Holland Tulpenwahnsinn

Ab April geben sich die Tulpen in und um Amsterdam einem Blütenrausch hin - und mit ihnen die Holländer. Einige Wochen lang dreht sich dann alles um das farbenfrohe Liliengewächs.

Sie heißen Mickey Mouse, Armani und Paul McCartney. Es gibt sie in fast allen Farben und Schattierungen, zweifarbig oder mit gefransten Blütenblättern. Sie lösten den ersten Börsencrash der Weltgeschichte aus und sind bis heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. 2017, so die Statistik, wurden in den Niederlanden über zwei Milliarden Tulpen produziert. Kein Wunder also, dass unsere Nachbarn so viel Aufsehen um den Frühjahrsblüher machen.

Der Startschuss für die Tulpensaison fällt jedes Jahr bereits im Januar. Dann versammeln sich tausende Menschen vor dem Königsschloss in Amsterdam, um sich von einem "Feld", auf dem nur wenige Stunden zuvor in mehrstündiger Handarbeit rund 200.000 Tulpen "gepflanzt" worden waren, bunte Sträuße zu pflücken. Nach dem Spektakel heißt es für Blumenfreunde erst mal warten. Warten, bis es warm genug ist, dass mehr als eine halbe Million Tulpenzwiebeln aufblühen, die jeden Herbst in Beeten und Blumenkübeln, in Gärten und Parkanlagen in der Erde versenkt werden. Auf die Frage, wann es soweit ist, lächelt Manon Zondervan von Amsterdam Marketing. "Das hängt natürlich vom Wetter ab. Manchmal ist es schon Mitte März soweit, ein andermal erst Mitte oder Ende April. Wir können die Natur nicht überlisten." Doch da ein Festival mit verschiedensten Veranstaltungen natürlich einen Zeitraum braucht, wurde der Startpunkt für das Tulpenfestival in diesem Jahr auf den 31. März festgesetzt.

Im niederländischen Nationalmuseum in Amsterdam, dem Rijksmuseum, kann man sich dagegen das ganze Jahr über Tulpen ansehen: in Öl gemalt, mit Goldfäden gestickt oder als Intarsie auf einem antiken Sekretär. Ein Großteil der Kunstgegenstände, die hier ausgestellt sind, stammt aus dem sogenannten Goldenen Zeitalter der Niederlande im 17. Jahrhundert, als nicht nur Künstler wie Rembrandt und Vermeer zu Ruhm kamen, sondern auch die Tulpe. "Damals galten die exotischen Blumen, die ursprünglich aus Kleinasien stammen, als ein Zeichen von Ansehen und Wohlstand", berichtet Museumsführer Robert Uterwijk. "Die Zwiebeln einiger Exemplare erzielten Preise, die seinerzeit in Amsterdam für ein Haus gezahlt wurden." Windige Spekulationsgeschäfte trieben die Preise letztlich jedoch in so astronomische Höhen, dass die Blase platzte und der Markt innerhalb weniger Tage zusammenbrach. Die sogenannte Tulpenmanie im Februar 1637 gilt als erste gut dokumentierte Finanzkrise in der Wirtschaftsgeschichte. Der Preisverfall ruinierte viele Händler und fügte der Wirtschaft in Holland schweren Schaden zu. Anschließend normalisierte sich der Handelswert für Tulpen wieder.

"Wenn der Frühling kommt, dann schick ich dir Tulpen aus Amsterdam" - Rudi Carrell und Heintje trällerten Versionen des Schlagers in den 70er Jahren. Doch lagen sie damit daneben, denn die meisten Tulpen, die bei uns in den Vasen landen, werden von Aalsmeer aus in alle Welt verschickt. In der Kleinstadt südwestlich von Amsterdam hat Flora Holland ihren Sitz. Die Genossenschaft ist der größte Blumenhändler der Welt. Jeden Tag kommen dort Millionen Blühpflanzen unter den Hammer. Und wer mag, kann dabei zusehen. Allein die Dimensionen sind beeindruckend. Die Fläche des Warenlagers entspricht der von 200 Fußballfeldern.

Die meisten Touristen, die sich am Morgen die "Wallstreet der Blumen" - so wird Flora Holland augenzwinkernd genannt - angesehen haben, fahren von hier aus weiter nach Lisse, wo eine weitere Superlative wartet: der Keukenhof. Die Parkanlage gilt als größte Blumenschau der Welt. Jeden Frühling entfalten dort mehr als sieben Millionen Tulpen, Narzissen und Hyazinthen und andere Frühlingsblüher ihre farbige Pracht - allerdings nur rund acht Wochen lang.

Tolle Fotos kann man aber auch außerhalb der Parkanlage machen. Der Keukenhof liegt in der sogenannten Bollenstreek. Das Gebiet, das sich zwischen den Städten Leiden und Haarlem und der Nordseeküste erstreckt, verwandelt sich im Frühjahr in ein Blumenmeer. Hier züchten die Tulpenbauern ihre Produkte und so entsteht jedes Jahr zwischen März und Mai ein spektakuläres Bild: Erst blühen verschiedenfarbige Krokusse auf den Feldern, dann Narzissen, Hyazinthen und dann die Tulpen: Millionen Blumen in allen Farben und Schattierungen - eine wahre Farbexplosion!

(RP)
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