Schadesersatz Wann Eltern für ihre Kinder haften

Berlin · Kinder spielen Fußball und zerschießen eine Scheibe. Doch je nach Alter sind sie für den verursachten Schaden nicht verantwortlich.

 Die Sache mit der Aufsichtspflicht bei Kindern ist kompliziert.

Die Sache mit der Aufsichtspflicht bei Kindern ist kompliziert.

Foto: dpa, fz

Außerdem haften nicht immer die Eltern für das entstandene Chaos - nur wenn sie ihre Baustellen haben eine magische Anziehungskraft auf Kinder. Vermutlich deshalb hängen die Betreiber an die Baustellenzäune stets das gelbe Schild mit schwarzer Aufschrift "Eltern haften für ihre Kinder". Doch das gilt nicht automatisch. Das Schild gehört vielmehr zu den deutschen Rechtsirrtümern. Denn nicht immer ist ein Kind schuldfähig, und nicht immer haften die Eltern, wenn ihr Kind etwas Dummes anstellt.

"Das Schild ist unsinnig", sagt Eva Becker. Zwar haben Eltern dafür zu sorgen, dass ihr Kind nicht die Baustelle betritt. Aber wenn sie alles dafür getan haben und es trotzdem auf die Baustelle entwischt, dann haften sie für eventuelle Schäden nicht. Vielmehr ist es dann sogar so, dass der Unternehmer eine Mitschuld an dem vom Kind verursachten Schaden trägt, weil er die Baustelle nicht ordentlich abgesichert hat. "Dann reicht das Schild auch nicht", erklärt die Berliner Rechtsanwältin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein.

Die Sache mit der Aufsichtspflicht

Allgemein gilt: Eltern haben eine Aufsichtspflicht und müssen ihr Kind so betreuen, dass andere keinen Schaden erleiden. Doch diese Aufsichtspflicht muss je nach Alter des Kindes keine Rund-um-die-Uhr-Bewachung sein. Wenn die Mutter etwa auf dem Spielplatz etwas fallen lässt, sich kurz danach bückt und ihr Kind in diesem Moment einem anderen Kind mit einem Förmchen eine Platzwunde zufügt, dann hat die Mutter nicht ihre Aufsichtspflicht verletzt und ist auch nicht haftbar zu machen. "Sie können ein Kind im Sandkasten nicht an der Hand führen", erklärt Becker. Auf einer Bank zu sitzen, reiche aus.

So entschied auch das Landgericht Potsdam (Az.: 13 S 20/02) in einem ähnlichen Fall. Danach müssen Eltern ihr Kind nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit beaufsichtigen. Das gelte auch bei zwei bis vier Jahre alten Kindern. Die Eltern dürften etwa noch schlafen, wenn ihre Kinder am Sonntag schon um sechs Uhr morgens spielten. Sie seien auch nicht haftbar, wenn das Kind dann etwas anstellt. Konkret ging es um zwei Kinder, die am Sonntagmorgen ihre Spielzeuge aus dem Fenster geworfen und damit ein unten geparktes Auto beschädigt haben. Auch für den illegalen Musiktausch ihres Kinders haften die Eltern nicht automatisch. Haben Eltern ihr minderjähriges Kind ausreichend über das Verbot einer Teilnahme an Internettauschbörsen aufgeklärt, müssen sie nicht für den entstandenen Schaden aufkommen, entschied der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 74/21).

Außerdem können die Eltern ihre Aufsichtspflicht auch zeitweise abgeben - vertraglich an einen Kindergarten zum Beispiel. Wenn dann etwas passiert, ist die Einrichtung verantwortlich. Anders sieht es aus, wenn man das Kind nur mal kurz in die Obhut eines Nachbarn gibt. Zerkratzt das Kind dann ein Auto, haftet die Nachbarin nicht. "Dann sind die Eltern schuld und müssen den Schaden zahlen", sagt Becker. Ohnehin sind Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht deliktfähig. Erst danach können sie für ihr Tun herangezogen werden. "Da wird aber immer im Einzelfall entschieden", sagt Becker. Denn es kommt auch auf die geistige Reife des Kindes an und ob ihm bewusst war, dass es einen Fehler begeht.

Ein Beispiel: Die Eltern erklären ihrem elf Jahre alten Kind, es darf kein Feuer machen. Trotzdem kommt es irgendwie an ein Feuerzeug heran und zündet ein Stück Papier an. "Dieses Kind hatte Einsichtsfähigkeit", sagt Becker. Und dann könne es auch sein, dass ein Kind für den vom ihm verursachten Schaden haftet. Meistens sei das aber eher nicht der Fall, weiß die Anwältin aus Erfahrung. Im Straßenverkehr gelten noch einmal andere Regeln. Hier ist ein Kind erst haftbar, wenn es das zehnte Lebensjahr vollendet hat. Wenn also ein 13 Jahre altes Kind regelmäßig im Straßenverkehr unterwegs ist und dennoch über eine rote Ampel geht und etwas passiert, dann ist es für den Schaden auch verantwortlich.

Hilfe von der privaten Haftpflicht

Ein von einem Kind verursachter Schaden ist in der Regel durch die private Haftpflichtversicherung der Eltern abgedeckt. Doch die Versicherung zahlt nicht immer. Wenn sechs Jahre alte Kinder fröhlich auf der Straße spielen und dabei glänzende Autos zerkratzen, sind die Kinder nicht verantwortlich und müssen nicht für ihren Schaden geradestehen. "Und dann muss auch die Haftpflichtversicherung der Eltern nicht zahlen", erklärt Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wenn aber keiner für den Schaden aufkommt, könnte der nachbarschaftliche Frieden gestört sein. Für solche Fälle empfiehlt der Experte daher einen Versicherungsschutz für deliktunfähige Personen. "In der Regel ist ein guter Tarif damit ausgestattet", sagt Grieble. Wichtig ist, dass die Schadenshöhe ausreichend hoch ist. Er rät zu einer mindestens fünfstelligen Summe.

Eltern sollten trotz allem auf ihre Kinder ordentlich aufpassen.Denn wenn ein Kind einen Schaden verursacht hat und dies von einem Gericht festgestellt wurde, kann es für diesen Schaden auch Jahre später noch Schadenersatz zahlen müssen. Zwar verfügt ein Kind noch nicht über ein Einkommen und muss daher nicht für einen Schaden aufkommen. Aber wenn es später Geld verdient, wendet sich das Blatt. "30 Jahre lang kann man einen Gerichtstitel vollstrecken", sagt Eva Becker. Jugendsünden können dann später also noch teuer werden.

(dpa)
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