Äthiopien Schwarze Magie

Der wilde Südwesten Äthiopiens ist nicht nur die Heimat scheuer Waldelefanten, sondern birgt auch einen Schatz – wilden Kaffee. Die Bergregenwälder des alten Königreichs Kafa sind ein kaum bekanntes Unesco-Biosphärenreservat.

 Rund um die Kernzone des Kaffa-Waldes leben die Menschen in einfachen Rundhütten ohne Strom und fließendes Wasser.

Rund um die Kernzone des Kaffa-Waldes leben die Menschen in einfachen Rundhütten ohne Strom und fließendes Wasser.

Foto: Helge Bendl

Jetzt heißt es: Sich ducken, sich nicht mehr bewegen, leise sein. Denn kein wildes Lebewesen mag Überraschungen, und schon gar nicht jene Tiere, die wir endlich aufgespürt haben. Seit dem Morgengrauen sind wir zu Fuß durch den Chebera-Churchura-Nationalparks gepirscht, lautlos wie ein Leopard auf der Jagd.

Zumindest haben wir das versucht. Doch jeder knackende Ast, jeder peitschende Palmwedel, jedes Stolpern über Wurzeln machte das Anschleichen zunichte. Zur Ehrenrettung: Das hier ist ein subtropischer Wald, mit Lianen und Luftwurzeln, von Mutter Natur zu Hindernisparcours arrangierten Riesenbaumstämmen, und dornigem Unterholz. Überall summt und brummt und flötet und zwitschert es, als sei dies nicht nur die grüne Lunge Äthiopiens, sondern das Paradies auf Erden. Vier Kraterseen gibt es im Chebera-Churchura-Nationalpark, mit Flusspferden, Krokodilen und Wasservögeln, dazu dampfend heiße Quellen. Und wer sich abkühlen will, marschiert zum Barbo-Wasserfall.

Getrocknete rote Kirschen vom wilden Ur-Kaffee gelten als Delikatesse in Äthiopien.

Getrocknete rote Kirschen vom wilden Ur-Kaffee gelten als Delikatesse in Äthiopien.

Foto: Helge Bendl

Die Aussicht auf solch eine Naturdusche ist natürlich verlockend, doch vorerst sind wir sind noch auf der Suche. Adino und Ute, die Scouts des Nationalparks, klettern auf Bäume, um weiter sehen zu können. Sie führen einen Hang hinauf. Und dann stehen sie endlich vor uns: Eine ganze Herde an Waldelefanten – Tanten, Mütter, Jungtiere – labt sich an Blättern. Ein paar sich abseits haltende Bullen schälen mit ihren Zahnstocher-Stoßzähnen Rinde von den Bäumen.

Mehr als 500 Waldelefanten soll es im Chebera-Churchura-Nationalpark geben, darüber hinaus 3000 Büffel. Früher war das Areal ein Jagdgebiet, nun setzt man auf Ökotourismus. Viel gäbe es hier zu entdecken, von den auf 700 Höhenmeter liegenden Sümpfen bis zu den knapp 2500 Meter hohen Berggipfeln. Dass aber viele Tiere noch immer scheu sind und nicht an Menschen gewöhnt, die ihnen nichts Böses wollen, liegt auch daran, dass kaum Besucher hierher finden.

Sehen, hören, riechen, tasten und schmecken: In der benachbarten Kafa-Region wird die Safari dann zu einem Abenteuer für wirklich alle Sinne. Auch hier ist man zu Fuß unterwegs, schon früh am Morgen, wenn die Sonne gerade über die Berggipfel blitzt und in den Tälern entlang der Flüsse noch ein paar verschlafene Wolkenfetzen hängen. Guide Bereket Kochito zeigt seinen Gästen den Weg, doch deren Augen hängen im Dach des Waldes fest: Dort schwingen sich Mantelaffen mit schwarz-weißem Fell als Tarzane durch das Dickicht der Baumkronen mit ihren Bromelien, Orchideen und Lianen. „Die Primaten sehen aus wie Mönche und galten einst als Wächter des Waldes“, erzählt er. „Dessen Zerstörung haben sie aber nicht verhindern können. Inzwischen sind sie sogar selbst bedroht.“

