Stiftung Warentest gegen Ritter Sport Jetzt geht der Schoko-Streit vor Gericht

Holzminden/München · Mitten in der Weihnachtszeit sorgt der Schokoladen-Streit um Aromen weiter für Wirbel. Er rückt auch die Branche der Geschmackstoffhersteller in den Fokus - ein Milliardengeschäft. Weltweit forschen Scouts nach neuen Aromen.

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Bislang war Symrise einer der vielen eher unbekannten Branchen-Riesen in Deutschland. Dann aber brach der Schoko-Streit aus. Natürliches Aroma oder nicht? Das ist die Frage.

Die Stiftung Warentest war in einer Schokolade von Ritter Sport auf den Stoff Piperonal gestoßen, der von Symrise geliefert wird. Anders als auf der Packung angegeben, sei Piperonal nicht "natürlich", urteilte die Stiftung. Dies sei irreführend - die Folge: ein "mangelhaft". Gegen die Behauptung, einen "chemisch hergestellten Aromastoff" verwendet zu haben, erwirkte Ritter eine einstweilige Verfügung. Über den Einspruch der Stiftung wird heute vor dem Landgericht München verhandelt.

Vor Gericht geht es erst einmal nur um die Behauptung. Das Testverfahren sei nicht Gegenstand der Verhandlung, sagt eine Warentest-Sprecherin. Auch bei Ritter Sport will man zunächst die Entscheidung abwarten, bevor man über weitere Schritte nachdenkt. Der Piperonal-Hersteller Symrise rückt mit dem Streit in den Fokus. Das Unternehmen macht einen Jahresumsatz von 1,75 Milliarden Euro und ist mit Abstand die Branchen-Nummer eins in Deutschland.

Natürliche Aromastoffe - ja oder nein?

Ortsbesuch im südniedersächsischen Weser-Städtchen Holzminden: Auf einem Tisch liegen Tüten mit Schokolade. "Probieren Sie", sagt Simone Peschke. "Und jetzt hiervon. Schmecken Sie den Unterschied?" Dieselbe Schokolade. Aber ein anderer Geschmack. "Das liegt am Vanillearoma. Und das ist selbstverständlich natürlich", sagt die Wissenschaftlerin, die beim Geruchs- und Geschmackstoffhersteller für Süßes zuständig ist und an neuen Aromen für Kekse, Backmischungen oder Bonbons arbeitet.

"Fast alle Aromen sind natürlichen Ursprungs", sagt Firmensprecher Bernhard Kott. "Das gilt auch für Piperonal." Die Sensibilität der Verbraucher für natürliche Produkte sei stark gestiegen. Sein Unternehmen habe darauf reagiert. Selbst Geschmacksverstärker hätten heutzutage eine natürliche Basis. Dazu verarbeitet Symrise jährlich 5000 Tonnen Zwiebeln. Einzig Menthol, das für Kaugummi oder Zahncreme verwendet wird, werde "komplett synthetisch" hergestellt.

Im Streit um die Ritter-Sport-Schokolade hatte der Aromenhersteller bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, das Aroma sei natürlichen Ursprungs. Dabei legte das Unternehmen auch sein Herstellverfahren offen. Piperonal komme unter anderem in Pflanzen wie Pfeffer oder Dill vor. Allerdings hatte die Lebensmittelüberwachung des Landkreises Holzminden bei Symrise vorsichtshalber schon einmal Proben des umstrittenen Stoffes entnommen. Das Ergebnis der Untersuchung ist noch offen.

Das sagen Verbraucherschützer

"Verbraucher müssen vor Aromen keine Angst haben", sagt Hedi Grunewald von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Eine Gesundheitsschädigung sei nicht zu befürchten. "Auch lebensmittelrechtlich ist alles in Ordnung". Allerdings sei der Geschmack zum Beispiel eines Erdbeer-Aromas nie derselbe wie der einer Erdbeere. "Die großzügige Verwendung von Aromen führt dazu, dass Kinder vielfach nicht mehr wissen, wie richtige Lebensmittel schmecken." Aromen dienten auch dazu, weniger wertvollen Lebensmitteln ein wertvolleres Image zu geben.

Rund 15 000 Aromen hat Symrise im Angebot: Süß, salzig, sauer, bitter, würzig, gemüsig, fruchtig, fleischartig. Zu den Kunden zählen nahezu alle Größen der Nahrungsmittel- sowie der Kosmetik- und Reinigungsmittelindustrie. Dutzende Spezialisten sind weltweit unterwegs - auf der Suche nach neuen Düften und Aromen in Früchten und Pflanzen. "In China, Indien, Südamerika oder sogar Tasmanien", sagt Kott.

Sind die Scouts fündig geworden, versuchen Wissenschaftler und Techniker in den Holzmindener Labors die Aromen zu identifizieren. "Wir wollen nicht nur wissen, ob etwas gut riecht oder schmeckt", sagt der Leiter der Symrise-Forschungsabteilung, Gerhard Krammer. "Wir müssen auch wissen, welche Substanzen dafür verantwortlich sind".

Ob ein neu entdecktes oder komponiertes Aroma alltagstauglich ist, wird in einem der vielen Labors getestet: WC-Düfte in einer langen Reihe Toiletten, Waschmittel in der Waschküche, Kekse im Backlabor.
Neben Orange- und Zitrusaromen haben Vanillearomen die größte Bedeutung. "Im Eis muss das Aroma kältebeständig sein, im Keks hitzebeständig", sagt Simone Peschke von der Süß-Abteilung. Und: "Das Aroma muss dafür sorgen, dass ein Produkt immer gleich schmeckt. Die Konsumenten erwarten das." Verbraucherschützerin Grunewald dagegen glaubt eher, "das die vielen Aromen in Lebensmitteln das Verhältnis zur natürlichen Nahrung durcheinanderbringen".

(dpa)
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