Null Bock auf Aktien Privatanleger kehren der Börse den Rücken

Düsseldorf (RPO). An den Aktienbörsen herrscht Flaute. Die Kurse dümpeln in ruhigem Gewässer richtungslos vor sich hin. Seitwärtsbewegung, wie die Börsianer sagen. Viele Privatanleger haben sich enttäuscht vom Aktienmarkt zurückgezogen. Die Tiefschläge, die sie im jüngsten Jahrzehnt einstecken mussten – Internet-Blase, Lehmann-Pleite, Schuldenkrise – haben viele in die Flucht getrieben.

Das 1x1 der Börsensprache
Infos

Das 1x1 der Börsensprache

Infos
Foto: AP

Düsseldorf (RPO). An den Aktienbörsen herrscht Flaute. Die Kurse dümpeln in ruhigem Gewässer richtungslos vor sich hin. Seitwärtsbewegung, wie die Börsianer sagen. Viele Privatanleger haben sich enttäuscht vom Aktienmarkt zurückgezogen. Die Tiefschläge, die sie im jüngsten Jahrzehnt einstecken mussten — Internet-Blase, Lehmann-Pleite, Schuldenkrise — haben viele in die Flucht getrieben.

Nach einer Verlautbarung des Deutschen Aktien Institut (DAI) ist ihre Zahl allein im 2. Halbjahr 2010 um fast eine halbe Million gesunken. Etwas ist schief gelaufen. Die Abkehr vieler Privatanleger vom Aktienmarkt hat einleuchtende Gründe, die teilweise schon länger zurückliegen:

1. Fehlende Aktienkultur
Zwei verlorene Weltkriege, Zerstörung von Milliardenwerten, Reparationen, Demontage, Verstaatlichung, zwei galoppierende Inflationen, Währungsreform: 40 Jahre lang ist Deutschland nicht zur Ruhe gekommen. Und als es dann endlich aufwärts ging in den Jahren des Wirtschaftswunders, hatten die Verbraucher andere Prioritäten. Es wurde gespart, es wurde konsumiert, es wurde gebaut, es wurde gereist. Das Thema Aktie stand nicht auf der Agenda, für die Entwicklung einer Aktienkultur fehlte der Boden.

2. Mangelnde Aufklärung
Den zuständigen Stellen, den Banken, den Börsen, der Industrie, ist es in den frühen Jahren der Bundesrepublik nicht gelungen, ein Klima für private Aktieninvestments zu schaffen. Während Bausparpläne, Kapital-Lebensversicherungen und Bundesschatzbriefe dank intensiver Werbung reißenden Absatz fanden, blühte die Aktie nur im Verborgenen und blieb eine Sache von Privilegierten. Über Funktion und Vorteile von Aktien wurde die breite Öffentlichkeit nicht aufgeklärt.

3. Unverständliches Kauderwelsch
Als der Markt dann reif war, breitere Schichten an den Aktienmarkt heranzuführen, haben sich Banken und Sparkassen nicht mit Ruhm bekleckert. Statt mit überzeugenden Argumenten und in verständlicher Sprache die Attraktivität von Aktienbesitz schmackhaft zu machen, verfielen sie in einen Fachjargon, den kaum einer kapierte.

Ein Beispiel aus diesen Tagen (von der Bank Macquarie Oppenheim) soll zeigen, in welchem Kauderwelsch sich die Branche auch heute noch ausdrückt: "Im weiteren Handelsverlauf kommt es damit auf zwei Marken an: Auf der Oberseite fungiert das Kerzenhoch bei 7052 Punkten als Stop-Loss für etwaige Shorts und Trigger für einen Long-Einstieg. Auf der Unterseite lassen sich etwaige Call-Positionen bei 7003 Punkten via Stop-Loss absichern. Zudem fungiert diese Marke als prozyklischer Sell-Trigger für eine Short-Position. Zwischen beiden Marken besteht kein Handlungsbedarf." Alles verstanden?