Von den einst ausgedehnten Bergregenwäldern im Südwesten Äthiopiens gibt es inzwischen nur noch wenige Reste. Fast alles wurde für Feuerholz und Plantagen gerodet. Was heute noch existiert, ist deshalb besonders schützenswert. „Die Wälder im alten Königreich Kafa gelten als genetische Schatzkammern, weil hier viele Pflanzen- und Tierarten vorkommen, die andernorts längst verschwunden sind“, erklärt Mesfin Tekle. Er arbeitet vor Ort als Programmkoordinator für die Naturschutzorganisation Nabu, die mit Entwicklungshilfegeld aus Deutschland ein vor einigen Jahren ausgerufenes Unesco-Biosphärenreservat unterstützt. Mit 7600 Quadratkilometern ist das Kafa Biosphere Reserve etwa drei Mal so groß wie das Saarland. „Unser Ziel ist es, Naturschutz und nachhaltige Nutzung zu vereinen. Schließlich leben hier inzwischen mehr als eine Million Menschen.“

So setzt man auf sanften Tourismus: Junge Guides wie Bereket Kochito führen Besucher durch die afromontanen Wälder. Vogelbeobachter freuen sich über die irisierenden Lichtblitze im Dunkel des Waldes, das bunte Gefieder von Eisvögeln und Papageien. Außerdem schimmern immer wieder feuerrote Punkte durch das satte Grün. Die reifen Kirschen von „Coffea arabica“ sind der Lieblingssnack der Paviane. Deswegen sind Bauern wie Tariku Woldegiorgis immer auf der Hut, wenn sich eine Horde allzu lange in der Nähe seines Dorfes herumtreibt. Er wäre gar nicht erfreut, wenn ihm die Tiere seine komplette Ernte auffressen würden.

Denn die roten Kirschen – oder besser gesagt die im Inneren versteckten Samen – sind ein Schatz, der inzwischen auf der ganzen Welt bei Connaisseuren gefragt ist. Wie viele Sorten es gibt, weiß zwar niemand. Es sollen aber etwa 5000 sein: Kafa – dafür spricht auch der Name – gilt als Ursprungsort des edlen Arabica-Kaffees. Inzwischen werden Kultursorten auf der ganzen Welt angebaut, doch hier wachsen die Urformen noch wild im Schatten großer Urwaldriesen. Sobald nach der Trockenzeit im März der erste Regen fällt, ist der Wald also eingehüllt in eine süßliche Duftwolke: Die weißen Kaffeeblüten riechen intensiv wie Jasmin. Neun Monate später steht die Ernte an. Und die ist mitten im Wald natürlich viel aufwändiger als auf Plantagen, wo die Pflanzen stramm in Reih und Glied stehen.

Lange konnte Tariku Woldegiorgis wie viele Bauern aus dem Ort Mankira mehr schlecht als recht davon leben, Kaffee-Kirschen zu sammeln und über mehrere Wochen hinweg an der Sonne zu trocknen. Diese aufwändige Methode bewahrt die wilden, würzigen Geschmacksnoten des Ur-Kaffees besser als bei der von den Plantagen angewandten Variante, wo sich das Fruchtfleisch im Wasserbad löst.

„Als Bauer ist man nur dann stark, wenn man sich in einer Kooperative vernetzt“, meint Frehiwet Getahun von der Kafa Forest Coffee Farmers Cooperative Union. Die hat 13.500 Mitglieder und produziert etwa 500 Tonnen Kaffee im Jahr. Der biologisch angebaute, Fair-Trade zertifizierte Wildkaffees ist inzwischen ein Aushängeschild des Kaffeelands Äthiopiens. Mit dem Kauf wird nicht nur der Naturraum erhalten, in dem der Ur-Kaffee wächst, auch die Bauern können von ihrer Arbeit leben. Exportiert wird auch nach Deutschland: Man kann sich den Kaffee aus Kafa also nicht nur vor Ort, sondern später auch zu Hause schmecken lassen. Und so ein bisschen die Welt verändern, Schluck für Schluck für Schluck.

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