Abschied vom Hotel Mama Tipps für die erste eigene Wohnung
Berlin · Gespült wird nur, wenn es keine saubere Tasse mehr gibt. Und mehr als die Musikanlage braucht kein Wohnzimmer. Von der ersten eigenen Wohnung versprechen sich Jugendliche viel Freiheit. Um Verträge und Versicherungen müssen sie sich aber trotzdem kümmern.
Morgens ewig ausschlafen, ohne dass jemand rummeckert, das Zimmer aufräumen, wann man will und sich tagelang von Tiefkühlpizza ernähren: Argumente für die eigenen vier Wände gibt es viele. Sie gelten nicht nur für Studenten, sondern auch viele Jugendliche packen irgendwann ihre Sachen und ziehen in die erste eigene Wohnung.
Eigene Erfahrungen machen
Bei den meisten Eltern kommen erst einmal Bedenken auf, wenn sie von den Auszugsplänen ihrer Kinder hören. "Sie denken, das ist zu früh", sagt Beate Friese vom Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer" in Wuppertal. Dabei spreche nichts dagegen, schon als Teenager bei den Eltern auszuziehen. "Im Gegenteil, es ist gut, alleine seine Erfahrungen zu machen und zu schauen, wie man zurechtkommt."
Denn wer mit dem Auszug von zu Hause wartet und später mit dem Freund oder der Freundin zusammenzieht, wohnt nie alleine. Außerdem bleibe Jugendlichen manchmal keine andere Wahl als auszuziehen, beispielsweise wenn sie eine Lehre an einem anderen Ort anfangen.
Minderjährige
Wer noch nicht volljährig ist, muss dabei allerdings einiges bedenken. "Minderjährige sind nach dem Gesetz beschränkt geschäftsfähig", erklärt Rechtsanwalt Thomas Hannemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein in Berlin. Das bedeutet, dass sie allein Verträge nicht rechtswirksam unterschreiben können. "Das gilt für alle Verträge, etwa mit dem Wohnungsvermieter, dem Stromversorger oder dem Telefonanbieter."
Will man also unter 18 Jahren alleine wohnen, braucht man die Einwilligung seiner Eltern oder des gesetzlichen Vertreters. Dabei gibt es laut Anwalt Hannemann mehrere Möglichkeiten. "Man kann sich von seinen gesetzlichen Vertretern wie den Eltern eine Einwilligung einholen." In der könne zum Beispiel stehen, dass sie damit einverstanden sind, dass ihr Kind einen Mietvertrag unterschreibt und sich beim Stromanbieter anmeldet. Eltern können in dem Dokument auch einen Betrag festlegen. So sichern sie sich ab, dass sie die Kosten nur bis zu einer bestimmten Höhe übernehmen müssen.
Eltern müssen einspringen
Möglich ist auch, dass Eltern die Verträge unterschreiben. Damit sind sie zum Beispiel Mieter und lassen ihren Sohn oder ihre Tochter in die Wohnung einziehen. "Für die Vermieter hat das meist den Vorteil, dass sie die Eltern nicht noch extra als Bürgen für die Mietzahlungen aufnehmen müssen", sagt Hannemann. "Der Nachteil ist jedoch, dass die Eltern den Vertrag wieder kündigen können, auch gegen den Willen des Kindes."
Ist eine Wohnung gefunden, geht es ans Einrichten. "Viele nehmen einiges aus ihrem Kinderzimmer mit", sagt Beate Friese. Alles neu kaufen sei für die meisten Jugendlichen zu teuer. "Es lohnt sich, im Familien- und Bekanntenkreis nach Geschirr, Besteck und Möbeln herumzufragen." Ansonsten könnten sie sich zum Geburtstag und zu Weihnachten Geld wünschen, um zum Beispiel ein Sofa zu kaufen.
Haftpflicht- und Hausratversicherung
Wer in eine eigene Wohnung zieht, muss sich auch um Versicherungen Gedanken machen. Relevant ist etwa eine Haftpflichtversicherung:
"Kinder sind über ihre Eltern mitversichert, auch wenn sie nicht mehr zu Hause wohnen - vorausgesetzt, sie sind ledig und noch in der Schule oder in Ausbildung", sagt Anwalt Thomas Hannemann. Wer selbst Geld verdient, sollte daher eine eigene Privathaftpflichtversicherung abschließen.
Wichtig kann auch eine Hausratversicherung sein. Sie kommt beispielsweise bei Feuer und Einbruch für Schäden an Haushaltsgeräten und Möbeln auf. "Sie gilt für jeden Hausrat einzeln, müsste also bei einer eigenen Wohnung neu abgeschlossen werden."
Nach dem Umzug müssen sich Jugendliche beim Einwohnermeldeamt ummelden. "Das sollten sie innerhalb einer Woche nach Einzug machen und dafür den Mietvertrag mitnehmen", erklärt Hannemann. Die Eltern brauchen bei Minderjährigen nicht mitkommen, sofern sie mit dem Mietvertragsabschluss einverstanden waren.
Sei der Lebensmittelpunkt bezogen auf ein Jahr überwiegend in der neuen Wohnung, müsse dort der Hauptwohnsitz angemeldet werden. "Das Kindergeld bekommen Eltern dennoch, wenn das Kind kein eigenes Einkommen hat." Wird ein Zweitwohnsitz angemeldet, können unter Umständen Zweitwohnungssteuern anfallen.
Die neue Lebensphase beginnt
So aufregend der Auszug auch ist: In der neuen Wohnung angekommen, kann Teenagern schon mal die Decke auf den Kopf fallen. "Das ist ja ein großer Schritt, mit dem man eine Lebensphase - das Zuhause-Wohnen - beendet. Das ist einerseits aufregend, kann aber Angst machen", sagt Maria El-Safti-Jütte, Erziehungs- und Familienberaterin in Berlin. Es spreche nichts dagegen, immer mal wieder nach Hause zu fahren, allerdings nicht andauernd. "Es ist wichtig zu lernen, sich in seiner Wohnung wohlzufühlen."
Deswegen sollten Jugendliche für die ersten Wochenenden alleine ein paar schöne Dinge planen. Das könne bedeuten, Sehenswürdigkeiten in der Stadt zu besichtigen, die Umgebung zu erkunden, eine Radtour in den Nachbarort zu machen, rät El-Safti-Jütte von der Erziehungsberatungsstelle Pestalozzi-Fröbel-Haus. Gut sei auch, neue Kontakte zu knüpfen - bei der Lehrstelle, im Studium oder über Vereine. "Dann lässt das Heimweh nach, und man kann die neu gewonnenen Freiheiten besser genießen."