4. Negative Erfahrungen
Trotz Beratung und Expertise muss jeder, der neu an die Börse geht, Lehrgeld zahlen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Was viele Privatanleger jedoch in den vergangenen zehn Jahren an der Börse erlebt und erlitten haben — von den Terroranschlägen am 11.09.2001, über die geplatzte Internet-Blase 2002/03 bis zu den Folgen der Lehman-Pleite 2008 — überstieg das Stehvermögen. Bitter enttäuscht und oftmals mit erheblichen Verlusten im Gepäck kehrten die Anleger der Börse den Rücken.

Alles ganz einfach

Dabei ist die Sache, um die so viel Wirbel gemacht wird, im Grunde genommen ganz einfach. Aktienbesitz bedeutet Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen, die Frage ist nur, ob an den richtigen oder den falschen. Die treibende Kraft für einen Anleger muss die Vorstellung sein, mit dem Kauf einer bestimmten Aktie Mitinhaber eines wunderbaren Unternehmens zu werden. Aber darüber wird oft gar nicht mehr gesprochen, sondern nur noch über Zertifikate und ETFs, über Hebelprodukte und Fonds.

Entscheidend aber bleibt für den Anleger, ob er das Geschäft des Unternehmens versteht, dem er sein Geld anvertraut. Die Beantwortung dieser Gretchenfrage kann Mühe machen, sie kann Zeit und Geld kosten, aber sie bleibt niemandem erspart. Wer sich aufs Börsenparkett begibt, muss nicht studiert haben und braucht auch keine hellseherischen Fähigkeiten. Er sollte aber die wichtigsten Grundregeln kennen und vor allem eines besitzen: Gute Nerven, das heißt Disziplin.

Von Warren Buffett lernen

Ratgeberbücher zum Thema Börse füllen mittlerweile lange Regale. Viele fühlen sich berufen, ihre Weisheiten zu Papier zu bringen, aber nur wenige sind auserwählt. Zu den wenigen, die wirklich etwas von der Materie verstehen, zählt unbestritten Warren Buffett, der erfolgreichste Investor der Gegenwart. Er residiert nicht in einem der Marmorpaläste an der Wallstreet in New York, sein Domizil hat er in Omaha/Nebraska, einer 400.000-Einwohner-Stadt im mittleren Westen. Dort ist er geboren, von dort regiert er noch heute sein Investment-Imperium.

Zu den Hauptversammlungen seiner Holding namens Berkshire Hathaway strömen Anleger aus aller Welt, um dem "Orakel von Omaha" zuzuhören. 2010 waren es 37.000. Die Grundsätze seiner Anlagenpolitik, die Warren Buffet seit Jahren unermüdlich verkündet und nach denen er ein Vermögen von schätzungsweise 50 Milliarden Dollar erwirtschaftete, kann sich auch jeder Privatanleger hinter die Ohren schreiben:

Wir investieren nur in Unternehmen, wenn wir...
1. die Geschäfte verstehen
2. die langfristigen Aussichten des Unternehmens gut sind
3. das Unternehmen von kompetenten und ehrlichen Managern geleitet wird
4. das Unternehmen sehr attraktiv bewertet ist

Warren Buffett hat noch kein Ratgeberbuch geschrieben, und die Welt wird wahrscheinlich vergeblich darauf warten. Aber viele seiner Sprüche haben den Charakter von Lehrsätzen erreicht. Eine kleine Auswahl:

"Der dümmste Grund, eine Aktie zu kaufen, ist, weil sie steigt."
"Wenn jemand gute Aktien hat, wäre es verrückt, wenn er nur wegen eines Kursrückschlags verkaufen würde."
"Risiko entsteht dann, wenn Anleger nicht wissen, was sie tun."
"Investiere nur in eine Aktie, deren Geschäft du verstehst."
"Die meisten Leute interessieren sich für Aktien, wenn alle anderen es auch tun. Die beste Zeit ist aber, wenn sich sonst niemand für Aktien interessiert."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort