den Park bedeutet: "Er hat den Tagebau verhindert" – und so den Park gerettet.

Das Gesicht des einstigen Ferienortes St. Lucia, den der Park wie eine Enklave umschließt, hat sich seitdem drastisch verändert. Fünfmal so viele ausländische Gäste wie zuvor kämen inzwischen, schätzt Barker, der Anteil der naturinteressierten Touristen sei von fünf bis zehn auf 90 Prozent gestiegen. Wo einst fast ausschließlich weiße Südafrikaner auf dem Weg zu Angel- und Grillplätzen mit ihren Geländewagen den Strand umpflügten, schnorcheln heute Gäste aus aller Welt zum südlichsten Korallenriff Afrikas. 1225 Fischarten gebe es dort, erzählt Barker – mehr als am Great Barrier Reef in Australien.

Wer die ganze Pracht des Fischreichtums sehen will, muss weiter in den Norden des Parks fahren. Sodwana Bay heißt das Sehnsuchtsziel der südafrikanischen Tauch-Szene. Hier werden manchmal sogar Quastenflosser gesichtet, die früher schon als ausgestorben galten. In Kosi Bay, im nördlichsten Zipfel Isimangalisos, kurz vor der Grenze zu Mosambik, landen die Fische auf dem Teller. Männer vom Volk der Tonga fischen hier mit Speeren Tigerfische, Schnapper und Meerbrassen aus traditionellen Schilf-Reusen in den Brackwasser-Seen.

Die Tonga sind die einzigen Menschen, die den Park weiterhin ihr Zuhause nennen. Ansonsten darf sich die Natur schrittweise zurückholen, was ihr seit jeher gehört hat. Besonders eindrucksvoll geschieht das in der südlichen Parkhälfte bei St. Lucia.

Britische Siedler hatten sich hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolglos in der Rinderzucht versucht und fast alle größeren heimischen Tierarten ausgerottet, ehe Seuchen ihr Vieh dahinrafften. Die Apartheid-Regierung ließ 1,2 Millionen Kiefern anpflanzen und entzog dem Sumpfsystem das Wasser zum Leben. Als die Parkverwaltung vor einigen Jahren die durstigen Bäume fällen ließ, stieg der Wasserspiegel wieder rasant.

Heute hat das weltgrößte System von Gezeitenseen wieder die stärkste Krokodil- und Nilpferdpopulation in ganz Afrika. Elefanten, Büffel, Zebras, Wasserböcke und Kudu-Antilopen sind längst wieder heimisch, hin und wieder bekommen Besucher auch Nashörner und Leoparden zu sehen.

Auf den Überflutungstümpeln, die innerhalb von Wochen Teile des Graslandes in sumpfige Schilfgebiete verwandelten, wachsen Wasserlilien. Regierungsblumen nennt Barker sie – weil sie ihre Blüten morgens um 9 Uhr öffnen und um 15 Uhr wieder schließen. Die Lacher hat der Guide so auf seiner Seite, doch ernsthafte Kritik steckt nicht hinter dem Scherz.

Denn mit der Entscheidung für den Naturschutz und gegen die schnellen Arbeitsplätze in der Titan-Gewinnung haben Südafrikas Regierende Weitsicht be- wiesen. Mit den Korallenriffen, Sanddünen, Brackwasserseen, mit dem Grasland und der anschließenden Savanne wurde nicht nur eine Vielfalt an Ökosystemen geschützt, sondern auch ein Reiseziel geschaffen, das internationale Touristen nach und nach für sich entdecken.

Auf der südafrikanischen Reiselandkarte entwickelt sich so zwischen Krüger-Nationalpark, Garden Route und Kapstadt langsam, aber stetig ein weiterer Pflichtstopp. Den Grund gibt schon die Übersetzung des Parknamens preis. Isimangaliso ist Zulu und bedeutet "wunderbarer Ort". Oder um es mit Nelson Mandela zu sagen: "Isimangaliso muss wohl der einzige Ort auf der Welt sein, an dem das älteste und das größte Landsäugetier ein Ökosystem mit dem ältesten Fisch und dem größten Meeressäuger der Welt teilen."

(tmn)
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