Kölns "Archäologische Zone" 2000 Jahre römische und jüdische Geschichte

Köln (RPO). "Archäologische Zone - Jüdisches Museum Köln" lautet der etwas bürokratische Projektname, aber dahinter verbirgt sich eines der spannendsten archäologischen Vorhaben Europas: Auf 10.000 Quadratmetern entsteht derzeit im Zentrum der alten Römerstadt Köln ein einzigartiges Ausstellungsareal mit einem integrierten jüdischen Museum.

Römer-Relikte in der Eifel
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Für 2015 ist die Eröffnung der Anlage vorgesehen; sie wird den Besucher sowohl in die Römerzeit als auch in die Geschichte der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen entführen.

Die "Archäologische Zone" liegt unmittelbar am Kölner Rathaus zwei Steinwürfe vom Dom entfernt. Für die vollständige Verwirklichung des bereits 2007 begonnenen Projekts hat der Kölner Rat nun Mitte Juli endgültig grünes Licht gegeben: Für gut 51 Millionen Euro - 37 Millionen aus dem städtischen Etat und weitere 14,3 Millionen aus Mitteln des Landes NRW - entsteht in der Altstadt eine Ausstellungsanlage mitsamt Museum am historischen Originalschauplatz. Denn unter dem Rathaus und seinem Vorplatz liegen die mächtigen Mauern des römischen Statthalterpalastes und gleich daneben die Reste des mittelalterlichen Judenviertels.

"Wichtigste und größte Ausgrabung"

Schon im Jahr 321 wurde in einem Dekret des römischen Kaisers Konstantin erstmals eine jüdische Gemeinde in der alten Römerstadt erwähnt. Angesichts der langen jüdischen Siedlungsgeschichte auf Kölner Boden stoßen die aktuellen Ausgrabungen weltweit auf Interesse. So bescheinigte der New Yorker Archäologe und Bauhistoriker Samuel Gruber dem Projekt jüngst bei einem Kolloquium in Köln, es handele sich um die "wichtigste und größte Ausgrabung in Europa für jüdische Geschichte".

Ein Blick auf das Grabungsfeld gibt Gruber Recht: In den vergangenen Jahren hat ein Team von Wissenschaftlern, Grabungstechnikern und Helfern das alte Judenviertel Schritt für Schritt freigelegt. Ans Licht kamen vor allem die Überreste der ältesten bislang bekannten Synagoge nördlich der Alpen, aber auch Grund- und Kellermauern großer romanischer und gotischer Bürgerhäuser.

Hier lebten im Hochmittelalter Goldschmiede sowie christliche und jüdische Kaufleute. "Die Größe der jüdischen Gemeinde dürfte in ihrer Blütezeit bei 800 bis 1000 Menschen gelegen haben", sagt der Archäologiedirektor und Leiter der "Archäologischen Zone", Sven Schütte.

Ein weiterer spektakulärer Bau des alten Judenviertels ist die Mikwe, das rituelle Tauchbad der Juden. Die bereits 1956 freigelegte Kölner Mikwe ist laut Schütte das bei weitem älteste jüdische Ritualbad Deutschlands: Ebenso wie die Synagoge stammt sie demnach mindestens aus dem 8. Jahrhundert. Schütte sieht sogar Indizien dafür, dass sich das mittelalterliche Judenviertel unter dem Kölner Rathausplatz kontinuierlich aus der bei Konstantin erwähnten spätantiken jüdischen Gemeinde entwickelt hat. Dies würde bedeuten, dass die Kölner Juden bis zu einem Pogrom im Jahr 1349 und ihrer endgültigen Vertreibung 1424 mehr als tausend Jahre lang an dieser Stelle gelebt haben.

Mehr als 700 Bruchstücke

Wie tief auch immer die jüdischen Wurzeln in die Erdschichten unter Kölns Rathaus reichen - die Fülle der Funde bei den jüngsten Grabungen hat auch Schütte überrascht: "Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass wir so viel finden würden." Als Beispiel nennt der Projektleiter die allein mehr als 700 Bruchstücke einer gotischen Lesekanzel, die seine Mitarbeiter in der Synagoge entdeckt haben.

Aufschlüsse über das jüdische Leben im Mittelalter geben zudem Funde aus einer Kloake, die zur Rabbiner-Wohnung im Obergeschoss des jüdischen Gotteshauses gehörte. Die Archäologen entdeckten darin eine Vielzahl Tierknochen, aber auch botanische Reste, die eine Ernährung nach den strengen jüdischen Gesetzen widerspiegeln. Und auch Gegenstände kamen zum Vorschein, die nach der Plünderung der Synagoge beim Pogrom 1349 in die Kloake geworfen worden waren: Buchbeschläge, verbranntes Pergament mit hebräischen Schriftzeichen - und sogar Kinderspielzeug und Medizinfläschchen.

(AFP)
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