Den Spieß am Arbeitsplatz umdrehen Wie Mitarbeiter ihre Chefs führen können

Niedernberg · Der Chef macht wieder mal nicht, was man will? Alles eine Frage der Führung, sagen Experten. Denn auch Mitarbeiter können ihren Chef lenken. Entscheidend dabei ist nur, dass beide Seiten einen Vorteil haben.

Zehn verschiedene Arten von miesen Chefs
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Foto: ddp

Er hat keine Ahnung und keinen Überblick? Seine Entscheidungen sind immer falsch? Um sich über den Chef zu ärgern, findet fast jeder Mitarbeiter einen Grund. Doch statt sich aufzuregen, können sie den Spieß auch einfach umdrehen: Führen von unten oder "Cheffing" nennen Fachleute das.

Bewusst Einfluss nehmen

"Jeder, der mit seinem Vorgesetzten unzufrieden ist, sollte versuchen, ein Stück weit Einfluss auf ihn zu nehmen", rät Karrierecoach Heinz-Jürgen Herzlieb aus Niedernberg. Denn seinen Vorgesetzten auszutauschen, sei allemal schwieriger, als ihn sich ein bisschen zurechtzubiegen. Aber man darf den Bogen auch nicht überspannen.

"Seinen Chef zu führen, ist ein unterschwelliges Tauschgeschäft", sagt Martin Wehrle, Karrierecoach aus Appel bei Hamburg. "Der Chef darf sich dabei nie als Verlierer fühlen. Er muss das Gefühl haben, dass er frei entscheidet und sein Mitarbeiter ihn nur mit Informationen versorgt."

Um die Grundsätze von "Cheffing" zu verstehen, müsse man einmal um die Ecke denken. "Das Image, das eine Abteilung und ihre Mitarbeiter haben, hängt immer auch davon ab, wie der Chef sie repräsentiert", sagt Herzlieb.

Das heißt: Wenn der Chef eine gute Figur abgibt, tut das auch seinen Mitarbeitern gut. Selbst wenn man wirklich einen unfähigen Chef hat, helfe es nicht weiter, nur über ihn zu meckern. Den Chef bei seiner Arbeit zu unterstützen, nütze letztlich aber der ganzen Abteilung.

Das fange in ganz kleinen Situationen an, sagt Herzlieb. Manchmal verteilten Chefs etwa Aufträge, die in den Augen des Mitarbeiters keinen Sinn machen. In so einem Fall sollte man am besten nachfragen, welcher Aufwand dafür gerechtfertigt sei und welches unternehmerische Ziel dahinter stehe.

Rückfragen und unterstützende Erinnerung

Durch die Rückfragen sehe mancher Chef erst den Arbeitsaufwand, den es zur Bewältigung der Anweisungen braucht. Die Folge: Beim nächsten Mal ist der Chef entsprechend geschult und überlegt sich die erneute Vergabe des Auftrags zweimal.

Einen chaotischen Chef, der Termine übersieht oder Aufgaben doppelt delegiert, könnten Angestellte beim Organisieren unterstützen. So könnten sie den Chef etwa regelmäßig an Termine erinnern.

"Das hat den Vorteil, dass man nicht mehr dem Chaos ausgesetzt ist und dass man als rechte Hand vom Chef unentbehrlich für ihn wird", sagt Wehrle. Außerdem bringe es mehr, als sich über den Chef aufzuregen und zu lästern.

Ein oft unterschätztes Mittel beim Führen von unten sei es, den Chef zu loben, sagt Ingo Krawiec, Managementtrainer aus Mannheim. "Chefs springen genau wie alle anderen Menschen auf Lob und Anerkennung an." Dabei gehe es gar nicht darum, sich einzuschleimen.

"Aber wenn einem auffällt, dass der Chef einen guten Job für sein Team macht, dann kann man ihm das auch sagen." So könne man den Chef etwa loben, wenn er Informationen frühzeitig kommuniziert hat. Die Chance steige dann, dass er das beim nächsten Mal genauso macht.

Flache Hierarchien

Die meisten Chefs seien auch sehr offen dafür, sich von ihren Mitarbeitern ein Stück weit beeinflussen zu lassen. "In vielen Unternehmen gibt es ja inzwischen relativ flache Hierarchien. Da ist es gewollt, dass die Mitarbeiter mitdenken, Ideen einbringen und auch selbst Verantwortung übernehmen", sagt Krawiec.

Letztlich sei das ein bisschen wie in jeder Familie: "Kinder beeinflussen und erziehen ihre Eltern ja auch, und die Eltern lassen das in gewissen Grenzen mit sich machen. Aber trotzdem haben die Eltern den größeren Einfluss - sonst läuft etwas verkehrt."

Eines allerdings sollte man tunlichst lassen: Seinen Chef hinterrücks beeinflussen zu wollen, warnt Herzlieb. "Einflussnahme sollte durch offenen Dialog erfolgen. Wenn der Chef merkt, dass man ihn manipulieren will, kann das schiefgehen.

"Führen von unten funktioniere nur, wenn auch der Chef profitiere und sich deshalb auf die Einflussnahme seiner Mitarbeiter einlasse. "Unternehmen werden nicht basisdemokratisch geführt. Es gibt ein Oben und ein Unten.

Den Chef niemals blamieren

Und wenn oben Entscheidungen getroffenen werden, dann kann man unten zwar den Finger in die Wunde legen, aber letztlich ist man von den Entscheidungen oben abhängig", sagt der Coach.

Deshalb dürfen Mitarbeiter den Chef auch nicht blamieren. "Auch wenn der Chef in einem Meeting Blödsinn erzählt, würde ich es mir etliche Male überlegen, ob ich ihm da widerspreche und ihn damit vor anderen Kollegen und womöglich den nächsthöheren Vorgesetzten in ein schlechtes Licht rücke", sagt Herzlieb.

Und auch Wehrle warnt: "Wenn der Chef das Gefühl hat, er wird wie ein Zirkustier am Nasenring durch die Manege geführt, dann wird er sich zur Wehr setzen."

Schließlich müssen sich Mitarbeiter beim Cheffing noch eine Regel merken. Wenn irgendetwas gut läuft, sollten Mitarbeiter nicht den Fehler machen und den Erfolg für sich reklamieren. "Das ist oft ein Deal, den man eingeht. Selbst wenn man selbst die entscheidenden Weichenstellungen initiiert hat, lässt man seinen Chef den Erfolg präsentieren", sagt Martin Wehrle.

Im Gegenzug könne man dann ja bei seinem Vorgesetzten einen anderen Wunsch äußern. Das sei das Tauschgeschäft, auf das man sich beim "Cheffing" einlassen müsse.

(dpa)
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