Stark gestiegene Zinsen Ist der Kauf einer Immobilie jetzt noch schlau?

Serie | Düsseldorf · Trotz stark gestiegener Zinsen für Kredite prüfen viele Bürgerinnen und Bürger den Erwerb eines Hauses. Doch inzwischen müssen sie viel genauer rechnen und mehr Eigenkapital mitbringen. Worauf Käufer jetzt achten müssen.

  Viele sind skeptisch, wenn es um den Kauf einer Immobilie geht.

Viele sind skeptisch, wenn es um den Kauf einer Immobilie geht.

Foto: dpa-tmn/Karl-Josef Hildenbrand

Ist der Kauf einer Immobilie trotz stark gestiegener Zinsen noch schlau? Viele sind skeptisch. „Das Eigenheim ist jetzt sogar für die obere Mittelschicht unerreichbar“, schreibt etwa die „Welt“. Der Sprung beim Zinssatz von zeitweise unter einem Prozent auf 3,5 bis vier Prozent führe dazu, dass die monatliche Belastung beim Erwerb eines Hauses häufig 3000 Euro im Monat erreiche. „Damit Wohneigentum nach den stark gestiegenen Zinsen weiter genauso erschwinglich ist, hätten die Immobilienpreise eigentlich um ein Drittel fallen müssen“, sagt Ronald Slabke, Chef des Immobilienfinanzierers Hypoport.

Skeptisch ist auch der Anlagestratege Volker Looman. Angesichts der hohen Zinsen sei schlauer, zur Miete wohnen zu bleiben und das eigene Geld in einen breit gestreuten Indexfonds zu stecken, als mehr als ein Drittel des Einkommens in Zinsen und Tilgung zu stecken. Eine Immobilie würde seiner Rechnung nach nur rund 2,4 Prozent Rendite bringen, das ließe sich schlagen. „Ein teurer Traum vom Eigenheim“, sagte er der „FAZ“.

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Tatsächlich ist der Immobilienmarkt noch nicht zusammengebrochen, in Düsseldorf rutschten die Preise für Neubauten bis Januar lediglich um 3,2 Prozent ab. „In der zweiten Hälfte 2022 waren die Menschen sehr verunsichert“, sagt der Essener Makler Roger Bendler. „Jetzt merken sie, dass es zu keinem sehr starken Einbruch kommt. Sie konzentrieren sich auf die noch finanzierbaren Objekte und freuen sich über ein größeres Angebot.“

Ähnlich sieht das Thomas Abraham, von der Bonner Forschungsfirma Empirica, die Immobilienpreise vergleicht: „Die Zeit, in der Kaufen oft deutlich günstiger war als Mieten, ist zwar vorbei. Jedoch bleibt der Wunsch nach Eigentum groß. Die Menschen müssen also ihre Lage analysieren.“ Wir erklären, was zählt.

Belastung kalkulieren

Käufer müssen die zu erwartende Belastung realistisch kalkulieren. Wer 300.000 Euro Kredit aufnimmt, muss bei vier Prozent Zins alleine 1000 Euro im Monat nur für die Zinsen zahlen. Wenn er oder sie noch zwei Prozent im Jahr tilgt, liegt die monatliche Belastung bei 1500 Euro – ohne Rücklagen, etwa für Reparaturen. Und nach zehn Jahren liegt die Restschuld noch immer bei 226.000 Euro. Falls die Zinsen in zehn Jahren bei der Umschuldung noch höher als jetzt sind, wird der Kredit noch viele Jahre lang sehr teuer sein. „Angesichts der möglichen starken Belastung sollten sich gerade Mieter mit halbwegs günstigen Altverträgen überlegen, ob ein Immobilienerwerb für sie klug ist“, meint Abraham.

Eine andere Rechnung macht Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln auf: „Die höheren Zinsen treffen zwar viele Interessenten für ein Eigenheim hart. Umgekehrt muss man sehen, dass die Mieten wegen Wohnraumknappheit auch weiter steigen werden. Um also Bürgern den Erwerb einer Immobilie zu erleichtern, sollte die Grunderwerbssteuer für Erstkäufer und Selbstnutzer gesenkt werden.“

Langfristig denken

Interessenten sollten eine Immobilie nur kaufen, sofern anzunehmen ist, dass sie auch viele Jahre lang darin wohnen. In NRW liegen alleine die Nebenkosten beim Kauf einer Immobilie bei rund elf Prozent. Wer also nach nur zwei oder drei Jahren verkauft, riskiert nicht nur einen schlechteren Verkaufspreis wegen des aktuell schwächelnden Marktes, sondern auch noch den Verlust des zusätzlich bezahlten Geldes für Rechnungen für den Notar, die Grunderwerbssteuer und den Makler.

„Zu der Zeit, als die Preise konstant hoch gingen, konnten Käufer hoffen, Erwerbsnebenkosten durch höhere Verkaufspreise wieder reinzuholen“, sagt Abraham, „das ist nun viel unwahrscheinlicher.“ Also macht ein Hauskauf für Beamte oder vergleichbare Berufsgruppen mehr Sinn als etwa für junge Marketingprofis, die den Job eventuell noch oft wechseln.

Mehr Eigenkapital

Zur Zeit von Ein-Prozent-Zinsen konnten viele Käufer ihre Immobilie praktisch ohne Eigenkapital kaufen, die Banken vergaben Kredite in Höhe von 90 oder 100 Prozent des Kaufpreises häufig an Gutverdienende, weil ja alleine die ersparte Miete ausreichte, um die Zinsen zu zahlen. Und die sehr niedrigen Zinsen erlaubten eine Tilgung von oft anfangs drei oder vier Prozent, ohne dass Familien überlastet waren.

Weil nun aber bereits vier Prozent für die reinen Zinsen draufgehen, ist für eine schnelle Tilgung weniger Spielraum: „Wir erleben eine Rückkehr zur Normalität“, sagt der Düsseldorfer Makler Wulff Aengevelt. „Die Banken verlangen mehr Eigenkapital, um Risiken zu begrenzen, während die Käufer mehr eigene Mittel mobilisieren müssen.“ Er ergänzt: „Nur mit viel Eigenkapital erhalten die Käufer noch halbwegs günstige Kreditkonditionen, nur ein solider Grundstock an eigenem Geld senkt den Zins- und Tilgungsdruck.“ Er berichtet, dass gerade in der Mittelschicht Eltern und Großeltern häufig großzügige Zuschüsse geben für den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung. „Das ist dann eine solide Geldanlage aus Sicht der Familie.“

Gute Lage

Schon immer ist eine gute Lage das entscheidende Kriterium bei der Auswahl einer Immobilie, jetzt müssen aber neue Punkte beachtet werden: Der Siegeszug des Homeoffice könnte vielen Bürgern den Umzug in etwas entferntere Wohnorte abseits der Metropolen erleichtern, weil nur noch ein, zwei oder drei Tage die Woche gependelt werden muss statt jeden Tag. Gleichzeitig führt der Siegeszug von E-Bikes dazu, dass die gelegentliche Fahrt zur S-Bahn auf dem Land häufig auch per Zweirad erledigt werden kann.

Hinzu kommt, dass der für Mai geplante Start des 49-Euro-Tickets Pendeln mit Bus, Bahn und S-Bahn günstiger macht. „Es werden sicherlich einige Pendler den ÖPNV dank des 49-Euro-Tickets stärker ausprobieren und nutzen“, sagt José Luis Castrillo vom VRR-Vorstand. Indirekt macht dies aber auch manche Wohnorte an der Peripherie attraktiver als bisher.

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